epSOS: Gesundheitsleistungen ohne Grenzen?

25.03.2010 | Politik

In zwölf EU-Staaten wird derzeit im Auftrag der EU-Kommission emsig daran gearbeitet, mithilfe des epSOS-Projekts eine inter-europäische Gesundheitsversorgung auf die Beine zu stellen. Angestrebter Lohn der Mühen: grenzenlose Gesundheitsleistungen für alle EU-Bürger.
Von Ruth Mayrhofer

Innerhalb Europas ist es mittlerweile keine Seltenheit mehr, in einem Land zu leben und in einem anderen zu arbeiten. Außerdem genießen die meisten Europäer ihre Urlaube in anderen EUStaaten als dem Heimatland. Es gehört deswegen zu den Schlüsselprioritäten der Europäischen Union, ihren Bürgern größtmögliche Mobilität zu garantieren. In diesem Zusammenhang erachtet die EU die Sicherung einer inter-europäischen Gesundheitsfürsorge als eine ihrer zentralen Anliegen. Im Bedarfsfall sollen daher individuell relevante medizinische Informationen auch europaweit abrufbar sein, um – so heißt es auf der Website der epSOS (www.epsos.eu) „eine optimale, sichere und kosteneffektive Versorgung aller Europäer über alle Grenzen hinweg sicherzustellen“.

Das Rad nicht neu erfinden

Aus diesem Grund wurde am 1.7.2008 seitens der Europäischen Union das epSOS-Projekt ins Leben gerufen, wobei das Kürzel epSOS für „European Patients – Smart Open Services“ steht. Ziel des Projekts ist es, den Austausch von grundlegenden Patientendaten und elektronischen Verschreibungen zwischen den europäischen Gesundheitssystemen zu ermöglichen. Dabei soll das sprichwörtliche Rad aber nicht neu erfunden werden, sondern es sollen – ein überaus ehrgeiziges Ziel – die in Europa bereits bestehenden E-Health-Standards so vernetzt werden, dass sie eines Tages gut und reibungslos unter Beachtung aller Datenschutzerfordernisse miteinander kommunizieren können. Die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Projekt sollen außerdem ihren Niederschlag in europäischen legistischen Vorgaben wie zum Beispiel Richtlinien, Verordnungen und Gesetzen finden. Für den einzelnen EUBürger wichtig ist jedoch, dass – wie auch immer die Details des epSOS-Projektes nach einer Finalisierung aussehen werden – er persönlich auch einem grenzüberschreitenden Informationsaustausch explizit zustimmen muss.

Die Projektlaufzeit – ursprünglich höchst ambitioniert auf exakt drei Jahre begrenzt – wurde mittlerweile von der Europäischen Kommission bis Ende 2011 ausgedehnt. An epSOS sind insgesamt zwölf EU-Staaten (siehe Kasten) mit ihren Gesundheitsministerien, 14 regionale und nationale E-Health Kompetenzzentren sowie ein Industieteam mit 33 länderübergreifend operierenden Firmen beteiligt. Als Koordinator des gesamten Projekts fungiert SALAR, die Swedish Association of Local Authorities and Regions.

Österreich und seine Kompetenzen

Insgesamt hat die EU-Kommission als epSOS-Budget für alle Mitgliedsländer für den Projektzeitraum einen Betrag von 22 Millionen Euro definiert. In allen teilnehmenden Ländern wird das Projekt von der öffentlichen Hand – in den meisten Fällen von den einzelnen Gesundheitsministerien – unterstützt. Österreichs Beitrag schlägt sich mit 1,7 Millionen Euro zu Buche; er wird zu gleichen Teilen von der Europäischen Kommission und vom Bundesministerium für Gesundheit – also dem Bund – aufgebracht. Als operativer Koordinator für Österreich beziehungsweise als von der EU anerkanntes österreichisches zentrales Kompetenzzentrum fungiert dabei die ELGA GmbH (bis 31.12.2009: ARGE ELGA) als Auftragnehmer des Bundes. Die ELGA GmbH ist überdies nicht nur beauftragt, aktiv am epSOSKonzept mitzuarbeiten, sondern auch die österreichische ELGA von vornherein EUkompatibel zu gestalten. Abseits dessen arbeitet Österreich bei fast allen epSOSTeilprojekten, so genannten Working Packages, mit. Dazu zählen etwa Maßnahmen zur eindeutigen Identifikation der Patienten sowie der Gesundheitsdienste- Anbieter, alle technischen Arbeitspakete bis hin zur semantischen Interoperabilität und die Etablierung von grenzüberschreitenden Pilotprojekten.

Noch viel Arbeit und Feinschliff erforderlich

Obwohl ELGA in Östereich mittlerweile „gut aufgestellt“ ist und in bestehende EU-Systeme gut integriert werden könnte, wie Martin Hurch von der ELGA GmbH betont, sehen sich der Projektleiter und sein epSOS/ELGA-Team doch noch mit veritablen Herausforderungen konfrontiert. Zunächst müsse man, so Hurch, in einer Explorationsphase bestätigen, dass die ELGA-Architektur länderübergreifend tatsächlich funktioniert. Das betrifft beispielsweise auch wichtige Themen wie e-medication und die patient summary. Auch der Aufbau von nationalen Kontaktzentralen (national contact points) – vereinfacht: die Schaffung von Servern, über die Daten unter Berücksichtigung von Berufsberechtigungen und nationalen gesetzlichen Regelungen überspielt werden sollen – ist ebenfalls ein noch nicht ausverhandelter Punkt.

Weiters geht es um epSOS-ELGAPilotierungen, die derzeit lediglich auf kleinem Raum und (noch) nicht flächendeckend ablaufen. Diese eingeschränkten Erst-Pilotierungen, so fürchtet der Experte, könnten eventuell zunächst eine zu geringe Aussagekraft im europäischen Kontext haben und müssten im Bedarfsfall für ein Modell „epSOS 2.0 oder 3.0“ (Hurch) nachjustiert werden. Genauso unterliegt die neue elektronische Entlassungsdokumentation noch einem gewissen technischen Feinschliff: Schließlich soll diese nicht nur die richtigen Daten an der richtigen Stelle aufscheinen lassen, sondern auch allen an einer Entlassungsdokumentation Beteiligten letztlich entscheidende Arbeitsleichterungen bringen.

Auch die semantische Interoperabilität, also die Verständlichkeit von Patientendaten über sprachliche Grenzen hinweg, stellt alle Beteiligten noch vor größere Hürden. Überlegt wird, medizinische Details entweder auf Englisch oder auf Basis des LOINC-Katalogs oder angepasst auf andere internationale Codes zu vereinheitlichen. Fest steht jedenfalls gemäß Martin Hurch, dass als ELGA-Teilprojekt und durchaus auch im europäischen Kontext zu sehen – schon im Herbst 2010 mit zentralen Patienten-Indizes in den einzelnen Bundesländern zu rechnen sein wird.

Unscharfe EU-Kritik an Österreich

Im Rahmen des epSOS-Projektes sieht sich Österreich mit einigen Kritikpunkten konfrontiert. So etwa damit, dass es die heimische E-Card-Struktur nicht erlaubt, Patientendaten auf die E-Card aufzuspielen. „Das wurde so entschieden“, sagt Hurch kurz und knapp dazu, „und lässt sich derzeit nicht ändern“. Aber: „Sollte ein diesbezüglicher Schwenk angedacht werden, müsste man das auf der politischen Ebene diskutieren“. Das unterstreicht auch Gerhard Holler, Konsulent für E-Health-Angelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer: „Es war eine Grundsatzentscheidung, dass die E-Card lediglich eine Schlüsselkarte und keine Datenkarte im Sinne eines Datenträgers ist. Bei einem allfälligen Kartenverlust etwa stellt sich die Frage, wo die Daten wiederbeschaffbar sind. Schon allein aus diesem Aspekt hat die Österreichische Ärztekammer diese Entscheidung mitgetragen, denn sonst wären es neuerlich die Ärzte gewesen, die die Last zu tragen gehabt hätten“. Österreich sieht sich auch mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die derzeitige elektronische Vernetzung der Ärzte nur „durchschnittlich“ sei. Holler: „Das stimmt ganz sicher nicht. Die Vernetzung der Kassenärzte liegt derzeit bei 90 bis 95 Prozent. Es könnte natürlich sein, dass seitens der EU alle Ärzte inklusive Fach- und Wahlärzte eingerechnet wurden, also Ärzte, die eine entsprechende Struktur benötigen. Das müsste man sich anschauen“.

epSOS auf einen Blick

Zielsetzung: Schaffung einer europaweiten Gesundheitsfürsorge mittels (elektronischem)
Austausch grundlegender Patientendaten zwischen allen europäischen Gesundheitssystemen.

Teilnehmende Staaten: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande,
Österreich, Schweden, Slowakei, Spanien, Tschechische Republik, Großbritannien

Projektzeitraum: Juli 2008 bis Dezember 2011

Projektkosten gesamt: 22 Mio. Euro
Projektkosten Österreich: 1,7 Mio. Euro

Projekt-Koordinator EU-weit: Swedish Association of Local Authorities and Regions (SALAR)
Koordinator Österreich: ELGA GmbH, Projektleiter: Dr. med. Martin Hurch

Weiterführende Informationen:
epSOS: www.epsos.eu, ELGA-GmbH: www.elga.gv.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2010