Arbeits­me­di­zin: Erfolgs­mo­dell AUVA sicher

10.03.2010 | Arbeitsmedizin, Politik

Seit zehn Jah­ren wer­den Klein­be­triebe mit maximal 50 Beschäf­tig­ten von Arbeits­me­di­zi­nern betreut, ohne dass für die Unter­neh­men Kos­ten ent­ste­hen. Die Aktion ist ein Erfolg – nicht zuletzt für die Ärzte.
Von Kurt Mar­ka­rit­zer

Für die Kos­ten kommt die All­ge­meine Unfall­ver­si­che­rung (AUVA) auf, um die Klein- und Kleinst-Unter­neh­men zu ent­las­ten. Diese Fir­men müs­sen – so wie jeder Betrieb, der Arbeit­neh­mer beschäf­tigt – laut Arbeit­neh­me­rIn­nen­schutz- Gesetz arbeits­me­di­zi­nisch betreut wer­den. Der mate­ri­elle Auf­wand dafür würde viele Betriebe über­for­dern, des­halb haben Unter­neh­men mit bis zu 50 Arbeit­neh­mern die Mög­lich­keit, bei der AUVA eine kos­ten­lose arbeits­me­di­zi­ni­sche Betreu­ung anzu­for­dern. Auch eine sicher­heits­tech­ni­sche Betreu­ung wird kos­ten­frei ange­bo­ten. Die Koor­di­na­tion der arbeits­me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung, die AUVA­si­cher genannt wird, erfolgt auf Basis eines zwi­schen der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer und der AUVA vor Beginn der Initia­tive im Jahr 1999 abge­schlos­se­nen Vertrages. 

„Es waren damals harte und schwie­rige Ver­hand­lun­gen”, erin­nert sich Artur Wech­sel­ber­ger, Prä­si­dent der Ärz­te­kam­mer Tirol und Lei­ter des Refe­rats für Arbeits­me­di­zin der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer, „aber der Auf­wand hat sich gelohnt, es ist eine gute Lösung gefun­den wor­den.” In die­sem Ver­trag ist nicht nur die Aus­wahl der Ärzte gere­gelt, son­dern auch die Arbeits­weise und die Hono­rie­rung und nicht zuletzt die Grund­sätze der arbeits­me­di­zi­ni­schen Betreu­ung bei die­sem Pro­jekt. Das Koope­ra­ti­ons­ver­hält­nis wird durch einen Ein­zel­ver­trag mit jedem Arbeits­me­di­zi­ner begrün­det. Die Zusam­men­ar­beit kann zwi­schen 400 und 1.200 Jah­res­stun­den an Betreu­ungs­zeit in den Arbeits­stät­ten umfas­sen. Die Bestel­lung der Arbeits­me­di­zi­ner erfolgt im Ein­ver­neh­men zwi­schen AUVA und Ärz­te­kam­mer. Es sind über­wie­gend nie­der­ge­las­sene Ärzte, die eine Aus­bil­dung als Arbeits­me­di­zi­ner absol­viert haben und nach Mög­lich­keit in der Nähe jener Klein­un­ter­neh­men woh­nen, die sie betreuen sollen.

Arbeits­me­di­zi­ner, die sich für eine Mit­ar­beit inter­es­sie­ren, kön­nen sich auf die Liste der Bewer­ber set­zen las­sen und müs­sen ange­ben, wie viele Stun­den sie für diese Tätig­keit auf­wen­den kön­nen, die im Fach­jar­gon „Bege­hung“ heißt. Fir­men mit bis zu zehn Beschäf­tig­ten müs­sen alle zwei Jahre, Arbeits­stät­ten mit elf bis 50 Beschäf­tig­ten jedes Jahr began­gen wer­den. Der Zeit­auf­wand ist unter­schied­lich: Je nach­dem, wie viele Beschäf­tigte in dem Unter­neh­men tätig sind und wie groß die Gesund­heits­ge­fähr­dung am Arbeits­platz ist, dau­ert die Bege­hung zwei bis acht Stun­den. Wech­sel­ber­ger dazu: „Diese Zeit ist knapp bemes­sen.“ Knapp wird die Zeit vor allem des­we­gen, weil die Arbei­ter und Ange­stell­ten im Lauf der Zeit Ver­trauen zu den Arbeits­me­di­zi­nern gefasst haben. Am Anfang der Aktion waren die ein­ge­setz­ten Ärzte vor­wie­gend damit beschäf­tigt, die gesetz­lich gefor­der­ten Doku­men­ta­tio­nen zu erstel­len. Mitt­ler­weile wer­den sie aber nicht nur von den Arbeit­ge­bern um Rat gefragt, son­dern zuneh­mend auch von den Beschäftigten. 

Dabei geht es meist um kör­per­li­che Beschwer­den, die durch die Arbeit aus­ge­löst wer­den, vor allem um Lärm­schwer­hö­rig­keit und Haut­er­kran­kun­gen, die bei­den häu­figs­ten Berufs­krank­hei­ten. Der Arzt wird aber oft auch zum See­len­trös­ter, der neben indi­vi­du­el­len arbeits­phy­sio­lo­gi­schen Ana­ly­sen und Bera­tun­gen im per­sön­li­chen Gespräch auch ein­mal psy­cho­lo­gi­sche Rat­schläge gibt. 

Von den Beschäf­tig­ten selbst kom­men immer wie­der Ver­bes­se­rungs­vor­schläge, die von den Ärz­ten geprüft und an die Fir­men­lei­tung wei­ter­ge­lei­tet wer­den, wenn sie ziel­füh­rend sind. Die Arbeits­me­di­zi­ner sind bei ihren Ein­sät­zen mit Lap­top und mobi­lem Dru­cker aus­ge­rüs­tet und kön­nen damit an Ort und Stelle ihre Befunde und Vor­schläge aus­ar­bei­ten, aus­dru­cken und den Unter­neh­men über­ge­ben. Zu Hause erfolgt dann die elek­tro­ni­sche Über­mitt­lung an die AUVA.

Die Inha­ber der Unter­neh­men haben für die meis­ten Vor­schläge ein offe­nes Ohr, weil ihnen klar ist, dass eine Ver­rin­ge­rung der Gesund­heits­ge­fähr­dung und damit der Kran­ken­stände dem Betrieb sehr nützt. Wech­sel­ber­ger: „Dazu ist den Inha­bern die­ser klei­nen Fir­men bewusst, dass sie für die­ses wich­tige Ser­vice nichts zah­len müs­sen, das stei­gert natür­lich die Akzep­tanz.” Die Fir­men und ihre Mit­ar­bei­ter sind von der Betreu­ung ange­tan und auch die Ärzte, die beim Pro­jekt AUVA­si­cher mit­ar­bei­ten, sind zufrie­den. Wech­sel­ber­ger: „Es ist eine inter­es­sante Tätig­keit und das Hono­rar kann sich sehen las­sen.” Tat­säch­lich wur­den im Vor­jahr an die Arbeits­me­di­zi­ner für 85.230 Ein­satz­stun­den 9,6 Mil­lio­nen Euro an Hono­ra­ren aus­be­zahlt; der Betrag hat sich seit dem ers­ten vol­len Ein­satz­jahr 2000 mehr als ver­dop­pelt. Der Gesamt­um­satz an AUVA­si­cher Hono­ra­ren betrug seit Dezem­ber 1999 bei ins­ge­samt 239 Ver­trags­part­nern mehr als 75 Mil­lio­nen Euro. 

Diese Ein­kom­mens­mög­lich­keit könnte viele rei­zen, eine Aus­bil­dung als Arbeits­me­di­zi­ner zu absol­vie­ren, um sich für eine der Stel­len bewer­ben zu kön­nen. Wech­sel­ber­ger als zustän­di­ger Refe­rent der ÖÄK emp­fiehlt das sogar nach­drück­lich, auch aus einem ande­ren Grund: „Bei den Arbeits­me­di­zi­nern wird es dem­nächst einen Gene­ra­ti­ons­wech­sel geben. Viele, die in den 1980er Jah­ren zu den ers­ten Arbeits­me­di­zi­nern gehört haben, gehen bald in Pen­sion. Da kön­nen inter­es­sierte Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen eine Markt­lü­cke schließen.” 

Die Aus­bil­dung zum Arbeits­me­di­zi­ner erfolgt in zwölf­wö­chi­gen Kur­sen, die in Klos­ter­neu­burg und Linz abge­hal­ten wer­den.

Die Details

Im Durch­schnitt wen­den die der­zeit ein­ge­setz­ten Arbeits­me­di­zi­ner zwi­schen 400 und 1.200 Stun­den im Jahr für AUVA­si­cher auf. In die­sem Zeit­rah­men sind die Fahrt­zei­ten und auch die Vor- und Nach­be­rei­tung des Ein­sat­zes inkludiert.

Ins­ge­samt sind der­zeit 137 Ver­trags­part­ner mit 174 Ver­trä­gen für die AUVA tätig. Den größ­ten Anteil stellt erwar­tungs­ge­mäß Wien mit 37 Ver­trä­gen. Dahin­ter ran­gie­ren Ober­ös­ter­reich (31), Nie­der­ös­ter­reich (29), die Stei­er­mark (22), Tirol (16), Salz­burg (14), Kärn­ten (11) sowie Vor­arl­berg und das Bur­gen­land (je 7). Die meis­ten Bewer­ber um einen Ver­trag fin­den sich in Wien und Nie­der­ös­ter­reich (je 71), gefolgt von Kärn­ten (36), der Stei­er­mark (23), Tirol (16), Bur­gen­land (12), Vor­arl­berg (10), Salz­burg (9) und Ober­ös­ter­reich (7).

Zwei Drit­tel aller Klein- und Kleinst­be­triebe neh­men das Ange­bot AUVA­si­cher in Anspruch und sind mit den gebo­te­nen Leis­tun­gen zufrie­den. Die Zahl der Berufs­scha­dens­fälle sinkt bestän­dig, das stei­gert die Lebens­qua­li­tät der arbei­ten­den Men­schen und auch die Leis­tungs­fä­hig­keit der öster­rei­chi­schen Wirtschaft.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2010