Alters­grenze für Ärzte: Siegt doch noch die Vernunft?

15.12.2010 | Politik


Die mit der ÖÄK nicht abge­spro­chene Fest­le­gung der Alters­grenze für Ver­trags­ärzte mit dem 70. Lebens­jahr hat für einige Auf­re­gung gesorgt. Nun wurde nach­jus­tiert mit einer bis 2018 gel­ten­den Über­gangs­frist.

Von Kurt Markaritzer

Die Falle ist im 4. Sozi­al­rechts-Ände­rungs­ge­setz ent­hal­ten, das der Gesetz­ge­ber im Dezem­ber des Vor­jah­res beschlos­sen hat. Dik­tiert wird darin „die Fest­le­gung einer Alters­grenze (längs­tens bis zur Voll­endung des 70. Lebens­jah­res) für die Been­di­gung der Ein­zel­ver­träge von Ver­trags­ärz­tin­nen und Ver­trags­ärz­ten … sowie mög­li­cher Aus­nah­men davon bei dro­hen­der ärzt­li­cher Unter­ver­sor­gung. Kommt keine Eini­gung über eine Alters­grenze zustande, so gilt das voll­endete 70. Lebens­jahr als Alters­grenze.“

Die Rege­lung sorgte bei Ken­nern der Mate­rie für Kopf­schüt­teln. Gün­ther Waw­row­sky, Obmann der Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte und Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer: „So ein Unfug kommt bei einem Allein­gang der Poli­tik her­aus. Mit uns war das nicht abge­spro­chen und diese Lösung ist in der radi­ka­len Form nicht prak­ti­zier­bar. Sie würde für Hun­derte Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen eine Zwangs­pen­sio­nie­rung bedeu­ten.“ Johan­nes Zahrl, stell­ver­tre­ten­der Kam­mer­amts­di­rek­tor der ÖÄK, ergänzt: „Mit der Alters­grenze für bestehende Ver­träge hat sich der Gesetz­ge­ber ein­sei­tig über die Ver­ein­ba­rung zur Kas­sen­sa­nie­rung hin­weg­ge­setzt, die Ärz­te­kam­mer und Haupt­ver­band abge­schlos­sen haben. Die Rege­lung sol­cher The­men sollte man bes­ser den Ver­trags­part­nern alleine über­las­sen. Es bestand kein Grund für den Gesetz­ge­ber, hin­ein­zu­pfu­schen und was er vor­ge­legt hat, war Unsinn. Es soll das Motto gel­ten: Ver­trags­part­ner­recht den Vertragspartnern!“

Fak­tor Zeit

In inten­si­ven Gesprä­chen hat sich eine Arbeits­gruppe aus Ver­tre­tern der ÖÄK und des Haupt­ver­ban­des der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger bemüht, eine trag­fä­hige Lösung zu fin­den. Dabei drängte die Zeit, denn beide Sei­ten muss­ten sich zum 31. Dezem­ber 2010 über eine Alters­grenze für Kas­sen­ver­trags­ärzte und Über­gangs­be­stim­mun­gen für bestehende Ver­träge eini­gen. Andern­falls hät­ten mit Jah­res­ende 2010 auto­ma­tisch die Ein­zel­ver­träge all jener Kas­sen­ärzte geen­det, die das 70. Lebens­jahr voll­endet haben. Die Ver­hand­lun­gen waren schwie­rig, letzt­lich aber inso­weit erfolg­reich, als sich Ärz­te­kam­mer und Haupt­ver­band auf eine gemein­same Emp­feh­lung an die Kran­ken­ver­si­che­rungs­trä­ger sowie die jeweils zustän­di­gen Lan­des-Ärz­te­kam­mern einig­ten, eine Über­gangs­re­ge­lung zur Alters­grenze für die jewei­li­gen Gesamt­ver­träge zu treffen.

Die Über­gangs­frist für zum 1. Jän­ner 2010 bestehende Ein­zel­ver­träge endet mit 31. Dezem­ber 2018. Erst ab dem 1. Jän­ner 2019 gilt als Alters­grenze für bestehende Ein­zel­ver­träge die Voll­endung des 70. Lebens­jah­res, dann erlö­schen jeden­falls Ein­zel­ver­träge von Ver­trags­ärz­tin­nen und Ver­trags­ärz­ten. Für die Jahre davor ist eine stu­fen­weise Ein­schleif­re­ge­lung vorgesehen.

Diese Ein­schleif­re­ge­lung könnte laut Ver­ein­ba­rung zum Bei­spiel fol­gen­der­ma­ßen aus­se­hen:
Für Ver­trags­ärz­tin­nen und Ver­trags­ärzte, die vor dem 1.1.2010

  • das 68. Lebens­jahr voll­endet haben, gilt die Alters­grenze 74, frü­hes­tens jedoch ab dem 1.1.2015;
  • das 66. Lebens­jahr voll­endet haben, gilt die Alters­grenze 73, frü­hes­tens jedoch ab dem 1.1.2016;
  • das 64. Lebens­jahr voll­endet haben, gilt die Alters­grenze 72, frü­hes­tens jedoch ab dem 1.1.2017;
  • das 62. Lebens­jahr voll­endet haben, gilt die Alters­grenze 71, frü­hes­tens jedoch ab dem 1.1.2018;
  • das 60. Lebens­jahr voll­endet haben, gilt die Alters­grenze 70, frü­hes­tens jedoch ab dem 1.1.2019.

Die Rege­lung soll gemäß die­ser Ver­ein­ba­rung auch für die Son­der­ver­si­che­rungs­trä­ger zutref­fen. Wört­lich heißt es: „Grund­sätz­lich sol­len, sofern vor­han­den, auch bei BVA, SVA und VAEB die jeweils gel­ten­den Län­der­be­stim­mun­gen Anwen­dung fin­den, damit es nicht zu unter­schied­li­chen Alters­gren­zen in den Ver­trä­gen eines ein­zel­nen Arz­tes kommt.“ Waw­row­sky begrüßt die Emp­feh­lung grund­sätz­lich, warnt aber vor Spät­fol­gen: „Die Alters­grenze von 70 Jah­ren bleibt ja bestehen, das bedeu­tet, dass viele ältere Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen in weni­gen Jah­ren ihre Ordi­na­tio­nen schlie­ßen müs­sen, obwohl sie gerne noch wei­ter arbei­ten wür­den.“ Außer­dem muss die Emp­feh­lung erst in jedem ein­zel­nen Bun­des­land beschlos­sen und umge­setzt wer­den. Der Kuri­en­ob­mann: „Das ist die Kehr­seite des Föde­ra­lis­mus und kann dazu füh­ren, dass in ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern unter­schied­li­che Alters­gren­zen gel­ten.“ Waw­row­sky erin­nert daran, dass der Alters­durch­schnitt der nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te­schaft in Öster­reich hoch ist: „Mit einem Feder­strich prak­ti­zie­rende Ärzte in den Ruhe­stand zu zwin­gen, ist auch unter die­sem Aspekt unsin­nig!“ Zu Pro­ble­men dürfte es vor allem im länd­li­chen Raum kom­men, wo es schon jetzt oft schwie­rig ist, Arzt­stel­len zu besetzen.

Mit einer sar­kas­ti­schen per­sön­li­chen Bemer­kung kom­men­tiert der Vize­prä­si­dent die aktu­elle Ent­wick­lung: „Als jun­ger Medi­zi­ner war ich mit­ten in der Ärz­te­schwemme. Jetzt komme ich als Pati­ent in eine Zeit des Ärz­te­man­gels.“Es sei unbe­greif­lich, dass der Gesetz­ge­ber die ris­kante Ent­wick­lung mit der schwam­mi­gen For­mu­lie­rung „mög­li­che Aus­nah­men“ abtut.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2010