Ärztlicher Verhaltenskodex: Anwendung von Arzneimitteln in der Ordinationen

25.04.2010 | Politik


Anwendung von Arzneimitteln in der Ordination: neue Richtlinien

Die Verschreibung und Anwendung von Medikamenten gehört seit jeher zum Berufsbild des Arztes. Umso mehr verwundert es daher, dass die Frage, ob Ärzte Arzneimittel in ihrer Ordination vorrätig halten und an Patienten anwenden dürfen, in der Vergangenheit nicht unumstritten war und sogar schon die Höchstgerichte beschäftigt hat.
Von Karin Rösel-Schmid*

Nach dem Ärztegesetz umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufs unter anderem die Behandlung verschiedener körperlicher Zustände, operative Eingriffe und die Prävention von Erkrankungen. Jeder niedergelassene Arzt ist berechtigt, alle Arzneimittel und sonstigen Hilfsmittel, die er zur Ausübung dieser Tätigkeiten benötigt, anzukaufen, vorrätig zu halten und an seinen Patienten anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof hat im Jahr 2008 eindeutig klargestellt, dass die unmittelbare Anwendung von Arzneimitteln durch den Arzt am Patienten keine Medikamenten“abgabe“ im Sinne des Arzneimittelgesetzes darstellt. Unter „Abgabe“ versteht das Arzneimittelgesetz den Verkauf von Medikamenten, also die Übergabe zur späteren Anwendung außerhalb der Ordination. Es ist daher zwischen „Anwendung“ und „Abgabe“ von Arzneimitteln zu unterscheiden: Die Anwendung von Arzneimitteln ist jedem Arzt im Rahmen seines Leistungsspektrums erlaubt, die Abgabe von Arzneimitteln hingegen nur ärztlichen Hausapotheken und öffentlichen Apotheken.

Um eine klare Richtschnur zu schaffen, die den Ärztinnen und Ärzten diese Unterscheidung erleichtern soll, hat die Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer beschlossen, Bestimmungen über die Anwendung von Medikamenten in den Ärztlichen Verhaltenskodex aufzunehmen. Die entsprechenden Änderungen finden Sie in dieser Ausgabe der ÖÄZ (S. 76); sie treten am 26. April 2010 in Kraft.

Gemäß Artikel 6, erster Absatz des geänderten Verhaltenskodex liegt die Anwendung eines Arzneimittels im Zuge der ärztlichen Behandlung dann vor, wenn das Arzneimittel während der Behandlung vom Arzt unmittelbar am Patienten angewendet beziehungsweise dem Patienten verabreicht wird. Oft handelt es sich dabei um Injektabilia wie Impfungen oder Infusionen. Es kann aber ebenso vorkommen, dass der Arzt dem Patienten im Zuge einer Behandlung ein oral, äußerlich oder auf andere Art zu applizierendes Arzneimittel verabreicht. Eine unmittelbare Arzneimittelanwendung liegt auch dann vor, wenn der Arzt dem Patienten im Rahmen eines Hausbesuches Arzneimittel verabreicht.

Aufgrund der geltenden Gesetzeslage dürfen Arzneimittel, die ein Arzt zur unmittelbaren Anwendung an Patienten benötigt, nur in einer öffentlichen Apotheke bezogen werden. Es muss sich dabei aber nicht unbedingt um eine österreichische Apotheke handeln. Es ist auch zulässig, die Arzneimittel bei einer Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums zu bestellen.

Arzneimittel, die für die unmittelbare Anwendung an Patienten bestimmt sind, müssen in der Ordination vorrätig gehalten werden und den gesetzlich vorgegebenen Standards hinsichtlich Hygiene, Lagerbedingungen (wie etwa eine ununterbrochene Kühlkette bei Impfstoffen) und den sonstigen Erfordernissen für eine sachgerechte Aufbewahrung entsprechen.

Die Verrechnung von Arzneimitteln, die im Zuge der ärztlichen Behandlung am Patienten angewendet werden, erfolgt am besten im Rahmen eines pauschalen Behandlungshonorars. Solcherart verrechnete Arzneimittel gelten als Nebenleistung der ärztlichen Behandlung und sind unecht umsatzsteuerbefreit. Sie unterliegen also nicht der zehnprozentigen Umsatzsteuer auf Arzneimittel. Arzneimittel, die dem Arzt vom Krankenversicherungsträger kostenlos zur Verfügung gestellt oder als Ordinationsbedarf auf Kassenkosten bezogen wurden, dürfen dem Patienten nicht verrechnet werden.

Neben dieser für die ärztliche Praxis sehr wesentlichen Ergänzung wird der Ärztliche Verhaltenskodex um ein ausdrückliches Verbot von Doping erweitert. Die Anwendung oder Verschreibung von Wirkstoffen oder Methoden, die nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 verboten sind, stellt demnach nicht nur einen Verstoß gegen das besagte Gesetz dar, sondern verletzt die ärztlichen Berufspflichten und ist daher zusätzlich als Disziplinarvergehen zu ahnden. Damit setzt die österreichische Ärzteschaft ein deutliches Zeichen gegen Doping und auch gegen schwarze Schafe in den eigenen Reihen.

Laut Medienberichten werden schon Kindern zur Erzielung besserer Schulleistungen in zunehmendem Maß aufputschende Mittel verabreicht. Ausdrücklich festgehalten wird daher, dass Arzneimittel zur Steigerung der Leistungsfähigkeit nur in Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung verschrieben oder angewendet werden dürfen.

*) Mag. Karin Rösel-Schmid ist Juristin in der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2010