Ärzte-Gesetz-Novelle: Haft­pflicht­ver­si­che­rung neu

15.08.2010 | Politik

Im Zuge der ärz­te­ge­setz­li­chen Ein­füh­rung der Ärzte-GmbHs hat der Natio­nal­rat auch beschlos­sen, dass alle frei­be­ruf­lich täti­gen Ärzte und Grup­pen­pra­xen ebenso wie auch Zahn­ärzte und Ambu­la­to­rien ab August 2011 eine Haft­pflicht­ver­si­che­rung nach­wei­sen müs­sen.
Von Karl­heinz Kux und Tho­mas Holzgruber*

Ärzte müs­sen sich bei ihrer Berufs­aus­übung schon seit jeher ein höhe­res Risiko ver­ge­gen­wär­ti­gen als viele andere Berufs­grup­pen. Aus die­sem Grund hat die Öster­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer immer schon ins­be­son­derre frei­be­ruf­lich täti­gen Ärz­tin­nen und Ärz­ten emp­foh­len, eine Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung zur Abde­ckung von Scha­den­er­satz­an­sprü­chen von Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten abzu­schlie­ßen. In den letz­ten Jahr­zehn­ten hat auch eine ver­schärfte Rechts­spre­chung der Höchst­ge­richte – wie zum Bei­spiel mehr Anfor­de­run­gen an die Auf­klä­rung – dazu geführt, dass es zu einer Zunahme an Arzt­haf­tungs­pro­zes­sen kam.

Des­halb und aus Grün­den des Pati­en­ten­schut­zes, damit diese im Haf­tungs­falle ange­mes­sen ent­schä­digt wer­den kön­nen, und aus Grün­den des Schut­zes der Ärzte, damit nicht ein Behand­lungs­feh­ler unter Umstän­den die beruf­li­che und per­sön­li­che Exis­tenz gefähr­det, war eine aus­rei­chende und fach­spe­zi­fi­sche Haft­pflicht­ver­si­che­rung de facto immer schon unerlässlich.

Nun­mehr hat der Gesetz­ge­ber diese Emp­feh­lung der Ärz­te­kam­mer in eine gesetz­li­che Ver­pflich­tung, wie bei ande­ren Berufs­grup­pen zum Bei­spiel bei Sach­ver­stän­di­gen, Rechts­an­wäl­ten, etc. umge­wan­delt und in die­sem Zusam­men­hang auch einige Rah­men­be­din­gun­gen des Haft­pflicht­rech­tes im Sinn der ÖÄK verändert.

Wich­tig ist in die­sem Zusam­men­hang fest­zu­hal­ten, dass die Neu­re­ge­lun­gen über die Haf­tungs­sum­men erst mit Som­mer 2011 in Kraft treten.

Diese Über­gangs­frist von einem Jahr ist des­halb not­wen­dig, da die ÖÄK mit dem Ver­band der Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men (VVO) erst ver­bind­li­che Rah­men­be­din­gun­gen für diese neuen Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen ver­han­deln muss. Diese Gesprä­che wer­den umge­hend auf­ge­nom­men. Solange diese Über­gangs­frist gilt und diese Gesprä­che auch nicht abge­schlos­sen sind, ändert sich vor­erst an den finan­zi­el­len Bedin­gun­gen für die Ärz­te­schaft nichts. Die bestehen­den Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen kön­nen wei­ter­ge­führt wer­den und auch neue kön­nen bezie­hungs­weise sol­len nach den bis­he­ri­gen Kon­di­tio­nen und Gege­ben­hei­ten abge­schlos­sen wer­den (zum Bei­spiel Rah­men­ver­träge von Lan­des-Ärz­te­kam­mern). Mög­li­cher­weise könn­ten Ver­si­che­run­gen oder Ver­si­che­rungs­mak­ler ver­su­chen, die gesetz­li­che Situa­tion für neue und zu teure Haft­pflicht­ver­si­che­rungs­ver­träge aus­zu­nüt­zen. Es ist nicht not­wen­dig, sich schon jetzt auf ein neues und unge­re­gel­tes Prä­mi­en­ge­füge ein­zu­las­sen! Die ÖÄK wird selbst­ver­ständ­lich lau­fend über die Ver­hand­lun­gen und den Abschluss mit der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft informieren.


Wel­che Rah­men­be­din­gun­gen gel­ten ab dem Som­mer 2011?

Die Min­dest­ver­si­che­rungs­summe muss zwei Mil­lio­nen Euro pro Ver­si­che­rungs­fall betra­gen und die Jah­res­höchst­summe sechs Mil­lio­nen Euro; bei Grup­pen­pra­xen beträgt die Jah­res­höchst­summe zehn Mil­lio­nen Euro. Die Prä­mien sind auch in Zukunft nach fach­spe­zi­fi­schen Risi­ken aus­zu­ge­stal­ten, sodass nach wie vor auf das fach­spe­zi­fi­sche Risiko Rück­sicht zu neh­men ist.

Es ist der ÖÄK im letz­ten Moment gelun­gen, die in der Regie­rungs­vor­lage ent­hal­tene Summe pro Ver­si­che­rungs­fall von drei Mil­lio­nen ohne Jah­res­höchst­grenze auf zwei Mil­lio­nen mit Jah­res­höchst­grenze zu redu­zie­ren. Damit wurde eine zusätz­li­che Prä­mien- und Kos­ten­be­las­tung der Ärz­te­schaft vermieden.

Ein posi­ti­ver zukünf­ti­ger Haf­tungs­aspekt wird sein, dass über die Initia­tive der ÖÄK per Gesetz ein Aus­schluss oder eine zeit­li­che Begren­zung der Nach­haf­tung des Ver­si­che­rers unzu­läs­sig ist. Bis­her haben Ver­si­che­run­gen immer wie­der ihre Nach­haf­tung bezie­hungs­weise die Deckung für Haf­tungs­fälle abge­lehnt oder nur mit einem zusätz­li­chen Prä­mi­en­auf­wand akzep­tiert, wenn ein Pati­en­ten­scha­den nach Been­di­gung der ärzt­li­chen Tätig­keit auf­ge­tre­ten ist; dies obwohl der Behand­lungs­feh­ler wäh­rend der ärzt­li­chen Berufs­tä­tig­keit und auf­rech­tem Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis gesetzt wurde. Die­ses recht­lich schon immer sehr pro­ble­ma­ti­sche Ver­hal­ten von Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­mun­gen wurde nun zu Guns­ten der Ärz­te­schaft klar gere­gelt. Die­ser Schutz gilt selbst auch für Erben von Ärz­ten, wenn ein Pati­en­ten­scha­den nach dem Tode eines Arz­tes eintritt.

Es besteht auch kein Grund zur Sorge, dass für Ärzte ein zusätz­li­cher büro­kra­ti­scher Auf­wand ent­steht: zwar muss ab Som­mer 2011 der Abschluss einer geset­zes­kon­for­men Ver­si­che­rung der Ärz­te­kam­mer gemel­det wer­den; in den Gesprä­chen konnte jedoch erreicht wer­den, dass die Ver­si­che­rungs­wirt­schaft diese Mel­de­pflicht wahr­zu­neh­men hat, sodass der ein­zelne Arzt sich dies­be­züg­lich um keine zusätz­li­che Mel­dung küm­mern muss.

Ab in Kraft tre­ten des Geset­zes – ver­mut­lich mit August 2010 – kann ein Pati­ent auch direkt die Ver­si­che­rung kla­gen: Eine ebenso jah­re­lange For­de­rung der ÖÄK war es, dass bei Arzt­haf­tungs­pro­zes­sen anstelle des Arz­tes auch oder nur die Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft geklagt wer­den kann, bei der der Arzt seine Haft­pflicht­ver­si­che­rung unter­hält.

Diese Rege­lung ist dem Kfz-Haft­pflicht­be­reich nach­ge­bil­det, bei der auch nicht der Unfall­geg­ner, son­dern die jewei­lige Ver­si­che­rung geklagt wer­den kann. Dadurch soll in Arzt­haf­tungs­fäl­len das Ver­hält­nis zwi­schen Arzt und Pati­ent ent­las­tet wer­den. Der Arzt ist dadurch in den Haft­pflicht­pro­zes­sen nicht mehr zwin­gend der Beklagte, son­dern wird zukünf­tig nur mehr als Zeuge in sol­chen Pro­zes­sen gela­den werden.


*) Dr. Karl­heinz Kux ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer;
Dr. Tho­mas Holz­gru­ber ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der Wie­ner Ärz­te­kam­mer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 15–16 /​15.08.2010