The­ra­pie der Hepa­ti­tis B: Hohe Resistenzraten

25.11.2010 | Medizin

Vor allem bei Viro­sta­tika der ers­ten Gene­ra­tion kommt es bei einer mehr als fünf­jäh­ri­gen Behand­lungs­dauer bei 40 bis 70 Pro­zent der Betrof­fe­nen zu Resis­ten­zen. Die Wahl des rich­ti­gen Medi­ka­ments, eine gute Arzt-Pati­en­ten­be­zie­hung und die Com­pli­ance tra­gen dazu bei, Resis­ten­zen zu mindern.

Der kli­ni­sche Ver­lauf einer Hepa­ti­tis B ist sehr varia­bel, jedoch heilt die Mehr­zahl der Erkran­kun­gen – vor allem im Erwach­se­nen­al­ter – kom­pli­ka­ti­ons­los aus. Exper­ten gehen davon aus, dass 95 Pro­zent der Infek­tio­nen mit Hepa­ti­tis B auch ohne ärzt­li­che Behand­lung aus­hei­len. „Sehr viele HBV-Infek­tio­nen wer­den zufäl­lig ent­deckt“, ergänzt Univ. Prof. Ivo Gra­zia­dei von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin II an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Inns­bruck.

In sel­te­nen Fäl­len kann eine HBV-Infek­tion aller­dings auch einen ful­mi­nan­ten Ver­lauf neh­men, an des­sen Ende eine Leber­trans­plan­ta­tion steht. Bei Sym­pto­men wie Ikte­rus, Schmer­zen an der Leber, Müdig­keit und Abge­schla­gen­heit sollte jeden­falls eine Blut­un­ter­su­chung auf das Hepa­ti­tis B‑Virus sowie eine Bestim­mung der Tran­sami­na­sen durch­ge­führt wer­den. „Liegt ein posi­ti­ver Virus­test vor und sind die Leber­werte erhöht, muss der Pati­ent im Rah­men einer hepa­to­lo­gi­schen Spe­zi­al­ab­tei­lung wei­ter abge­klärt wer­den“, erläu­tert Univ. Prof. Chris­tian Mül­ler von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Gas­tro­en­te­ro­lo­gie und Hepa­to­lo­gie am AKH Wien. Und wei­ter: „Liegt nur eine Infek­tion mit dem Hepa­ti­tis B‑Virus vor, aber keine Hepa­ti­tis, sind die Tran­sami­na­sen also im Nor­mal­be­reich, kann zuerst ein­mal abge­war­tet wer­den.“

Sind aller­dings auch die Tran­sami­na­sen erhöht, kann man von einer aku­ten Hepa­ti­tis B‑Infektion aus­ge­hen. Aber auch in einem sol­chen Fall ist nicht immer unbe­dingt bereits zu die­sem Zeit­punkt eine Behand­lung indi­ziert. Eine akute Hepa­ti­tis B, die unspek­ta­ku­lär ver­läuft, muss nicht behan­delt wer­den. Der Pati­ent muss aller­dings genau beob­ach­tet wer­den. „Ist das Virus auch nach sechs Mona­ten noch im Blut des Pati­en­ten nach­zu­wei­sen, kann man von einer chro­ni­schen Hepa­ti­tis B aus­ge­hen, die zumeist einer Behand­lung bedarf“, betont Ivo Gra­zia­dei. Etwa fünf Pro­zent aller HBV-Infek­tio­nen ver­lau­fen chronisch.

Bis 1999 stand zur Behand­lung der chro­ni­schen Hepa­ti­tis B nur Inter­fe­ron α zur Ver­fü­gung, das zwar wirk­sam ist, jedoch eine hohe Neben­wir­kungs­rate auf­weist. Diese The­ra­pie ist außer­dem nur über einen Zeit­raum von einem Jahr durch­zu­füh­ren, geben Exper­ten an. Nicht jeder Hepa­ti­tis B‑Patient pro­fi­tiert glei­cher­ma­ßen von einer Inter­fe­ron-Behand­lung. „Der opti­male ‚Inter­fe­ron­pa­ti­ent‘ ist jung, weib­lich, hat eine geringe Virus­last, hohe Tran­sami­na­se­werte und eine Erkran­kung vom Geno­typ A“, fasst Gra­zia­dei zusam­men. Wird die The­ra­pie beim rich­ti­gen Pati­en­ten ein­ge­setzt und gut ver­tra­gen, nor­ma­li­sie­ren sich die Leber­werte und die Virus­kon­zen­tra­tion im Blut fällt unter die Nach­weis­grenze ab. „Eine rezente Stu­die aus Pisa konnte zei­gen, dass der Abfall des HbsAg gut mit einem viro­lo­gi­schen Anspre­chen – nega­tive Virus­last und mit der HBsAg antiHBs Sero­kon­ver­sion – was die Hei­lung der Erkran­kung bedeu­tet, kor­re­liert“, bemerkt Gra­zia­dei. Wird eine Hepa­ti­tis B gemäß den Leit­li­nien behan­delt, stellt eine Virus­last von 2000 IU pro ml Blut den Cut off für den The­ra­pie­be­ginn dar. Außer­dem muss eine Erhö­hung der Tran­sami­na­sen von mehr als 1,5 über der Norm und eine His­to­lo­gie, die eine Akti­vi­tät und eine Fibrose über A1F1 zeigt, vor­lie­gen.

Inter­fe­rone kontraindiziert

Eine Aus­nahme stel­len jene Betrof­fe­nen dar, die nicht nur mit HBV infi­ziert sind, son­dern bereits eine Leber­zir­rhose auf­wei­sen. Diese Pati­en­ten müs­sen auf jeden Fall behan­delt wer­den. „Für diese Gruppe kom­men aller­dings nur anti­vi­rale Medi­ka­mente in Frage, eine Inter­fe­ron­be­hand­lung ist kon­tra­in­di­ziert“, hält Mül­ler fest. Inter­fe­ron α indu­ziert auf­grund sei­ner sti­mu­lie­ren­den Wir­kung auf das Immun­sys­tem eine Ent­zün­dung in der Leber. Bei Pati­en­ten mit Fibro­sen und/​oder Leber­zir­rho­sen kann dies zu einer Leber-Dekom­pen­sa­tion führen.

Seit Ende der 1990er Jahre ste­hen mit Nukle­osid- und Nukleo­tid­ana­loga wirk­same Alter­na­ti­ven zu einer Inter­fe­ron α‑Behandlung zur Ver­fü­gung. Lami­vu­din war das erste auf dem Markt erhält­li­che anti­re­tro­vi­rale Medi­ka­ment für die Behand­lung der chro­ni­schen Hepa­ti­tis B, gefolgt von Ade­no­vir. Diese auch als „Erst­ge­ne­ra­tion-Anti­vi­ro­sta­tika“ bezeich­ne­ten Medi­ka­mente sind „sehr wirk­sam und vor allem auch neben­wir­kungs­arm“, kon­sta­tiert Mül­ler. Das Pro­blem dabei: „Vor allem bei den Erst­ge­ne­ra­tion-Anti­vi­ro­sta­tika tre­ten bei einem rela­tiv hohen Pro­zent­satz der Pati­en­ten Resis­ten­zen auf.“ So wur­den etwa unter Lami­vu­din nach einer Behand­lungs­dauer von fünf Jah­ren in 70 Pro­zent der Fälle Resis­ten­zen beob­ach­tet. Unter Ade­no­vir lie­gen die Resis­tenz­ra­ten nach fünf­jäh­ri­ger Behand­lungs­dauer bei immer­hin noch 40 Pro­zent.

Resis­ten­zen sind nicht voll­stän­dig zu ver­hin­dern, da der Selek­ti­ons­druck, der auf den HB-Viren las­tet, aus­ge­spro­chen groß ist. Beach­tet man jedoch fol­gende Punkte, las­sen sie sich enorm vermindern:

  1. Die Wahl des rich­ti­gen Medi­ka­ments: Der Ein­satz von mög­lichst poten­ten Medi­ka­men­ten bezie­hungs­weise von Medi­ka­men­ten-Kom­bi­na­tio­nen, wel­che die Virus­re­pli­ka­tion mög­lichst voll­stän­dig hem­men und eine hohe gene­ti­sche Bar­riere auf­wei­sen, sodass nicht nur eine ein­zige Muta­tion genügt, um die Wirk­sam­keit des Medikaments/​der Medi­ka­mente zu verringern.
  2. Compliance/​Adherence: Eine regel­mä­ßige Ein­nahme der anti­vi­ra­len Medi­ka­mente ohne Pau­sen ist abso­lut wich­tig und not­wen­dig: das Virus wird an der Repli­ka­tion gehin­dert, Muta­tio­nen kön­nen nicht entstehen.
  3. Gute Arzt-Pati­en­ten­be­zie­hung: Pati­en­ten mit einer chro­ni­schen Hepa­ti­tis müs­sen eng­ma­schig über­wacht wer­den; der HBV-DNA-Wert sollte min­des­tens alle sechs Monate über­prüft wer­den, um im Fall einer Muta­tion rasch auf ein ande­res Medi­ka­ment umstel­len zu können.

Sowohl die The­ra­pie mit Inter­fe­ron α als auch die anti­vi­rale The­ra­pie sind letzt­lich in der über­wie­gen­den Anzahl der chro­ni­schen Hepa­ti­t­i­den nicht kura­tiv son­dern sol­len ledig­lich zu einer mög­lichst raschen und andau­ern­den Nega­ti­vie­rung der HBV-DNA füh­ren. Die Inter­fe­ron α‑Therapie ist mit maximal 48 Wochen limi­tiert, die anti­vi­rale The­ra­pie mit Nukle­osi­d/Nu­kleo­tid-Ana­loga ist als Dau­er­the­ra­pie ange­legt. „Die Behand­lungs­dauer ist zeit­lich nicht begrenzt. Mög­li­cher­weise müs­sen anti­vi­rale Medi­ka­mente ein Leben lang ein­ge­nom­men wer­den“, erläu­tert Mül­ler. Die Belas­tung durch eine der­ar­tige Dau­er­the­ra­pie ist aller­dings gering, da die Medi­ka­mente kaum Neben­wir­kun­gen auf­wei­sen. SF

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2010