Rheumatoide Arthritis: Rasche Therapie minimiert Risiko

10.03.2010 | Medizin

Eine frühe Therapie der Rheumatoiden Arthritis ist unabdingbar, um irreversible Gelenksdestruktionen zu verhindern. Die Grundlage dafür bilden neu definierte und seit Jänner dieses Jahres geltende Diagnose-Kriterien, die eine Risikoabschätzung und Klassifizierung der Arthritis-Frühformen ermöglichen.
Von Eveline Hecher

Am häufigsten tritt eine Rheumatoide Arthritis oder auch Chronische Polyarthritis zwischen dem 25. und 50. Lebensjahr auf. Aber auch bei den über 50- und 70-Jährigen kann die Erkrankung beginnen. Während Patienten der typischen Altersgruppen vorwiegend Beschwerden in den kleinen Fingergelenken oder den Vorfüßen haben, kann sich eine Rheumatoide Arthritis bei über 70-Jährigen auch an größeren Gelenken manifestieren und atypisch verlaufen. 

„Besonderes Merkmal einer Arthritis ist die tastbare Schwellung der Gelenke, die auf eine entzündete und geschwollene Gelenksinnenhaut hinweist und vom geübten Untersucher fassbar ist“, erklärt Univ. Prof. Winfried Graninger, Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie an der Medizinischen Universität Graz. Die Patienten klagen vorwiegend über Anlaufschmerz, Bewegungsschmerz und Ruheschmerz. „Sind mehrere Gelenke, besonders die kleinen Finger- und Zehengelenke, betroffen sollte der Hausarzt bereits Aufmerksamkeit darauf richten, dass dies eine Chronische Polyarthritis werden kann“, erklärt Graninger. Dennoch: Die Diagnose einer Chronischen Polyarthritis sei oft erst vertretbar, wenn mindestens sechs Wochen hindurch ständig Schmerzen und Schwellung bestehen. Nicht immer bedeuten nämlich Schmerzen im Gelenk die Diagnose „Rheumatoide Arthritis“, da auch bei sehr vielen anderen Gelegenheiten Gelenke schmerzen, oder sogar mit Schwellungen einhergehen können. Beispiele dafür wären Gelenksbeschwerden im Zuge von Virusinfektionen, Grippe oder Hepatitis. „Hierbei können Schmerzen und Schwellung auftreten, die aber vielleicht nach einigen Tagen schon vorbei sind“, erklärt Graninger den Unterschied.

Eine frühe Diagnostik beziehungsweise die Behandlung von früher Manifestationen der Arthritis ist dennoch sehr wichtig und sollte nicht versäumt werden. „Wir wissen heute, dass die Frühtherapie der Rheumatoiden Arthritis enorm wichtig ist, um einen guten Behandlungserfolg zu erzielen und Spätfolgen wie etwa eine Gelenksdestruktion zu vermeiden“, erläutert Univ. Prof. Marcus Köller, Rheumatologe und Leiter der Internen Abteilung mit Schwerpunkt Akutgeriatrie und Remobilisierung im Sophienspital Wien.

Grundsätzlich gibt es punkto Arthritis- Diagnostik die so genannten ACR-Kriterien (American College of Rheumatology), die jedoch nur für eine bereits etablierte Erkrankung anwendbar sind. Da laut Experten ein früher Behandlungsbeginn – möglichst innerhalb der ersten drei Monate nach dem Beginn der Symptome – notwendig ist, zu diesem Zeitpunkt die ACR-Kriterien jedoch oft noch nicht erfüllt werden, gelten seit Jänner dieses Jahres neue Kriterien. „Diese stellen sozusagen eine Risikostratifizierung dar und erfassen Patienten mit einer Früharthritis, die mit hoher Wahrscheinlichkeit erosiv und destruierend verlaufen wird“, erklärt Köller die Neuerung.

Als Risikofaktoren gelten neben Befall der Finger und Handgelenke auch ein positiver Rheumafaktor oder Anti-CCP Antikörper sowie erhöhte Entzündungsparameter: CRP und BSG. „Hohe Entzündungsparameter in der Serologie sind prognostisch ungünstig und werden schon bei geringer Erhöhung als Risikofaktor gezählt“, führt Köller aus. Oft sind diese nämlich schon zu Beginn der Erkrankung über der Norm. Bei den neuen Kriterien gibt es eine Punkteskala von 0 bis 10, wobei ein Wert über 6 mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine beginnende Rheumatoide Arthritis hinweist. Bei einem Drittel bis der Hälfte der Früharthritisformen, die am Anfang nicht klar zugeordnet werden können, handelt es sich um eine Chronische Polyarthritis, die zu irreversiblen Knochenschäden führen kann. Dadurch nimmt man in Kauf, dass auch Patienten mitbehandelt werden, die am Ende vielleicht gar keine Chronische Polyarthritis entwickelt hätten. „Auch wenn die Kriterien nach dem alten Stil von 1982 nicht erfüllt waren, so werden Patienten mit geschwollenen Fingern oder positiven CCP Antikörpern heute trotzdem schon einer Basistherapie zugeführt, obwohl es laut früheren Standards noch gar nicht als Rheumatoide Arthritis zu klassifizieren war“, erläutert Köller.

So wie bereits derzeit gehandhabt, werden entsprechend den neuen Kriterien auch in Zukunft die Patienten je nach vorhandenem Risiko, eine Chronische Polyarthritis zu entwickeln, behandelt. Und erst durch die Früherkennung ist auch die so wichtige Frühbehandlung möglich. „Studien zeigen, dass bei Patienten mit undefinierten Frühformen der Arthritis, die mit Methotrexat (MTX) versus Placebo behandelt wurden, das Vollbild der Rheumatoiden Arthritis bei einem Teil verhindert werden konnte“, erklärt Köller. International laufen ebenso Studien, die das Outcome bei frühen Arthritisformen prüfen, wobei hier TNFBlocker als Therapie herangezogen werden. „Diese Studie ist sogar von Wien aus initiiert worden. Man muss abwarten, was dabei herauskommt“, ergänzt der Experte. Die Bestrebungen gehen jedenfalls dahin, die Früh-Arthritis mit starker Schwellung und objektivierbarer Gelenkskapselentzündung möglichst früh einer Basistherapie zuzuführen. „Es ist sehr modern, je nach neuen Kriterien sehr früh die Diagnose zu stellen und dann mit MTX oder Immunmodulatoren zu behandeln“, bestätigt auch Graninger.


MTX für jedermann?

Bei den frühen Arthritis-Formen gibt es einige Fälle, die von selbst remittieren. „Halten die Gelenksbeschwerden nur wenige Tage oder Wochen an, wird man natürlich einmal die Schmerzen beispielsweise mit abschwellenden NSAR behandeln“, erklärt Graninger. Eine Zeitspanne, wie lange man auf die Diagnose Rheumatoide Arthritis „wartet“, gibt es aber nicht. „Laut einer holländischen Studie haben 93 Prozent der Patienten mit positiven CCP-Antikörpern nach 30 Monaten das Vollbild einer Rheumatoiden Arthritis entwickelt, während es bei den CCPnegativen nur 25 Prozent waren“, erklärt Köller. „Viele, die also eine Rheumatoide Arthritis im Laufe des Lebens entwickeln werden, zeigten nach 30 Monaten noch kein Vollbild der Erkrankung, weswegen man nicht sagen kann, wie lange man wartet, ob es jetzt eine Rheumatoide Arthritis ist oder nicht“. 

Zwar therapiert man eine Chronische Polyarthritits gleich mit Basistherapeutika, allerdings seien laut Experten schmerzhafte Gelenke allein eine zu schwache Indikation. „Es muss schon eine Schwellung und Entzündung dabei sein“, erklärt Köller. Auf die Basistherapie sprechen im Allgemeinen alle Altersgruppen gleich gut an; allerdings sei bei älteren Personen zu beachten, dass die Medikation mit Zurückhaltung eingesetzt werden sollte. „Bei Methotrexat muss man beispielsweise sehr auf die Nierenfunktion achten, das heißt MTX ist sicher nicht einfach so an jedermann zu verteilen“, zeigt Köller auf.

Ist man sich bei der klinischen Diagnostik nicht sicher, kann durchaus eine Sicherung mit Hilfe der Bildgebung erfolgen. „Es ist aber sicher nicht so, dass man bei jedem Gelenksschmerz ein MR macht“, erklärt der Experte weiter. Primär unterscheidet man mit Hilfe des Tast- und Untersuchungsbefundes, jedoch sollte dies auch jemand machen, der geübt ist. Diagnostische Mittel für die Früherkennung sind grundsätzlich Klinik und Serologie inkl. CRP, BSG und Rheumafaktor, sowie Anti-CCP-Antikörper. Auch eine Ultraschall-Untersuchung sei in unklaren Fällen durchführbar, da gerade bei den Frühformen vielleicht noch keine erosiven Knochenveränderungen per Röntgen fassbar sind.

„Fachärzte sind nicht überall gleich verfügbar, daher lastet in großen Teilen Österreichs viel auf den niedergelassenen Ärzten“, weist Köller hin. Sämtliche serologischen Werte wie Anti-CCP, Rheumafaktoren oder Entzündungsparameter können demnach durchaus vom Hausarzt angefordert werden. 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2010