Projekt „Gescheite Jause – Coole Pause“: Pausensnacks einmal anders

10.10.2010 | Medizin



Wenn die Qualität im Sortiment des Schulbuffets steigt, greifen die Schüler sehr wohl zur gesunden Jause, wie ein Projekt an 21 Wiener Schulen zeigt. 87 Prozent der Schüler gaben nach dem Ende des Projekts an, sich mit Ernährung besser auszukennen als zuvor.

Von Birgit Oswald

Halb zehn – die Pausenglocke läutet – Brotdosen werden ausgepackt, der Ansturm auf das Schulbuffet beginnt. Zeit für Wurstsemmeln, Schokoriegel und jede Menge leere Kalorien. Nicht so in 21 Wiener Schulen, die am von SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition) initiierten Projekt „Gescheite Jause – Coole Pause“ teilnahmen.

Während der Pilotphase gab es in 87 Projektklassen der fünften bis siebten Schulstufe gesunde Pausenschmankerl: 2.500 Schüler tauschten in dieser Zeit ihre gewohnten Pausensnacks gegen frische vitale Pausenweckerln, gefüllt mit regionalen und saisonalen Köstlichkeiten. Insgesamt erreichte das Projekt allerdings weitaus mehr Schüler, wie Manuel Schätzer, Projektmanager bei SIPCAN, weiß: „Durch das veränderte Angebot der Schulbuffets und das resultierende verbesserte Lebensmittelsortiment an den Schulen wurden circa 13.500 Schüler erreicht.“

Ziel des Projekts war einerseits die Optimierung des Ernährungsverhaltens der Schüler, welches zur Verhaltensprävention dienen sollte, und andererseits die Verbesserung des schulinternen Verpflegungsangebots, das als Verhältnisprävention fungieren sollte. Die Schüler hatten die Möglichkeit, sich selbst in ihrem Essverhalten zu beobachten und bewusst zu entscheiden, welche Lebensmittel sie zu sich nehmen. Dabei wurden vor allem fett- und zuckerhaltige Pausensnacks, die zu Übergewicht und Konzentrationseinbußen führen, bewusst gegen gesunde Weckerl getauscht. „Das Pausenweckerl soll aus einem dunklen Stück Gebäck gefüllt mit Gemüse, Kräutern, Salat sowie Schinken oder Käse bestehen. Dazu passt ein Stück Obst oder ein Müsliriegel. Als Getränke empfehlen wir Mineralwasser, ungesüßten Tee oder gespritzte Fruchtsäfte,“ sagt Schätzer. Verbote bestimmter Lebensmittel wurden nicht erteilt; es gab lediglich eine Empfehlung, gewisse Nahrungsmittel häufiger oder weniger häufig zu essen. Auf diese Weise sollten die Schüler Selbstverantwortung lernen.

Für die individuelle Umsetzung in den jeweiligen Schulen war das schulinterne Projektteam von großer Bedeutung. Dieses bestand neben Schülern-, Lehrern-, Buffetbetreibern, und Eltern auch aus Schulärzten. „Die Einbindung der Schulärzte war vor allem deshalb wichtig, weil schulinterne Fachkräfte ein von extern angeleitetes Projekt durch ihre Erfahrung und Kompetenz vor Ort bereichern können“, betont Schätzer. Auch der Lehrkörper stand dem Projekt vorwiegend positiv gegenüber und unterstützte die Gesunde Pause durch vermehrte ernährungsbezogene Lehrinhalte. Laut Schätzer sagen sogar 96 Prozent der Pädagogen, dass sie noch einmal am Projekt teilnehmen würden; 98 Prozent würden das Projekt sogar an andere Schulen weiterempfehlen. Von Seiten der Eltern fand das Projekt ebenso große Zustimmung. Sie wurden ausreichend mit Informationsmaterial, einem Projektnewsletter und Rezeptvorschlägen für eine gesunde Jause versorgt.

Schlüsselrolle: Buffetbetreiber

Eine Schlüsselrolle im Projekt spielten die Buffetbetreiber, die erheblichen Einfluss darauf hatten, welche Lebensmittel den Schülern zur Verfügung standen. Für sie hieß es, wenig als Schuljause geeignete Produkte durch geeignetere auszutauschen. Es schien zu Beginn ein Akt der Balance zu sein, die tägliche Schuljause gesund, ausgeglichen und dennoch so attraktiv und schmackhaft für die Kinder zu gestalten, dass keine ökonomischen Einbußen zu erwarten waren. Deshalb wurden die Buffetbetreiber im Vorfeld mit Hilfe eines Evaluierungsbogens über ihre Stärken, Schwächen und die Zusammenstellung beziehungsweise Optimierung des Lebensmittelangebots genau informiert. „Wurstwaren sollen den Fettanteil von 20 Prozent nicht übersteigen, bei Käse liegt der Grenzwert bei höchstens 45 Prozent F.i.T.. Wir raten zudem, vorwiegend Getränke ohne künstliche Süßstoffe und einem Zuckergehalt unter 7,5 g pro 100 ml anzubieten“, sagt Schätzer. Die Wiener Buffetbetriebe wurden von einer großen österreichischen Lebensmittelkette unterstützt, die besonderen Wert auf eine ausgewogene Ernährung der Schüler legt.

Konkret bediente sich das Projekt origineller Mittel, um den Schülern die gesunde Jause schmackhaft zu machen. „Wenn sich Schüler mit dem Angebot identifizieren, dann akzeptieren sie es auch besser. Deshalb wurden die gesunden Pausensnacks mit vielen kreativen Ideen für die Schüler attraktiv gemacht,“ sagt Schätzer. Das geschah etwa im Zeichenunterricht, in dem es Aufgabe war, ein eigenes gesundes Weckerl zu kreieren. Die schmackhaftesten Einfälle wurden dann in einem Aktionszeitraum mit Unterstützung des Elternvereins günstig am Schulbuffet angeboten. Dabei entstanden unter anderem spirituelle Yoga-Weckerl, ein ungeheurer Monster-Snack, ein klassischer Sacre-Coeur-Spitz oder exotische Bermuda-Dreiecke. Durch den geschickten Einsatz von Plakaten wurden die vitalen Schmankerl schulintern beworben.

Positive Ergebnisse

Dass dieses Gourmet-Marketing sehr gut bei den Schülern angekommen ist, beweisen die Ergebnisse der Pilotphase. Laut SIPCAN war zu Projektende die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler dunkles Gebäck kaufen, fünf mal so hoch wie zu Beginn; der Griff zu weißem Gebäck wurde hingegen halbiert. Die Anzahl der Kinder, die Obst als Jause essen, hat sich um 54,5 Prozent gesteigert, gleichzeitig hat sich die Anzahl der Kinder, die Süßigkeiten konsumieren, um 24,8 Prozent reduziert. Außerdem aßen mehr Kinder magere Fleischprodukte und auch Gemüse. Die Kauffrequenz am Buffet war dabei unverändert und „gesündere“ Buffets wurden von den Schülern sogar besser bewertet. „87 Prozent der Kinder gaben nach Projektende an, sich besser mit Ernährung auszukennen. Der Großteil hatte eine gesündere Jause dabei und die Mehrheit entschied sich für gesündere Produkte am Schulbuffet“, resümiert Schätzer. Der Ernährungsexperte meint darin einen positiven Einfluss des gesunden Angebots auf die Ernähung der Kinder zu erkennen. Im Schuljahr 2010/11 wird das Projekt Gescheite Jause – Coole Pause in vier Grazer Schulen starten.

Interview – Univ. Prof. Fritz Hoppichler

Heute: Übergewicht – morgen: Diabetes

Um Lebensstilerkrankungen im Erwachsenenalter zu vermeiden, muss Prävention so früh wie möglich beginnen, wie Univ. Prof. Fritz Hoppichler, Internist Barmherzige Brüder Salzburg und Initiator von SIPCAN save your life, im Gespräch mit Birgit Oswald betont.

ÖÄZ: Was ist Ziel des Projekts „Gescheite Jause – Coole Pause“?

Prof. Hoppichler: Derzeit sind rund 20 % der Buben und 18 % der Mädchen im Alter von 6 bis 14 Jahren übergewichtig. Die Zahl der krankhaft übergewichtigen Kinder liegt bereits bei rund 9 % der Buben und 7 % der Mädchen. Daher ist es besonders wichtig, schon im Kindesalter den Grundstein für gesunde Ernährung zu legen, dadurch kann Prävention in einem sehr frühen Stadium einsetzen. So können Übergewicht, Diabetes und Herzkreislauferkrankungen vermieden werden. Wir wissen, dass die Adipositas im Kindesalter eine der größten Herausforderungen in diesem Jahrhundert sein wird; dieses Projekt trägt zur Verhinderung dieser Erkrankung bei. Die übergewichtigen Kinder von heute sind die Diabetiker von morgen.

Wie ist das Projekt von medizinischer Seite zu bewerten?

Sehr gut; wir wissen, dass es bei Verhaltens- und Verhältnisprävention nicht darauf ankommt, Kindern Lebensmittel zu verbieten, sondern es muss das Angebot – also die Verhältnisse – geändert werden. Weg von der Reparatur- hin zur Vorsorgemedizin. Es stimmt nicht, dass Kinder gesunde Ernährung nicht annehmen, man muss ihnen das nur entsprechend vermitteln. Für Kinder muss essen attraktiv sein, cool sein, mit diesen Attributen muss man viel bewerben. Man sieht, dass sie sich auch besser konzentrieren können, wenn sie ausreichend trinken und weniger Zucker aufnehmen, weiters sind sie leistungsfähiger beim Sport und nehmen nicht zu.

Was gibt es in politischer Hinsicht zu verwirklichen?
Wir fordern die Implementierung und die Ausweitung auf andere Bundesländer. Ich halte es für vernünftiger, das Projekt im urbanen Bereich durchzuführen, da hier der Migrationsanteil bedeutend höher ist und viele Kinder von Übergewicht betroffen sind. 70 Prozent der Kinder im urbanen Bereich frühstücken überhaupt nicht mehr zu Hause. Wünschenswert wäre es, das Projekt auf ganz Österreich auszuweiten, wir sind am richtigen Weg.

Wie sieht die Zukunft der Gesunden Jause aus?
Das Projekt wird auch in der Steiermark beginnen und auch für Oberösterreich ist es geplant. Die allgemeine Nachfrage von Schulen ist sehr groß, selbst die Stadt Wien hat Interesse und auch die Gesundheitspolitik nimmt sich immer mehr der Prävention durch Ernährung an.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2010