Peritonealdialyse: Keine Reservetherapie

15.07.2010 | Medizin


Während in anderen Ländern die Peritonealdialyse weit verbreitet ist, sind es in Österreich neun Prozent der Patienten, die sich diesem Verfahren unterziehen.

Von Irene Mlekusch

Besteht keine Option auf eine Nierentransplantation, muss sich der Patient zwischen der Hämodialyse und der Peritonealdialyse entscheiden, um sein weiteres Überleben zu gewährleisten. Da der Patient diese Entscheidung normalerweise gemeinsam mit seinen behandelnden Ärzten trifft, ist eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Facharzt wünschenswert. „Oft werden die Patienten zu spät zum Nephrologen überwiesen und kommen aufgrund der mit der Urämie assoziierten schlechten Laborwerte gleich zur Hämodialyse“, bedauert Univ. Prof. Andreas Vychytil von der Klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse and der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien. Die Patienten erhalten dann häufig keine weiteren Informationen über alternative Dialyseverfahren oder gewöhnen sich an die Hämodialyse und sind nicht mehr bereit, zur Peritonealdialyse zu wechseln, die ihnen unter Umständen mehr Unabhängigkeit bieten kann.

Rainer Knoll, Arzt für Allgemeinmedizin in Wien merkt an, dass nicht in allen Regionen niedergelassene Nephrologen mit einem Kassenvertrag zur Verfügung stehen und er die betroffenen Patienten somit direkt an die Klinik überweisen muss. „Nach Möglichkeit werden noch vor der Vorstellung an der Klinik wichtige Befunde wie zum Beispiel Screeningblute oder 24-Stunden-Harn erhoben“, ergänzt Knoll. Auch eine urologische Begutachtung inklusive Nierensonographie, die im niedergelassenen Bereich meist leichter zu erreichen ist, wird von Knoll im Vorfeld soweit möglich veranlasst. „Je früher der Patient zum Nephrologen überwiesen und je besser er über die verschiedenen Dialyseverfahren aufgeklärt wird, desto eher entscheiden sich die Betroffenen für die Peritonealdialyse“, schildert Vychytil. Die Zuweisung zum Nephrologen sollte bereits im Stadium IV der chronischen Niereninsuffizienz ab einer glomerulären Filtrationsrate von < 30 ml/min erfolgen. Die Auswahl des Nierenersatztherapieverfahrens sollte eine gemeinsame, individuelle Entscheidung sein, in die der Patient nach ausreichender Aufklärung einbezogen wird.

Akzeptanz unterschiedlich

In Österreich beträgt der Anteil der Patienten, die sich einer Peritonealdialyse unterziehen, nur knapp neun Prozent; in manchen anderen Ländern ist die Akzeptanz des Verfahrens und damit auch seine Verbreitung wesentlich höher. Die Ursache dafür sieht Vychytil sowohl in ökonomisch-wirtschaftlichen Gründen, die die Peritonealdialyse aufgrund der höheren Materialkosten, der ungenügenden Refundierung der Behandlungskosten und der oft noch vorhandenen Hämodialysekapazitäten vor allem für kleinere Zentren uninteressant macht, als auch in den Ängsten und Vorurteilen gegenüber der Methode, vor allem von Seiten der Hausärzte. „Früher erkrankten die Patienten alle drei Monate an einer Peritonitis, diese Angst ist heute unbegründet“, so Vychytil. Er bestätigt außerdem, dass die Dialyselösungen neuerdings wesentlich gewebsverträglicher sind und schwere Komplikationen wie die enkapsulierende peritoneale Sklerose sehr selten sind und erst mit zunehmender Dialysedauer auftreten. Als erwiesen gilt, dass die Peritonealdialyse – im Vorfeld der Hämodialyse angewendet – mit einer höheren Patientenzufriedenheit und längeren Überlebensdauer einhergeht.

Grundsätzlich ist die Peritonealdialyse für fast alle Patienten geeignet. „Vor allem Patienten mit Herzinsuffizienz und solche, bei denen kein Shunt angelegt werden kann, profitieren von der Peritonealdialyse“, sagt Vychytil. Weitere Vorteile der Peritonealdialyse ergeben sich aufgrund der geringeren Anämie-Neigung, dem geringeren Risiko einer infektiösen Hepatitis, der hämodynamischen Verträglichkeit und der Schonung der Gefäße für das spätere Setzen eines Shunts. Auch bei dialysepflichtigen Kindern sollte der Peritonealdialyse der Vorzug gegeben werden. Da die Peritonealdialyse aber zu 99 Prozent ein Heimverfahren darstellt, müssen eine gewisse soziale Integration und die Bereitschaft zur Eigenverantwortlichkeit gegeben sein. Vychytil dazu: „Manche Patienten wollen aber gerade die Verantwortung über die Durchführung der Dialyse in die Hände der Ärzte und des Pflegepersonals legen. Das gilt es individuell zu berücksichtigen.“

Auch die Entscheidung, ob ein manuelles oder automatisches Peritonealdialyseverfahren zum Einsatz kommen soll, wird in erster Linie anhand der Bedürfnisse des Patienten und seines Bauchfelltypus entschieden. Die Implantation des Dialysekatheters selbst kann chirurgisch unter Vollnarkose, laparoskopisch oder perkutan mittels Seldinger-Technik erfolgen. Wichtig ist dabei, die Austrittsstelle vorher in sitzender Position mit einem Stift zu markieren, damit der Patient überprüfen kann, ob er allein in der Lage ist, die Dialyse und den Verbandswechsel durchzuführen. Auch enge Kleidungsstücke dürfen die Katheteraustrittsstelle in Zukunft nicht irritieren. Um das perioperative Infektionsrisiko zu senken, wird eine antibiotische Prophylaxe mit Vancomycin oder einem Cephalosporin der ersten Generation vor der Katheterimplantation empfohlen. Falls notwendig kann nach der Implantation sofort mit der Dialyse begonnen werden. Eine Einheilungsphase von zwei Wochen zwischen Katheterimplantation und Dialysebeginn kann aber dem Auftreten eines Katheterleaks vorbeugen und ist daher empfehlenswert.

Schulung und Beratung

„Die Einschulung der Patienten sollte dem jeweiligen Auffassungsvermögen angepasst werden“, empfiehlt Vychytil. Alle drei bis sechs Monate sollte zusätzlich eine Diätberatung stattfinden, da mit dem Dialysat über das Peritoneum Eiweiß verloren geht. Die Eiweißalimentation ist vor allem für ältere Patienten oft ein Problem, da die Ernährung bei der Peritonealdialyse zwar eiweißreich, aber gleichzeitig phosphatarm sein sollte. Vychytil fügt hinzu, dass die Kaliumdiät bei Patienten mit einer Peritonealdialyse dafür etwas lockerer gehandhabt werden kann.

Welche Art der Peritonealdialyse jeweils adäquat ist, hängt vom peritonealen Transporttyp ab, der vier bis sechs Wochen nach Dialysebeginn mit dem peritonealen Äquilibrationstest ermittelt wird. „Zuerst beginnen die meisten Patienten mit manuellem Beutelwechsel“, berichtet Vychytil aus dem Klinikalltag. Nach dem Test wird nach den langsamen peritonealen Transporttypen (langsamer Transport der urämischen Toxine aus dem Bauchfell in die Peritonealhöhle) eher die kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD) und nach den schnellen Transporttypen die automatisierte Peritonealdialyse empfohlen. Die Beurteilung der Dialysequalität lässt sich indirekt über den klinischen Zustand des Patienten und Laborparameter erfassen. Klinische Zeichen für eine adäquate Dialyse sind das Wohlbefinden des Patienten, ein stabil guter Ernährungszustand, ein stabiles Körpergewicht, eine ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz, eine gute Blutdruckeinstellung und das Fehlen von Urämie-Symptomen. Auch die Nierenrestfunktion ist ein wichtiger unabhängiger Überlebensfaktor, der an der Peritonealdialyse länger erhalten bleibt als an der Hämodialyse.

Kontakt verbessern

„Oft sind die Dialysepatienten sehr auf ihr Zentrum fixiert und wenden sich bei Problemen nicht mehr an ihren Hausarzt, sondern gleich an die Ärzte der Dialysestation“, schildert Vychytil. Das ist beim Auftreten peritonealdialyse-spezifischer Komplikationen wie beispielsweise der Peritonitis auch durchaus wünschenswert. Da aber die Peritonealdialyse in erster Linie ein Heimverfahren ist und die Patienten nur alle vier bis sechs Wochen ins Zentrum kommen sollen, kommt dem Hausarzt ebenfalls eine wesentliche Rolle in der Betreuung dieser Patienten zu. Vychytil gibt zu, dass die Informationsweitergabe vom Zentrum an den Hausarzt noch nicht so gut funktioniert. Knoll bestätigt, dass die Informationen oft nur über den Patienten weitergegeben werden. „Therapiezettel und Indikationen fehlen bei den Patienten mit Peritonealdialyse oft, was zu Schwierigkeiten bei Verschreibungen führt“, sagt Knoll. Vychytil schlägt den Hausärzten vor, bei Bedarf den Kontakt zum Dialysezentrum zu suchen, weil besonders bei dieser Patientengruppe Zuweisungen zu verschiedenen Untersuchungen wie zum Beispiel einer Colonoskopie oder Magnetresonanztomographie einer speziellen Vorbereitung bedürfen und auch Antibiotikagaben anders dosiert werden müssen als bei Nierengesunden. Umgekehrt hat auch der Hausarzt ein Anrecht auf einen regelmäßigen Therapiebericht aus dem Dialysezentrum.

Mögliche Komplikationen der Peritonealdialyse

1) Infektiöse Komplikationen

  • Exit site-Infekt (isolierte Infekte der Katheteraustrittsstelle meist durch Hautkeime verursacht)
  • Tunnelinfekt (Fortschreiten eines Exit site-Infektes entlang des Katheters in die Bauchwand, sonographische Diagnose)
  • Peritonitis (trübes Dialysat mit erhöhter Leukozytenzahl, Keimnachweis in Gramfärbung oder Kultur, klinische Zeichen wie Bauchschmerzen und/oder Fieber)

2) Blutiges Dialysat
(bedingt durch Ovulation, seltener Endometriose, Zysten oder Tumoren)

3) Nichtinfektiöse Katheter-assoziierte Komplikationen
(Schmerzen, Irritationen von Blase oder Rectum, Katheterobstruktion- oder dislokation)

4) Komplikationen durch erhöhten intraperitonealen Druck

  • Leaks (Inzidenz 1-27%, Diagnose klinisch oder mit CT-Peritoneographie)
  • Hernien (bei 9-25% der Peritonealdialyse-Patienten, chirurgische Sanierung bei Inkarzerationsgefahr und notwendiger Steigerung des Füllvolumens)

5) Peritoneale Ultrafiltrationsprobleme, selten enkapsulierende peritoneale Sklerose
(hohe Mortalität durch Konstriktion der Abdominalorgane


Erstellt nach Puttinger, H. & Vychytil, A. (2008). Peritonealdialyse (PD). Wiener Klinische Wochenschrift

Kontraindikationen für die Peritonealdialyse

Absolut

Relativ

  • Psychosen
  • Stomata
  • Körperliche oder geistige Behinderung ohne Hilfsperson
  • Unhygienische oder beengte Wohnverhältnisse
  • Aktive, chronisch entzündliche Darmerkrankungen
  • Alte, allein stehende Patienten (Gefahr der Isolation durch die Heimtherapie)
  • Ausgedehnte, abdominelle Verwachsungen
  • Fortgeschrittene COPD
  • Akute/chronische Infektionen der Bauchwand
  • Hoher BMI (vor allem bei deutlich eingeschränkter Nierenrestfunktion)
  • Schwere Mangelernährung
  • Anurie (vor allem bei hohem Körpergewicht)

Erstellt nach Puttinger, H. & Vychytil, A. (2008). Peritonealdialyse (PD). Wiener Klinische Wochenschrift

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2010