Morphologische Veränderungen der Schilddrüse: Ultraschall als Diagnose-Weiche

25.03.2010 | Medizin

Sonographische Einzelkriterien sind bei einer Schilddrüse weniger aussagekräftig, aber mit dem gleichzeitigen Auftreten mehrerer Befunde erhöht sich die Trefferwahrscheinlichkeit. Der Ultraschall stellt jedenfalls die erste diagnostische Weiche dar.
Von Irene Mlekusch

Bei mehr als einem Drittel aller Erwachsenen in Mitteleuropa lässt sich eine Struma oder Struma nodosa feststellen. Bis zum 70. Lebensjahr steigt die Prävalenz der Schilddrüsenknoten und Strumen kontinuierlich an; der Verlauf ist meist schleichend progredient. Bei Verdacht auf Erkrankungen der Schilddrüse empfehlen Univ. Prof. Robert Dudczak, Vorstand der Universitätsklinik für Nuklearmedizin in Wien, und Univ. Prof. Herwig Imhof, ehemaliger Vorstand der Universitätsklinik für Radiodiagnostik in Wien, als Basisdiagnostik eine eingehende klinische Untersuchung, entsprechende Labordiagnostik, Palpation und Sonographie, sowie gegebenenfalls eine Feinnadelbiopsie. Die Schilddrüsensonographie dient der morphologischen Beurteilung, der Dignitätsbeurteilung von fokalen Veränderungen und mit Unterstützung der Dopplertechnik auch der Funktionsdiagnostik der Schilddrüse. Dudczak verweist darauf, dass Mikro-Karzinome (Papillar-Karzinom) im höheren Alter sehr häufig auftreten (<5 mm in 36 Prozent aller Autopsien) und die Inzidenz von Schilddrüsen-Karzinomen auch in Österreich zunimmt. Der Ultraschall der Schilddrüse allein reicht aber nicht aus, um eine Diagnose zu stellen. „Ich würde es gerne primär andersherum formulieren“, sagt Univ. Prof. Harald Dobnig von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz, „und zwar, dass eine in der Sonographie morphologisch unauffällige Schilddrüse gemeinsam mit einem normalen TSH-Wert Erkrankungen der Schilddrüse in der Regel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschließt.“ Dobnig führt einige weitere Konstellationen an, die nahezu eindeutig und tatsächlich „praktisch diagnostisch“ sind: eine müde und matte Patientin, die eine kleine, echoarme Schilddrüse aufweist, hat eine atrophe Form einer Autoimmunhypothyreose (oder Hashimoto- Thyreoiditis); hier ist die Bestimmung der TPO-Antikörperkonstellation nur ein Formalakt. Auch die Thyreoiditis de Quervain ist eine „Blickdiagnose“ bei einem Patienten mit akut aufgetretenen „Halsschmerzen“. Eine diffus echoarme Schilddrüse, zumeist vergrößert, ist ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Autoimmunhyperthyreose, und auch hier ist der morphologische Befund in den meisten Fällen praktisch beweisend. Bei bekannter Hyperkalziämie und „loco typico“-Knötchen ist die Diagnose „Hyperparathyreodismus“ ebenfalls klar. Volumsveränderungen des Schilddrüsenparenchyms wie eine einseitig angelegte, eine teil- oder zur Gänze resezierte Schilddrüse sind ebenso aufschlussreich wie eine Struma diffusa. „Man sieht also, dass der Schilddrüsenultraschall zu Recht die erste große diagnostische Weiche darstellt und die Schilddrüsenszintigraphie in den meisten Fällen nachgeschaltet durchgeführt wird“, so Dobnig. Auch Imhof und Dudzcak sind der Meinung, dass sonographische Einzelkriterien weniger aussagekräftig sind. „Interessant ist das gleichzeitige Auftreten mehrerer Befunde, denn dadurch erhöht sich die Trefferwahrscheinlichkeit“, erklärt Imhof. Er führt als benigne Kriterien eine zystische oder hyperechoische (echoreiche) Läsion, den Nachweis eines kompletten Halo‘s, das Fehlen einer Hypervaskularität und keine vergrößerten laterozervikalen Lymphknoten an. Ein Zeichen mit hoher benigner Spezifität ist das Comet tail-Zeichen. Als maligne Kriterien nennt Imhof solitäre hypoechoische (echoarme) Knoten, Mikrokalzifikationen, einen inkompletten Halo, unscharfe Begrenzung, zervikale vergrößerte Lymphknoten und zentrale Hypervaskularität. Sind aus der Anamnese eine Vorbestrahlung oder Metastasen bekannt, weist dies ebenfalls auf ein Schilddrüsenmalignom hin. Imhof und Dudzcak betonen, dass unter Verwendung dieser Kriterien eine Sensitivität von 82 Prozent, eine Spezifität von 78 Prozent sowie eine diagnostische Genauigkeit von 80 Prozent erreicht werden. Die Einzelzeichen allein erreichen meist nur Genauigkeiten zwischen zehn und 40 Prozent.

Dobnig möchte jeden palpatorisch derben, schlecht verschieblichen Knoten rasch mittels ergänzender Szintigraphie beziehungsweise Feinnadelbiopsie abgeklärt sehen. „Manche Patienten mit akuter Einblutung in einen Knoten und konsekutiver Zystenbildung haben deutliche Schmerzen und sollten zur Druckentlastung punktiert werden“, sagt der Experte und verweist auch auf die extrem seltenen, aber potenziell gefährlichen Abzessbildungen in der Schilddrüse. Eine rasche Abklärung und Behandlung mittels Punktion, Kultur und Antibiotikagabe ist hier erforderlich. Da die Komplikationsrate der Feinnadelbiopsie minimal ist, gilt sie für die definitive Abklärung als unerlässlich und sollte jedem operativen Eingriff vorangehen. Auch Imhof und Dudzcak empfehlen zur endgültigen Abklärung verdächtiger Knoten die Biopsie. Abgesehen davon kann die Feinnadelpunktion auch zur Abklärung von Thyreoiditiden hilfreich sein. Lymphozytäre Infiltrationen etwa weisen auf eine Hashimoto-Thyreoiditis hin, während mehrkernige Riesenzellen für eine subakute Thyreoiditis de Quervain sprechen. Bei Patienten, die eine Punktion ablehnen, sollte zumindest eine Szintigraphie durchgeführt werden.

„Bei den meisten nodulären Veränderungen wird der Ultraschall nur eine rein morphologische Dimension zur Diagnose beisteuern“, bemerkt Dobnig, „Klassische Konstellationen, die zur Schilddrüsenszintigraphie führen, sind ein supprimierter TSH-Wert und noduläre sonographische oder bereits palpatorisch fassbare Knotenbildungen.“ Dobnig empfiehlt die Szintigraphie speziell bei älteren Patienten im stationären Setting um festzustellen, ob die Hyperthyreose jodinduziert (keine Technetiumspeicherung) ist, oder autonom speichernde Areale vorliegen (autonomes Adenom oder multifokale Autonomien). „Eine Schilddrüsenszintigraphie ist natürlich auch in der postoperativen Nachsorge eines Schilddrüsenkarzinoms von großer Wichtigkeit, um das Ausmaß der Restspeicherung festzustellen oder eventuell vorhandene Metastasen aufzuspüren“, so Dobnig. Dudczak wiederum möchte Patienten mit erniedrigtem TSH-Wert in jedem Fall sofort eine Szintigraphie zukommen lassen. Durch eine exakte Korrelation von szintigraphischem und sonographischem Befund kann die Risikokonstellation entsprechend gesteigert oder reduziert werden.

Trotz entsprechend sorgfältiger Diagnostik kann ein kleiner Anteil von Patienten mit ungeklärten Befunden verbleiben. „Manchmal ist bei Patienten mit ausgeprägter Struma und vorhandener Dyspnoe eine ergänzende Trachea- Zielröntgenaufnahme und eine Lungenfunktionsbestimmung zum Ausschluss einer signifikanten Trachealeinengung erforderlich“, berichtet Dobnig aus der Praxis. Bei Vorliegen einer sonographisch retrosternalen Struma unklaren Ausmaßes empfiehlt er als Ergänzung ein CT oder ein MR. Imhof verweist darauf, dass bei den bildgebenden Kontrastmitteluntersuchungen kein jod-hältiges Kontrastmittel verwendet werden darf. „CT oder MRT kommen zur Abklärung der Tumor-Volumetrie, der präoperativen Tumor-Ausdehnung, von Lymphknotenbefall und Gefäßfreiheit zum Einsatz“, so Imhof. „Eine PET/CT mit FDG hat nur eine Bedeutung im Follow-up von Patienten mit Schildrüsenkarzinom, bei erhöhtem Thyreoglobulin-Wert und negativem Jod- 131-Ganzkörper-Scan“, vervollständigt Dudczak die Aufzählung.

Laboruntersuchungen

Funktionsstörungen der Schilddrüse lassen sich durch die Bestimmung der Schilddrüsenwerte sicher und günstig abklären. Dobnig dazu: „Je nach Klinik und in Abhängigkeit davon, ob Schilddrüsenwerte (TSH, fT3 oder fT4) schon vorliegen, wird bei echoarmer Parenchymstruktur der Schilddrüse nach einer Autoimmunhyperthyreose oder Autoimmunhypothyreose mit den entsprechenden Antikörpern gefahndet (TRAK, TPOAK)“. Bei Verdacht auf entzündliche Schilddrüsenveränderungen kann ein Thyreoglobulin (TG) beziehungsweise die entsprechenden TG-Antikörper weiterhelfen. Bei solitären Knotenbildungen wird eine ergänzende Calcitoninbestimmung zum Ausschluss eines medullären Schilddrüsenkarzinoms empfohlen, bei Verdacht auf akute Schilddrüsenentzündungen (Thyreoditis de Quervain) ergänzend Blutsenkung und Blutbild. Es ist auch schon vorgekommen, dass ein Nebenschilddrüsenadenom zufällig gefunden wurde. Hier ist dann eine Parathormonund Kalziumbestimmung beweisend.

In der Tumornachsorge hat Thyreoglobulin große Bedeutung. Hier sollte aber in der Regel kein Schilddrüsenparenchym nachweisbar sein. Schilddrüsenantikörper sind immer dann ergänzend sinnvoll, wenn zum Beispiel morphologische Veränderungen des Schilddrüsenparenchyms festgestellt werden, die häufig die gesamte Schilddrüse betreffen. Hier gibt es alle Übergangsformen von diffus hypoechogenen bis zu mehr oder weniger regelmäßig diffus kleinknotigen Veränderungen. Bei hypothyreoter Hormonkonstellation werden häufig die TPOAK, bei Hyperthyreose die TRAK und TPOAK ergänzend und zur Diagnosesicherung bestimmt. Dobnig weiter: „Hingegen wenig sinnvoll, aber häufig gesehene Praxis, ist die routinemäßige Erhebung der Schilddrüsenantikörper, die oft gemeinsam mit den Schilddrüsenhormonen angefordert werden. So werden oft Patienten unnötig vorgestellt, die einen minimal erhöhten TPOAK Wert haben bei eindeutig normaler Hormonkonstellation. Ein Antikörperwert allein wird praktisch nie behandelt.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2010