Interview – Univ. Prof. Wolfgang Patsch: Labordiagnostik noch weiter verfeinert

25.10.2010 | Medizin

Zur Früherkennung des Kolorektalkarzinoms wird derzeit die Bestimmung von Septin 9 evaluiert, wie Tagungspräsident Univ. Prof. Wolfgang Patsch anlässlich der Jahrestagung der österreichischen Gesellschaft für Labormedizin und klinische Chemie Ende Oktober in Salzburg im Gespräch mit Corina Petschacher erklärt.


ÖÄZ: Einen wichtigen Punkt im Rahmen der Vortragsreihe zum Thema neue kardiale Marker stellt das sogenannte hochsensitive Troponin bei der Frühdiagnose des Myokardinfarkts dar. Was hat es damit auf sich?

Patsch: Die kardialen Troponine (cTn) Troponin T (TnT) und Troponin I (TnI) sind für die Diagnose des akuten Koronarsyndroms unerlässlich. Erhöhungen von TnT und/oder TnI im Blut weisen auf eine Schädigung/Nekrose von Herzmuskelzellen hin. Der bisherige TnT-Test wurde durch einen verbesserten „high sensitivity“-Test (hsTnT) ergänzt. Dieser ultrasensitive Test misst sehr genau geringe Konzentrationen im Blut und ist wie der ältere TnT-Test spezifisch für Herzmuskelzellen. Aufgrund der verbesserten Präzision der hsTnT-Messungen wurde das Referenzlimit, das beim alten Test bei 30 ng/L lag, auf 14 ng/L herabgesetzt. Dadurch können Schäden am Myokard sehr früh erfasst werden. Allerdings verliert man durch die höhere Sensitivität des hsTnT-Tests etwas an Spezifität hinsichtlich des akuten Herzinfarkts, da auch andere Erkrankungen, die mit geringen Myokardschädigungen einhergehen, häufiger miterfasst werden als beim älteren Test. Deshalb wird bei unklaren oder fraglichen hsTnT empfohlen, die Messungen in kürzeren Abständen zu wiederholen. Eine Dynamik der erhaltenen Messwerte spricht eher für ein akutes Geschehen, während ein gleichbleibender Wert eher für ein chronisches Geschehen (und nicht für einen akuten Infarkt) spricht. Auch das Konzept des vulnerablen Plaque, der wie der stabile Plaque zu Gefäßverengungen führt, ist in diesem Zusammenhang ein interessantes Thema. Da der vulnerable Plaque viel häufiger zu instabiler Angina und Herzinfarkt führt als der stabile Plaque, gibt es in jüngster Zeit Anstrengungen, diesen vulnerablen Plaque mittels labormedizinischer Parameter zu erkennen. Hier spielen vor allem Entzündungsmarker, Marker an der Schnittstelle von Thrombozytenaktivierung und Entzündung sowie bestimmte Proteine eine Rolle. Als Beispiele seien hier die Myeloperoxidase, sCD-40 und das „Pregnancy-associated-Protein A“ angeführt.

Welche Neuigkeiten gibt es in den Bereichen Drogendiagnostik und Medikamentenmonitoring?
Hier muss man zwischen Screeningtests und hochspezifischen Verfahren unterscheiden. Screeningtests, die relativ einfach durchzuführen sind, eignen sich dazu, einen Drogenkonsum mit hoher Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Für die exakte Diagnostik und Spiegelbestimmung sind jedoch meist aufwendige Verfahren aus dem Bereich der Massenspektrometrie notwendig. Das „Monitoring“ von Medikamenten, also die Bestimmung des Medikamentenspiegels im Blut, ist vor allem dann notwendig, wenn die therapeutische Breite der jeweiligen Substanzen gering ist. Daneben gibt es auch noch andere Indikationen, die ein Monitorisieren von Medikamenten sinnvoll machen. Dazu werden vor allem Immunoassays und die Massenspektrometrie eingesetzt. In diesem Bereich geht es auch darum, dass unterschiedliche Personen unterschiedliche Empfindlichkeiten auf bestimmte Medikamente zeigen können, was in Richtung „personalisierte Medizin“ führt. Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte in der sogenannten Pharmakogenomik, um die interindividuelle Variabilität bei der Therapie zu berücksichtigen.

Gibt es neue Verfahren in der Labormedizin, mit denen chronischer Alkoholmissbrauch nachgewiesen werden kann?
Es gibt bestimmte Metaboliten, die auf einen stattgefundenen Alkoholabusus hindeuten wie zum Beispiel das CDT, Carbohydrate-Deficient-Transferrin. Erhöhte CDT-Werte finden sich nach mindestens einwöchiger Einnahme von mehr als 60 g Alkohol (Ethanol) pro Tag, auch nach Alkoholabstinenz bleiben die Werte einige Zeit (zwei bis vier Wochen) erhöht. Mit einem anderen neueren Marker, dem Ethylglukuronid, kann man einen hohen Alkoholkonsum von kürzerer Dauer nachweisen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung liegt im Bereich der molekularen Erregerdiagnostik. Was kann man sich genau darunter vorstellen?
Die molekulare Erregerdiagnostik ist eine sehr sensitive Methode, die sich besonders zum Nachweis von Viren eignet. Mit dieser Methode ist auch eine Quantifizierung der Erreger im Blut möglich. Es tut sich einiges im Bereich der Untersuchung und Erforschung von Resistenzen bestimmter Erreger auf bestimmte Medikamente, aber auch in der Bestimmung verschiedener Genotypen von einzelnen Erregern, die unterschiedliche Therapien erfordern beziehungsweise auf eine Therapie unterschiedlich ansprechen. Die Hepatitis- und auch die HIV-Diagnostik sind dadurch schon sehr weit fortgeschritten. Latente Infektionen können mit neuartigen Elispot-Tests nachgewiesen werden. Diese Tests basieren auf dem Nachweis einer spezifischen T-Zell-Antwort. Latent vorhandene Krankheitserreger können als Nebenwirkung einer immunsuppressiven Therapie zum Ausbrechen der Krankheit führen. Dies gilt zum Beispiel für eine latent vorhandene Tuberkulose. Ein weiteres Beispiel stellen die späteren Stadien von Borreliosen dar, bei denen die Krankheitserreger selbst nicht mehr detektiert werden können, jedoch eine T-Zell-Antwort auf die Krankheitserreger mittels eines spezifischen Tests nachgewiesen werden kann.

Wo kommt die molekulare Diagnostik noch zum Einsatz?

Im Bereich der modernen Allergiediagnostik, aber auch in der Diagnose von Autoimmunerkrankungen und in der Karzinomdiagnostik. Krebszellen weisen eine veränderte DNA auf, die man im Blut nachweisen kann. Beispielsweise wird derzeit die Bestimmung von Septin 9 im Blut zur Früherkennung des Kolorektalkarzinoms evaluiert. Die Methode beruht auf der Tatsache, dass ein Teil der DNA von Kolorektalkarzinomen in die Blutbahn gelangt. In den Karzinomen ist die DNA des für Septin 9 kodierenden Gens verändert, was in vielen Fällen nachgewiesen werden kann. Damit könnte die Frühdiagnostik des Kolorektalkarzinoms verfeinert werden, zumal der Haemoccult-Test zur Bestimmung von Blut im Stuhl eine geringe Treffsicherheit hat. Auch bei der Diagnose des Prostatakarzinoms tut sich einiges. Konnte bis vor kurzem nur das PSA bestimmt werden, dessen Erhöhung nur sehr bedingt Rückschlüsse auf Benignität oder Malignität der vorhandenen Prostatavergrößerung zuließ, gibt es heute mit dem PCA-3 ein weiteres Prostata-spezifisches Protein, das hinweisend auf die Malignität eines Prostatatumors ist. Um eine möglichst hohe Aussagekraft über die Malignität eines Prostatatumors zu erhalten, wird nicht das Protein selbst bestimmt, sondern die PCA-3 Transkripte im Harn in Relation zu den Transkripten für das prostataspezifische Antigen. Andere Tumoren exprimieren vermehrt Rezeptoren für den epidermalen Wachstumsfaktor, was zu einer Aktivierung des Wachstums von Tumorzellen führt. Hier setzen einige neuartige Therapiemethoden für verschiedene Karzinome an. Die molekulare Diagnostik der Karzinome und die daraus entstehenden Therapien weisen eine sehr interessante Entwicklung auf, von der ich mir sehr viel verspreche.

Was sollte aus Ihrer Sicht als Labormediziner ein niedergelassener Arzt besonders beachten?
Zum einen scheint es mir sehr wichtig, sich auf dem Laufenden zu halten, was das Feld der Labormedizin betrifft. Es kommen ständig neue Diagnosemethoden hinzu und auch die Wertigkeit verschiedener diagnostischer Tests kann sich ändern. Darüber sollte man sich entweder im Rahmen einer Fortbildung oder aber durch Informationsbroschüren der einzelnen Labors und Universitätsinstitute informieren. Wichtig für den alltäglichen Umgang mit der Labormedizin ist für den Allgemeinmediziner sicher auch die richtige Präanalytik. Um einen korrekten Wert zu erhalten, müssen sowohl die jeweils richtige Probenabnahme als auch der korrekte Probentransport sichergestellt werden. Bei Unklarheiten oder Fragen empfehle ich, jederzeit den direkten Kontakt zum Labormediziner zu suchen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2010