Ein bis drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden an Bluthochdruck. Speziell jugendlichen Hypertonikern muss man die Freude an Bewegung und gesunder Ernährung vermitteln – das Argument „Gesundheit“ lockt sie nicht.
Noch vor nicht allzu langer Zeit hat man angenommen, dass Bluthochdruck bei Kindern und Jugendlichen keine bleibenden Schäden hinterlässt. Dies ist jedoch mittlerweile widerlegt. „Kinder und Jugendliche weisen die gleichen Folgeschäden der Hypertonie auf wie Erwachsene“, sagt Univ. Doz. Gerald Tulzer vom Kinderherzzentrum Linz. „Bleibt die Hypertonie im Kindes- und Jugendalter unbehandelt, so erleiden diese Betroffenen früher als gesunde Kinder und Jugendliche einen Herzinfarkt oder Schlaganfall, Augen- und/oder Nierenprobleme.“
Offizielle Zahlen sprechen von ein bis drei Prozent Betroffenen. „Diese Zahlen sind seit vielen Jahren konstant. Wir gehen allerdings schon aufgrund der starken Zunahme von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen davon aus, dass rund vier bis fünf Prozent betroffen sind“, erklärt Tulzer.
Zwei Gruppen von Hypertonikern im Kindes- und Jugendalter sind zu unterscheiden: Zum einen jene Kinder, die aufgrund von Nieren- oder anderen chronischen Erkrankungen an einer behandlungsbedürftigen, sekundären Hypertonie leiden und jene Kinder und Jugendlichen, die aufgrund von Übergewicht erhöhte Blutdruckwerte aufweisen. „Bei Kindern mit Nieren- oder Herzerkrankungen, Schilddrüsenüberfunktion oder katecholaminproduzierenden Tumoren ist neben der Behandlung der Grunderkrankung die antihypertensive Therapie ein Muss, um Folgeschäden zu verhindern“, weiß Kinderkardiologe Tulzer.
Behandelt werden muss die Hypertonie im Kindes- und Jugendalter, wenn der Blutdruck die 97. Perzentile bei drei Messungen und – im optimalen Fall – einer 24-Stunden-Blutdruckmessung überschreitet. Bei Jugendlichen gilt ein Wert von 120:80 mmHg als normal; Werte jenseits dieser Norm sind als Prähypertonie zu betrachten und müssen beobachtet werden. Ein Blutdruck ab 140/89 ist bei Jugendlichen behandlungsbedürftig.
Bis vor kurzer Zeit galten Betablocker als Mittel der Wahl. Nach intensiven Forderungen nach Medikamentenstudien an Kindern – etwa aus der EU – konnte in mehreren Studien mit Kindern und Jugendlichen mittlerweile festgestellt werden, dass ACE-Hemmer Mittel der ersten Wahl sind. Werden diese nicht vertragen, weil beispielsweise als Nebenwirkung ein Reizhusten auftritt, kann auch ein AT1-Rezeptorblocker verordnet werden. „In der Second Line sind auch Kalziumantagonisten und Betablocker sowie in der Kombination ein Diuretikum zur Therapie möglich“, hält Tulzer weiter fest. Dosiert wird nach Körpergewicht.
Juvenile Hypertonie
Eine essentielle Hypertonie zeigt sich meist erst ab dem zwölften Lebensjahr. Die häufigsten Ursachen: Übergewicht und Bewegungsmangel. Daher stehen bei der Behandlung Lifestyle-Maßnahmen an erster Stelle. Kein einfaches Unterfangen, wie Tulzer weiß: „Ohne Vorbildfunktion geht es nicht, wenn die Eltern auch übergewichtig sind, ungesund essen und sich wenig bewegen, wird der Arzt den Jugendlichen kaum zu einem geänderten Essverhalten und mehr Bewegung überreden können.“ Hinzu kommt die Pubertät, welche die betroffenen Jugendlichen häufig mit sich und ihrer Umgebung in Opposition stehen lässt. Übergewicht bedeutet auch Stress, denn Betroffene leiden sehr darunter – nicht zuletzt, weil sie von Gleichaltrigen häufig wegen ihres Übergewichts verspottet werden. In den Schulen wird nach Ansicht des Experten viel zu wenig auf dieses Problem eingegangen: „Wenn Unterrichtsstunden gestrichen werden, sind dies meist Turnstunden“, ärgert er sich. Aber auch ein vor allem sitzender Lebensstil – am Computer, vor dem Fernseher – trägt dazu bei; ebenso auch der Konsum von Alkohol und Tabak, mit dem die Jugendlichen immer früher beginnen.
Das Rauchen aufgeben, gesündere Ernährung und mehr Bewegung – das sind die Säulen, die einer juvenilen Hypertonie den Kampf ansagen. Mit dem Hinweis auf Folgeerkrankungen im Erwachsenenalter wird man Jugendliche allerdings kaum locken können. „Gesundheit ist Jugendlichen egal“, formuliert Tulzer. „Man muss die Jugendlichen locken, ihnen Freude an gesunder Ernährung und Bewegung vermitteln – und das nicht erst dann, wenn der Jugendliche unter Hypertonie leidet.“
SF
Medikamentenstudien an Kindern |
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 /10.03.2010