Haut und Leber: Wech­sel­wir­kun­gen der Therapie

25.04.2010 | Medizin

Ver­zö­gerte Gefahr

Eine schwere Arz­nei­mit­tel­in­ter­ak­tion zwi­schen Haut und Leber stellt das DRESS-Syn­drom (Drug Rash with Eosi­no­phi­lia and Sys­te­mic Sym­ptoms) dar. Eine ein­ma­lige Medi­ka­men­ten­ex­po­si­tion kann aus­rei­chen; vor allem sechs Woche nach der Erst­me­di­ka­tion von Anti­epi­lep­tika sollte man daran den­ken.

Von Eve­line Hecher

Leber­er­kran­kun­gen, die die so genann­ten Leber-Haut­zei­chen wie Spi­der Nävi, Caput Medu­sae oder Ikte­rus zei­gen, lie­gen zumeist chro­ni­sche Erkran­kun­gen wie Virus­he­pa­ti­tis, Hämochro­ma­tose oder cho­le­sta­ti­sche Dys­funk­tio­nen zugrunde. Doch nicht nur Erkran­kun­gen der Leber per se, son­dern vor allem auch deren The­ra­pie kön­nen zu Erschei­nun­gen an der Haut füh­ren. „Beson­ders bei der Behand­lung einer Hepa­ti­tis C kann es zu Exan­the­men an der Haut kom­men, die sogar The­ra­pie limi­tie­rend sein kön­nen“, erklärt Univ. Prof. Harald Hofer, Gas­tro­en­te­ro­loge an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin III am Wie­ner AKH. Beson­ders Pro­tease- und Poly­me­rase-Inhi­bi­to­ren sind dabei als Aus­lö­ser zu nen­nen. Im Fall einer Inter­fe­ron-The­ra­pie, das eben­falls zur Behand­lung der Virus­he­pa­ti­tis ein­ge­setzt wird, kann es zu einem tro­cke­nen und schup­pen­den Haut­bild kom­men, was aber im Ver­gleich zu den häu­fi­ger auf­tre­ten­den Blut­bild­ver­än­de­run­gen, Müdig­keit, Fie­ber und Kopf­schmerz eher nicht so im Vor­der­grund steht. „Ver­stärkte Haut­re­ak­tio­nen ent­ste­hen jedoch, wenn Inter­fe­ron mit Pro­tease- und Poly­me­ra­sein­hi­bi­to­ren kom­bi­niert wird“, ergänzt Hofer.

Eine wirk­lich schwere Arz­nei­mit­tel­in­ter­ak­tion, die zwi­schen Haut und Leber auf­tre­ten kann, ist jedoch das so genannte Hyper­sen­si­ti­vi­täts­syn­drom – DRESS-Syn­drom (Drug Rash with Eosi­no­phi­lia and Sys­te­mic Sym­ptoms). Laut Exper­ten han­delt es sich dabei um eine medi­ka­men­tös toxi­sche Leber­re­ak­tion, die an der Haut ein kon­flu­ie­ren­des, makul­o­pa­pu­lö­ses groß­flä­chi­ges Exan­them zeigt und sehr gefähr­lich wer­den kann. „Meis­tens tritt es erst zwei bis sechs Wochen nach The­ra­pie­be­ginn auf, wobei auch eine ein­ma­lige Medi­ka­men­ten­ex­po­si­tion aus­rei­chen kann“, erklärt Univ. Prof. Nor­bert Sepp von der der­ma­to­lo­gi­schen Abtei­lung der Uni­ver­si­täts­kli­nik Inns­bruck. Pati­en­ten wer­den dann mit Fie­ber, Lympha­deno­pa­thie und Betei­li­gung inne­rer Organe vor­stel­lig. Auch die Gerin­nung kann Pro­bleme machen. „Wenn sich in der Ana­mnese bestimmte Medi­ka­mente zei­gen, die ein der­ar­ti­ges DRESS-Syn­drom aus­lö­sen kön­nen, wer­den rou­ti­ne­mä­ßig gleich die Leber­en­zyme sowie das Blut­bild kon­trol­liert“, so Sepp. In Frage kommt das Syn­drom jeden­falls bei drei- bis fünf­fach erhöh­ten Leber­en­zy­men oder einer Eosi­no­phi­lie über 1.000. Zu unter­schät­zen sei ein DRESS-Syn­drom jeden­falls nicht, da auch andere Organe wie Lunge oder Pan­kreas mit­be­tei­ligt sein kön­nen. Am häu­figs­ten zei­gen die Betrof­fe­nen Fie­ber und Exan­them (90 Pro­zent), gefolgt von Hepa­ti­tis (50 Pro­zent) und einer Eosi­no­phi­lie (20 – 50 Pro­zent), wobei auch Myo­car­di­tis und Menin­gi­tis mög­lich sind. Die Gesamt­mor­ta­li­tät ist mit zehn Pro­zent jeden­falls nicht zu vernachlässigen.

„Die Patho­ge­nese die­ser Reak­tion ist mul­ti­fak­to­ri­ell, wobei es sich um eine soge­nannte idio­syn­kra­ti­sche Reak­tion han­delt“, erläu­tert Sepp den Wis­sens­stand. Eine Rolle spie­len ver­mut­lich immu­no­lo­gi­sche Fak­to­ren, reak­tive Medi­ka­men­ten­me­ta­bolite, ver­än­derte Pro­te­ine oder die aktu­ell dis­ku­tierte Hap­ten-Theo­rie. Erst­mals beschrie­ben wurde das DRESS-Syn­drom bei diver­sen Anti­epi­lep­tika-The­ra­pien u.a. mit Phe­ny­toin. Wei­ters kom­men auch Carb­am­aze­pin, Phe­nor­bar­bi­tal, Lamo­tri­gin, Mino­cy­clin oder Aza­thio­prin in Frage. Auch Medi­ka­mente wie Aba­ca­vir, die in der HIV Behand­lung ein­ge­setzt wer­den, dürf­ten laut Exper­ten eine Rolle spie­len. Man weiß auch, dass Pati­en­ten mit SLE oder Lym­pho­men eine höhere Wahr­schein­lich­keit haben, ein DRESS-Syn­drom zu bekom­men. „Wich­tig für die nie­der­ge­las­se­nen Ärzte ist jeden­falls, dass man auch sechs Wochen nach der Erst­me­di­ka­tion von Anti­epi­lep­tika daran denkt“, ist Sepp über­zeugt. Die Erkran­kung kann näm­lich bis zum Leber­ver­sa­gen füh­ren, wobei das Syn­drom behan­del­bar wäre: „Für die The­ra­pie mit Mino­cy­clin sind Fälle mit aku­tem Leber­ver­sa­gen beschrie­ben wor­den, wobei es sich nicht nur um eine idio­syn­kra­ti­sche Reak­tion, son­dern vor allem auch um Auto­im­mun­phä­no­mene wie Auto­im­mun­he­pa­ti­tis han­delt“, erläu­tert Hofer den hepa­to­lo­gi­schen Aspekt. Dadurch sei bei recht­zei­ti­ger Erken­nung auch ein the­ra­peu­ti­sches Ein­grei­fen mög­lich. „Mit Predn­iso­lon kann man hier the­ra­peu­tisch etwas tun“, weiß Hofer. Eine Dosie­rung von einem Mil­li­gramm Kor­ti­son pro Kilo­gramm Kör­per­ge­wicht kann dabei schon not­wen­dig sein. Doch auch häu­fig ein­ge­setzte Medi­ka­mente wie Amoxi­cil­lin und Cla­vulan­säure kön­nen eine der­ar­tige idio­syn­kra­ti­sche Reak­tion aus­lö­sen, die erst zwei Monate nach The­ra­pie­be­ginn auf­tre­ten kann. Auch hier wur­den Mor­ta­li­täts­ra­ten durch aku­tes oder sub­aku­tes Leber­ver­sa­gen von bis zu 2,9 Pro­zent beschrieben.

Doch nicht nur idio­syn­kra­ti­sche Reak­tio­nen der Leber auf bestimmte Arz­neien, son­dern auch „inak­tive“ Erkran­kun­gen, die bei diver­sen The­ra­pien even­tu­ell wie­der reak­ti­viert wer­den kön­nen, bir­gen Gefah­ren. „Das in der Der­ma­to­lo­gie häu­fig ein­ge­setzte Cor­ti­son, ist an und für sich gut für die Leber ver­träg­lich. Aller­dings muss man beach­ten, dass bei chro­ni­schen Virus­he­pa­ti­t­i­den die Virus­last erhöht wer­den kann“, gibt Hofer zu den­ken. So kön­nen auch Pati­en­ten, die einen inak­ti­ven Car­ri­er­sta­tus haben, durch­aus eine mas­sive Reak­ti­vie­rung einer Hepa­ti­tis B haben, wodurch es zu einer krank­heits­be­schleu­ni­gen­den und fort­schrei­ten­den Fibro­sie­rung der Leber kom­men kann. „Daher ist vor jeder sys­te­mi­schen immun­sup­pres­si­ven The­ra­pie unbe­dingt eine Hepa­ti­tis-Sero­lo­gie zu ver­an­las­sen“, zeigt Hofer auf. Zum Thema Hepa­ti­tis-Sero­lo­gie ist auch erwäh­nens­wert, dass sowohl eine Hepa­ti­tis B, als auch Hepa­ti­tis C eine Immun­ant­wort aus­lö­sen kön­nen: Einer­seits ent­ste­hen IgG-Anti­kör­per, die von IgM-Anti­kör­pern gebun­den wer­den und somit eine Kom­ple­ment­ak­ti­vie­rung aus­lö­sen; ande­rer­seits ergibt sich durch IgM-Anti­kör­per ein posi­ti­ver Rheu­ma­fak­tor sowie Kryo­glo­bu­line. Wie Sepp dazu erklärt, muss man daher beson­ders bei chro­ni­scher Vas­ku­li­tis auch an eine Hepa­ti­tis C den­ken. „Die Hepa­ti­tis-Sero­lo­gie gehört in der Der­ma­to­lo­gie oft zur Dia­gnos­tik, da viele Erkran­kun­gen wie zum Bei­spiel auch eine Pan­ar­te­ri­itis nodosa oder sys­te­mi­sche Vas­ku­li­tis mit einer Hepa­ti­tis- Virus­in­fek­tion ein­her­ge­hen“, führt Sepp aus. „Gene­rell ist wich­tig, dass man beson­ders auf Haut­ver­än­de­run­gen ach­tet, die auf eine Leber­er­kran­kung schlie­ßen las­sen“, ist Sepp über­zeugt. Bei­spiele dafür gibt es jeden­falls genug: Neben der bereits erwähn­ten Vas­ku­lit­i­den, kön­nen näm­lich auch ein Lichen ruber oder Lichen scle­ro­sus mit einer Virus­he­pa­ti­tis asso­zi­iert sein.

Neben idio­syn­kra­ti­schen Arz­nei­mit­tel­re­ak­tio­nen, Anstei­gen von Virus­last durch immun­sup­pres­sive The­ra­pie ist im Zusam­men­hang mit Haut und Leber schließ­lich auch noch an diverse Arz­nei­mit­tel­in­ter­ak­tio­nen beim Leber­stoff­wech­sel zu den­ken. „Sehr auf­pas­sen muss man bei Pati­en­ten mit Ony­cho­my­kose, die Anti­my­ko­tika, vor allem Azole, als The­ra­pie erhal­ten“, betont Sepp. Dabei spielt der Leber­stoff­wech­sel inso­fern eine Rolle, da Azole über Cytochrom P450 abge­baut wer­den, wodurch diverse Plas­ma­spie­gel von ande­ren Medi­ka­men­ten ange­ho­ben wer­den könn­ten. Dies gelte übri­gens auch für einige ein­ge­setzte Anti­hist­ami­nika, so Sepp abschließend.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 8 /​25.04.2010