Fever of unknown origin: Diagnostische Herausforderung

10.03.2010 | Medizin

Auch bei Besserung oder gar Abklingen des Fiebers auf eine empirische Therapie haben fünf bis zehn Prozent der Betroffenen bei ihrer Entlassung noch keine definitive Diagnose. Eine genaue Anamnese ist entscheidend; tritt Fieber doch sowohl bei harmlosen Erkältungskrankheiten als auch bei schweren Erkrankungen auf.
Von Irene Mlekusch

Für Patienten, deren Fieber ohne erkennbare Ursache mit Temperaturen über 38,3°C mehr als drei Wochen andauert und deren Diagnose auch nach einem einwöchigen Spitalsaufenthalt ungeklärt ist, definierten Petersdorf und Beeson 1961 den Terminus „Fieber unbekannter Ursache“ – auch als FUO („fever of unknown origin“) bekannt. Trotz stationärer Aufnahme und eingehender Abklärung lässt sich laut Literatur bei neun bis 51 Prozent der Patienten mit FUO keine Diagnose erstellen. Univ. Prof. Günter Weiss, Leiter der klinischen Abteilung für Infektiologie und Immunologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin I in Innsbruck berichtet aus dem klinischen Alltag: „Pro Jahr werden ungefähr 20 Patienten, deren Symptome der klassischen Definition des FUO entsprechen, an unserer Klinik stationär aufgenommen. Rechnet man die während eines Krankenhausaufenthaltes entwickelten FUOs hinzu, steigt die Anzahl der jährlichen FUO Patienten um ein Vielfaches“. 

Prinzipiell lässt sich beim FUO eine Einteilung in vier Kategorien treffen. In die klassische Kategorie fallen alle ungeklärten Fiebererkrankungen, die der ursprünglichen Definition von FUO entsprechen und häufig durch Infektionen, maligne Erkrankungen oder immunologische/rheumatologische Systemerkrankungen verursacht werden. Die anderen Kategorien umfassen FUOs im Rahmen nosokomialer Infektionen, bei eingeschränkter Immunantwort (neutropenisches FUO) und HIV-Patienten.

„Eigentlich handelt es sich bei der Bezeichnung FUO nicht um eine Diagnose, sondern um eine Symptombeschreibung“, erklärt Weiss. Univ. Prof. Egon Marth, Vorstand des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin an der Universität in Graz, wiederum macht den Unterschied des Fiebers ungeklärter Ursache zwischen Kindern und Erwachsenen deutlich. Bei Kleinkindern bis zum zweiten Lebensjahr sind meistens Pneumokokken schuld an unklaren Fieberzuständen. Beim Erwachsenen sind die Ursachen wesentlich vielfältiger. Hinter jedem Fieber steht eine natürliche Reaktion des Immunsystems, die Abklärung warum die Körpertemperatur ohne offensichtlichen Grund ansteigt, dauert oft lange. „Das Fieber ungeklärter Ursache darf auf keinen Fall als physiologischer Zustand betrachtet werden“, gibt Marth zu bedenken. Dem Geschehen muss schon deshalb nachgegangen werden, weil auch ein malignes Geschehen die Ursache für das Fieber sein kann. 

„Typische Risikogruppen für die Entwicklung eines FUO gibt es nicht“, sagt Weiss dazu. „Aber es gibt Personen, die eher dazu neigen, an Infektionen zu erkranken.“ Des Weiteren gibt es ein genetisch bedingtes Risiko – durch spezifische HLA-Typen – für die Entwicklung von immunologischen Systemerkrankungen, die im Rahmen der Abklärung eines FUOs zu finden sind.

Die Ursachen für FUO sind teilweise altersabhängig. Während bei Kindern und jungen Menschen häufiger Infektionen im Vordergrund stehen, handelt es sich mit zunehmendem Alter eher – neben den am häufigsten zu findenden Infektionen – auch um diverse andere Krankheitsbilder, wie rheumatische Erkrankungen, Vaskulitiden oder Medikamentenfieber beziehungsweise Hypersensitivitätssyndrome. Zehn bis 20 Prozent der FUOs lassen sich auf eine hämatologische oder onkologische Ursache zurückführen. Auch bei Besserung oder gar Abklingen des Fiebers auf eine empirische Therapie haben fünf bis zehn Prozent der Betroffenen bei ihrer Entlassung noch keine definitive Diagnose. „Die Aufklärungsrate ist dank moderner Untersuchungen sehr hoch und die klinische Beschäftigung mit FUO Patienten für den behandelnden Arzt spannend“, betont Weiss.

Die Grundlage für die Aufklärung eines FUO stellt eine sorgfältige Anamnese dar, die im Verlauf der Patientenbetreuung mehrmals wiederholt werden sollte. Marth merkt an, dass man sich gerade bei der Abklärung eines FUO viel Zeit für den Betroffenen nehmen muss. In einem intensiven Gespräch sollten auch andere Symptome sowie eine Reise-, Impf- und Familienanamnese erfasst werden. Allein durch die Impfanamnese können bestimmte Virusinfektionen schon ausgeschlossen werden. Bei der Reiseanamnese, die übrigens fixer Bestandteil jeder Anamnese sein sollte, darf man sich nicht nur auf Reisen in Länder der sogenannten Dritten Welt konzentrieren. Weiss: „Auch andere Gewohnheiten wie Freizeitaktivitäten, der Umgang mit Tieren oder die Einnahme von diversen Medikamenten gilt es zu erfassen.“ Manchmal bringt die Frage, wo sich der Patient in der letzten Zeit aufgehalten hat, Hinweise auf seltene Infektionen, die FUO bedingen, wie Rickettsien, tropische Pilzinfektionen oder parasitäre Erkrankungen. Bei den wiederholten Untersuchungen muss auch erhoben werden, wie sich der Patient während des Fiebers fühlt. 

„Für das diagnostische Vorgehen gibt es kein Standardschema“, fügt Weiss hinzu. Nach einer sorgfältigen Anamnese wird entsprechend den erhobenen Symptomen weiter abgeklärt. Bei der wiederholten umfassenden und sorgfältigen klinischen Untersuchung sollte allen Organsystemen besondere Beachtung geschenkt werden. Weiss geht davon aus, dass nach einer ausführlichen Anamnese und der klinischen Untersuchung meist eine Hypothese für den Ursprung des Fiebers vorhanden ist. Diese Hypothese und deren differentialdiagnostische Überlegungen führen in weiterer Folge zur Einleitung der spezifischen diagnostischen Maßnahmen und gegebenenfalls zu einem Behandlungsversuch. Spricht der Patient gut an, bestätigt sich die Hypothese unter Umständen bald. Auch bildgebende Verfahren führen entsprechend eingesetzt oft weiter. Vor allem der Einsatz von PETUntersuchungen zur Identifizierung von kleinsten malignen oder entzündlichen Arealen wird derzeit diskutiert.

Marth wünscht sich, dass Laboruntersuchungen wohl überlegt und mit gezielten Fragestellungen angefordert werden. „Oft ist schon ein großes Blutbild aufschlussreich, vor allem die Leukozyten können bei der Feststellung der Diagnose weiterhelfen“. Klinische Infekte gehen häufig mit Organbeteiligung einher, hier kann die Bestimmung von Isoenzymen zum Beispiel Iso-LDH sinnvolle Hinweise liefern. Sehr oft wird vom Labor ein Virusstatus gefordert, der allerdings in 99 Prozent der Fälle kein Ergebnis liefert. Die meisten viralen Erkrankungen sind selbst limitierend und innerhalb von zwei Wochen überstanden. Sinnvoller ist es daher, bei Verdacht bestimmte Keime einzeln mittels PCR auszuschließen. In der Regel werden viel zu viele Untersuchungen angefordert; die Kosten-Nutzen-Frage ist bei der Abklärung unbekannter Fieberursachen ein großes Thema.

Unter der großen Zahl infektiöser Erkrankungen, die mit einem FUO assoziiert sein können, sind auch Tuberkulose und Abszesse im Abdomen oder Becken zu finden. Diese intraabdominellen Abszesse können von einer durchgebrochenen Appendizitis oder Divertikulitis stammen oder durch bösartige Tumore oder Verletzungen entstehen. Aber auch eine subakute bakterielle Endokarditis, eine Sinusitis, Osteomyelitis oder eine dentaler Abszess können zu lange andauerndem Fieber führen. Manche maligne Prozesse sind mitunter schwer zu diagnostizieren wie zum Beispiel eine chronische Leukämie, Lymphome, Nieren-, Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs beziehungsweise Metastasen von Tumoren. Steht hinter dem ungeklärten Fieber eine Autoimmunerkrankung, handelt es sich dabei am ehesten um rheumatoide Arthritis oder rheumatisches Fieber. Diese Erkrankungen werden aber in der Regel eher rasch diagnostiziert. Etwas schwieriger dagegen ist die Diagnose des Still-Syndroms, des systemischen Lupus erythematodes oder von Entzündungen arterieller Blutgefäße wie einer Arteritis temporalis, Riesenzellarteritis, Polyartitis nodosa, Takayasu Arteritis oder Wegener´sche Granulomatose. 

Als seltenere Ursachen für FUO werden tiefe Beinvenenthrombose sowie Komplikationen bei Zirrhosen und Hepatitiden und inflammierte Hämatome angegeben. Auch Medikamente können – hauptsächlich durch Hypersensitivitätssyndrome – eine Erklärung für ein Fieber unbekannter Ursache sein. Diuretika, Schmerzmittel, Barbiturate, Sedativa, bestimmte Antibiotika, Antihistaminika, Salicylate und Sulfonamide können Fieber auslösen. Grundsätzlich kann aber jedes Medikament für eine Überempfindlichkeitsreaktion mit Fieber in Frage kommen. Das Fieber tritt dann relativ kurz nach der ersten Medikamenteneinnahme auf und klingt innerhalb von 72 Stunden nach Absetzen der Substanz wieder ab.

  Anamnese

  • Reiseanamnese (inklusive Reisegewohnheiten)
  • Tierkontakt (beruflich, Haustiere, Eier,…)
  • Familienanamnese und Herkunft
  • Impfanamnese und Kinderkrankheiten bzw. frühere Erkrankungen
  • Beruf, Freizeit, soziales Umfeld (Sozialanamnese) und Sexualanamnese
  • Medikamentenanamnese
  • Begleitsymptome (Verhaltensänderung, Gewichtsverlust, Lokalsymptome,…)
  • frühere Krankheiten und Operationen
  • Implantate (z.B. künstliches Hüftgelenk)
  • Rezente Krankenhausaufenthalte

  Drug-Induced Fever

  • Grundsätzlich kann jedes Medikament Auslöser dafür sein.
  • Antibiotika (Sulfonamide, Penicillin, Nitrofurantoin, Vancomycin, Antimalarias)
  • H1 und H2 blockierende Antihistaminika
  • Antiepileptika (Barbiturate und Phenytoin)
  • Iodides
  • Nichtsteroidale Entzündungshemmer (z.B. Salicylate)
  • Antihypertensiva (Hydralazine, Methyldopa)
  • Antiarrhythmika (Quinidine, Procainamide)
  • Schilddrüsenmedikamente
  • Neuroleptika (DRESS-Syndrom) u.a.

  Minimale Untersuchungsanforderung bei FUO

  • Anamnese
  • Klinische Untersuchung
  • Blutbild mit Differentialblutbild und Gerinnung
  • Blutkulturen
  • Blutsenkungsgeschwindigkeit und Akute-Phase-Parameter z.B. CRP
  • Blutchemie mit Leberenzymen und Bilirubin sowie Nierenfunktion
  • Harnuntersuchung mit Sediment und ggf. Kultur
  • Serologische (inkl. HIV) und immunologische/rheumatologische Untersuchungen bei anamnestischem Verdacht
  • Bildgebende Verfahren (Sonographie, CT, MRI, PET)
  • Bei konkretem Verdacht zusätzlich: Elispot

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2010