Dermatologie: Schuppende Gefahr

15.07.2010 | Medizin

Durch den oftmals leichtfertigen Einsatz von Mischpräparaten bei schuppenden Läsionen werden wesentliche Unterscheidungskriterien für eine zielführende Diagnostik verschleiert. Vor der Überweisung zum Facharzt sollte eine Therapiepause eingelegt werden.

Zu den Differentialdiagnosen der schuppenden Läsionen zählen unter anderem die Mykose, das Ekzem, die Schuppenflechte, die seborrhoische Dermatitis oder weit Gefährlicheres. Die erstgenannten Erkrankungen sind zwar sehr häufig, unterscheiden sich klinisch aber nur wenig. In der Allgemeinpraxis wird häufig polypragmatisch mit einem Mischpräparat bestehend aus Cortison, Antibiotikum und Antimykotikum anbehandelt. Erst wenn der Erfolg ausbleibt, folgt die Überweisung an den Facharzt für Dermatologie. „Wir Dermatologen haben dann das Problem, dass wir häufig antherapierte Patienten vorfinden, bei denen es schwierig wird, die richtige Diagnose zu finden“, erläutert Univ. Prof. Alexis Sidoroff von der Dermatologischen Abteilung der Universitätsklinik Innsbruck.

Seine Empfehlung daher: in nicht allzu ausgeprägten Fällen eine Therapiepause einzuleiten, bevor man den Patienten an den Facharzt überweist. Dadurch soll der ursprüngliche Krankheitszustand wiederhergestellt werden, um in der Folge die Diagnose zu erleichtern. Auch sollte überlegt werden, um welche Art von schuppender Läsion es sich vermutlich handelt: Bei einem Ekzem sollte keine Kombination, sondern nur ein Steroid angewandt werden. Besteht Verdacht auf eine Mykose, wird ein Antimykotikum allein empfohlen. „Nach Anbehandlung
mit Mischpräparaten sind etwaige Pilzsporen beim Facharzt schwerer nachzuweisen“, erklärt Sidoroff. Sogar Kulturen, die angelegt wurden, wachsen nicht gut. In der Folge kommt es wieder zu einer Therapiepause. Indifferente Fettsalben wiederum können durch Reduktion der Schuppung das klinische Bild verfälschen.

Cortison in Verruf

Durch den ungezielten Einsatz von Cortison wie beispielsweise bei einer Pilzerkrankung, bessert sich vorerst zwar die Entzündungssymptomatik, jedoch nicht die ursprüngliche Erkrankungsursache. Somit würden nach Absetzen des Cortisons sofort wieder Beschwerden auftreten. „Dieser Aspekt ist sehr wichtig, denn durch die vorübergehende Symptomverbesserung neigen die Patienten bereits selbst dazu, immer wieder Cortison auf die betroffenen Stellen aufzutragen“, erklärt der Spezialist. Man wisse jedoch, dass Cortison nicht für die Daueranwendung, sondern eher als „Notbremse“ bei akuten Entzündungen gedacht ist.

Wird es über lange Zeit eingesetzt und noch dazu in der falschen Indikation, ist das mit ein Grund für den schlechten Ruf des Cortisons und nicht ungefährlich für den Patienten.

Getarnte Gefahr

Die Differentialdiagnose schuppender Läsionen schließt jedoch nicht nur die genannten Erkrankungen, sondern auch neoplastische Veränderungen mit ein. So gibt es Herde, die einem Ekzem zwar täuschend ähnlich sehen, bei denen es sich aber auch um maligne neoplastische Veränderungen handeln kann. Beispiele dafür sind der Morbus Bowen und die Aktinische Keratose. „Die Aktinische Keratose, eine Entität des sogenannten weißen Hautkrebses, kann man durchaus mit einem Ekzem verwechseln“, erklärt Univ. Prof. Rainer Kunstfeld vom Wiener AKH. Die Patienten führen eine Aktinische Keratose oft auf minimale Verletzungen und Bagatelltraumen zurück und tun sie als trockene raue Stelle, die „schon immer“ vorhanden war, ab. Die richtige Diagnose „Aktinische Keratose“ kann sich mitunter schwierig gestalten, wie Kunstfeld bestätigt: „Fairerweise sei gesagt, dass es sich beim Erkennen schuppender Läsionen auch unter Fachärzten nicht immer um eine Blickdiagnose handelt“.

Klassisch für die Aktinische Keratose sind jedenfalls raue rötliche Flecken beziehungsweise flachere Erhabenheiten an typischen Stellen: Dazu zählen vor allem lichtexponierte Hautareale wie Gesicht, Nase, Ohren, Glatze, Handrücken oder Unterarme. Die Oberfläche imponiert typischerweise sandpapierartig, wobei durch Pflegesalben die Rauigkeit merklich abgeschwächt werden kann. Vor allem ältere Menschen mit anamnetisch langjähriger Sonnenexposition oder Menschen mit rotblondem Haar und heller Haut sind vorwiegend betroffen.

Hat man die Aktinische Keratose früher als Vorläufer von Hautkrebs angesehen, weiß man heute aufgrund zahlreicher histologischer und molekularbiologischer Untersuchungen, dass die Erkrankung gleiche genetische Veränderungen wie das Plattenepithel-Karzinom zeigt. „Daraus resultiert, dass diese behandlungswürdig ist“, betont Kunstfeld. Hier hat es auch bei der Nomenklatur eine Änderung ergeben. Wurde bei histologischen Befunden früher oft „Aktinische Keratose“ angegeben, wird heute je nach Pathologen auch von einem Plattenepithel-Karzinom in situ „Typ Aktinische Keratose“ gesprochen. Zusammen mit dem Basaliom und dem Plattenepithel-Karzinom zählt die Aktinische Keratose zum sogenannten „weißen Hautkrebs“, bei dem es sich um den häufigsten Tumor der Menschen überhaupt handelt. Da die Aktinische Keratose in Frühstadien jedoch wenig aggressiv ist und nicht metastasiert, genügt bei einer verdächtigen Läsion vorerst eine regelmäßige Kontrolle, wobei man nicht immer auf eine Biopsie angewiesen ist. „Sobald jedoch Zweifel bestehen, ist natürlich eine Biopsie durchzuführen“, erklärt Sidoroff die Praxis. Dadurch ist eine Aussage über die Invasivität der Läsion möglich.

Der Übergang von einer Aktinischen Keratose in ein metastasierendes Plattenepithel-Karzinom ist sehr schnell möglich. Wie bei allen Formen des weißen Hautkrebses kommt es beim Durchbruch der dermalen-epidermalen Junktionszone in rund zehn Prozent zur Metastasierung. Bei immunsupprimierten Personen liegt diese Zahl sogar bei 40 Prozent.

Da die Frühformen des weißen Hautkrebses sehr gut behandelbar sind, ist in jedem Fall die rechtzeitige Überweisung des Patienten an einen Facharzt sinnvoll. Während man früher die Hautveränderungen mit einer Curette abgetragen oder mit Stickstoff vereist hat, kommen heute neue zielgerichtete Therapien zum Einsatz. „Bei den früher verwendeten Behandlungsmethoden wurden auch gesunde Areale zerstört, was nun nicht mehr der Fall ist“, erklärt Kunstfeld. Bei der Photodynamischen Therapie etwa werden lichtempfindliche Substanzen aufgetragen und von den Tumorzellen aufgenommen, wodurch in der anschließenden Bestrahlung die entarteten Zellen durch Bildung von Sauerstoffradikalen zerstört werden. Bereits bei der ersten Photodynamischen Sitzung seien Heilungen in mehr als 70 Prozent möglich. Allerdings kann diese Therapie nur in ausgewählten Zentren erfolgen.

Eine der neueren Entwicklungen auf diesem Gebiet ist die lokale Therapie mit Imiquimod, einem Immunmodulator, der auf die Haut aufgetragen wird. Ebenso wie bei der Photodynamischen Therapie werden auch hier ausschließlich kranke Zellen mit Hilfe des eigenen Immunsystems bekämpft.

Spitze des Eisbergs

Bei der Aktinischen Keratose sind – neueren Erkenntnissen zufolge – weit größere Areale betroffen als man sieht. „Bei der Blickdiagnose sieht man sozusagen nur die Spitze des Eisberges“, erklären die beiden Experten. Nicht unwesentlich ist, dass durch die Anwendung der Creme auch die nicht sichtbaren Krankheitsareale zum Vorschein kommen. Darauf muss man den Betroffenen hinweisen: Weiß der Patient darüber nicht Bescheid, kann sich das negativ auf die Compliance auswirken, da durch die Demaskierung für den Patienten scheinbar eine „Verschlechterung“ der Erkrankung eintritt. „Man muss über eine bestimmte Schwelle, wo die Entzündung besonders stark und optisch störend ist, gehen, aber in gleicher Dosierung weiterbehandeln“, erklärt Kunstfeld. Danach erfolgt eine exzellente Abheilung.
EH

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2010