Arznei & Vernunft Rheumatoide Arthritis: Remission als Therapieziel

25.03.2012 | Politik

Rund 80.000 Menschen in Österreich – immer öfter auch Kinder – leiden an Rheumatoider Arthritis. Zwei Drittel der Patienten weisen schon zwei Jahre nach Beginn der Erkrankung Knochenschäden auf – umso wichtiger sind die frühe Diagnose und ein rascher Therapiebeginn.
Von Marion Huber

Die Rheumatoide Arthritis ist mit einer Prävalenz von bis zu einem Prozent – also rund 80.000 Betroffene in Österreich – die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung des Erwachsenen. Dennoch: „Besonders zu Beginn ist die Diagnose sehr schwer zu stellen“, wie Jochen Zwerina, Leiter des Fachbereichs Rheumatologie der 1. Medizinischen Abteilung am Hanusch Krankenhaus in Wien, bei der Präsentation der neuen „Arznei & Vernunft“-Leitlinie „Rheumatoide Arthritis“ Ende Februar in Wien erklärt. Dabei ist gerade die frühe Diagnose Ausschlag gebend, denn die Rheumatoide Arthritis ist eine destruierend verlaufende Erkrankung, bei der zwei Drittel der Patienten schon zwei bis drei Jahre nach der Erstmanifestation Knochenschäden aufweisen. „Außerdem ist das Herzinfarkt-Risiko der Betroffenen vor allem zu Beginn der Erkrankung deutlich erhöht. Je mehr destruierte Knochen der Patient aufweist, desto stärker steigt die Mortalität“, wie Zwerina weiter ausführt.

Umso wichtiger sei es, die Erkrankung rasch zu diagnostizieren, betont auch Univ. Prof. Manfred Herold von der Universitätsklinik für Innere Medizin 1 in Innsbruck und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie: „Man muss die Krankheit behandeln, bevor eindeutige Krankheitsanzeichen auftreten. Jeder Tag, den man später behandelt, ist ein verlorener Tag.“ Nicht zuletzt deshalb komme den Hausärzten eine zentrale Rolle zu, da sie die Patienten als erste sehen und als Zuweiser an spezialisierte Einrichtungen fungieren, sofern die Gelenksschmerzen bei den Betroffenen länger als sechs Wochen andauern, so Zwerina. Danach überweist der Spezialist die Patienten zurück an den Hausarzt, der schließlich auch die Therapie überwacht und die ganzheitliche Betreuung des Patienten übernimmt.

Ziel: Remission

„Ziel der Therapie einer Rheumatoiden Arthritis ist heute das Erreichen einer Remission oder einer möglichst vollständigen Unterdrückung der Krankheitsaktivität“, weiß Zwerina. Und Herold fügt hinzu: „Wenn man richtig und rechtzeitig behandelt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Behandlung erfolgreich und der Patient schmerzfrei ist.“ So haben rasante Fortschritte in der medikamentösen Therapie zu neuen Therapie-Algorithmen geführt, die in der Leitlinie zusammengefasst wurden. Als Basistherapie empfehlen die Experten Disease-Modifying Antirheumatic Drugs (DMARDs), um eine langfristige Krankheitskontrolle und die Erhaltung der Gelenksstruktur zu ermöglichen. „Liegen keine Kontraindikationen vor, wird Methotrexat als Erstlinien-Therapie eingesetzt. Wenn Methotrexat allein nicht ausreicht und frühzeitige Zeichen struktureller Schäden auftreten, wird zusätzlich ein Biologikum verabreicht“, erklärt Zwerina. Rund 60 Prozent der Patienten würden auf Methotrexat sehr gut ansprechen. Eine Evaluierung der Therapie wird laut Leitlinie alle drei bis sechs Monate empfohlen.

Darüber hinaus wird in der Leitlinie besonderes Augenmerk auf die nicht-medikamentöse Therapie wie Physikalische Therapie und Ergotherapie gelegt. Auch dem Management und der Prävention von Nebenwirkungen wird in der Leitlinie Rechnung getragen. „Da Patienten mit Rheumatoider Arthritis ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweisen, sind Totimpfungen dringend empfohlen. Lebendimpfungen hingegen stellen ein Problem dar und generell ist eine verminderte Impfantwort möglich“, so Zwerina. Neben Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Influenza und Pneumokokken sei laut Zwerina auch eine Hepatitis B-Impfung sinnvoll, da bei hochdosierten Steroiden und Biologika eine chronische Hepatitis B problematisch sein könne.

Obwohl – statistisch gesehen – das Risiko ab dem 40. Lebensjahr steigt, kann man eine Rheumatoide Arthritis in jedem Lebensalter einwickeln. „Keineswegs ist die Erkrankung, wie früher fälschlicherweise angenommen, eine Alte-Leute-Krankheit“, betont Zwerina. Denn nicht selten sind Kinder betroffen, weshalb sie in der neuen Leitlinie besonders berücksichtigt wurden. So habe sich auch bei der Juvenilen Idiopathischen Arthritis einiges zum Guten gewendet, zeigt sich Univ. Prof. Wolfgang Emminger, Leiter der Kinder-Rheumaambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Wien erfreut: „Die Basistherapie mit Methotrexat ist heute der Goldstandard. Etwa drei Viertel der Kinder und Jugendlichen sprechen gut darauf an.“ Ansonsten wird die Therapie um Biologika wie etwa Etanercept erweitert. Emminger dazu: „Dadurch kann eine dramatische Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Die Kinder spüren die Wirkung sehr rasch, die Steifigkeit vermindert sich, Schwellungen klingen ab. Das ist ein Durchbruch.“

Die Kosten für die erfolgreiche medizinische Therapie seien zwar hoch, „dennoch verhindern sie andere, noch höhere Kosten, die ohne Therapie durch Operationen, Krankenstände oder Invaliditätspensionen entstehen würden“, zeigt sich Univ. Prof. Josef Smolen, Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung am Krankenhaus Hietzing in Wien überzeugt. Die Leitlinie „Rheumatoide Arthritis“ trage dazu bei, Menschen mit dieser Erkrankung wieder arbeitsfähig zu machen und deren Lebensqualität zu erhöhen. „Auf dem Gebiet der Rheumatologie hat sich sehr viel verändert, sodass man den Patienten heute helfen kann. Unser Gesundheitssystem stellt die notwendigen Voraussetzungen dafür zur Verfügung und die Leitlinie ist ein gutes Hilfsmittel“, zeigt sich Univ. Prof. Klaus Klaushofer, ärztlicher Direktor und Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung am Hanusch Krankenhaus Wien „stolz“ auf das Ergebnis. Immerhin haben 37 Experten – das bisher größte Expertenteam bei der Erarbeitung einer Leitlinie im Rahmen von „Arznei & Vernunft“ – zusammengearbeitet.

Tipp:

Die aktuelle Leitlinie und auch die Patientenbroschüre „Rheumatoide Arthritis“ stehen unter www.aerztekammer.at zum Download zur Verfügung.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2012