Tag der Gesundheitsberufe: Keine Kompromisse bei der Qualität!

10.02.2011 | Politik

Kürzlich fand in Wien der erste Tag der Gesundheitsberufe statt. Damit präsentierten sich erstmals alle gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe gemeinsam in der Öffentlichkeit und stärkten damit ihre Rolle auch als gesundheitspolitische Größe.
Von Ruth Mayrhofer

Die Gesundheitsberufekonferenz ist ein Zusammenschluss der Vertreter der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe in Österreich, der auf Initiative der ÖÄK im Jahr 2009 ins Leben gerufen wurde. Die Vision: Diese Berufe sollten allesamt näher zusammenrücken und sich zusammenschließen, um gemeinsam zum Beispiel gegen Ökonomisierungstendenzen im Gesundheitswesen zu arbeiten, und ein Mitspracherecht in allen relevanten politischen Gremien zu erlangen. Genauso soll der Informationsaustausch untereinander optimiert und dem Thema Prävention Raum eingeräumt werden. Insgesamt ist es das Ziel, dass all diese Berufsgruppen (siehe Kasten) auch in Sachen Aus- und Weiterbildung quasi unter staatlicher Obhut bleiben müssen, will man zunehmend auf den Markt drängenden gewerblichen Berufen die Stirn bieten und die Gesundheitsversorgung aufrecht erhalten und verbessern. Dabei stehen der Patient und seine Bedürfnisse im Vordergrund aller Bemühungen. „Die gesetzlich verankerten Gesundheitsberufe sind die Garanten und die Hüter der Qualität im Gesundheitswesen“, brachte es ÖÄK-Präsident Walter Dorner in seiner Eröffnungsrede auf den Punkt. Und: „Wir müssen energisch an einer Professionalisierung all dieser Berufe weiterarbeiten und sie attraktiv erhalten, denn schon 2050 werden 35 Prozent der Gesamtbevölkerung zu Betreuende sein“, so Dorner.

Die Wichtigkeit der strikten Trennung zwischen gesetzlich anerkannten und gewerblichen Gesundheitsberufen hob auch Sektionschef Gerhard Aigner vom Gesundheitsministerium hervor. Sein klares Bekenntnis: „Ich werde alles unternehmen, um die gesetzlich definierten Gesundheitsberufe von gewerblichen und Lehrberufen fernzuhalten!“ Dieses Anliegen ist insofern für alle Angehörigen der gesetzlich definierten Gesundheitsberufe brennend, als immer mehr gewerbliche Gesundheitsberufe, die von der Ausbildung her keinesfalls die Qualifikation der gesetzlich anerkannten Gesundheitsberufe vorweisen können, auf den Markt drängen. Daher ist eine scharfe Abgrenzung dieser Berufsgruppen vonnöten, die „verheerende Tendenz, Gesundheitsberufe in Lehrberufe hineinzupressen“ (Dorner) müsse bekämpft werden. Denn, so der ÖÄK-Präsident weiter: „Patienten sind keine Kunden, die Leistungen teuer kaufen und Krankheit ist keine Ware!“

Allerdings: Es liegt an der Gesundheitspolitik, die Rahmenbedingungen mit zu entwickeln. Auch die Fortentwicklung der einzelnen Gesundheitsberufe kann nur im Rahmen der Gesundheitspolitik – und nicht im Rahmen einer Wirtschaftspolitik – erfolgen, sagte Sektionschef Aigner. Speziell Letzteres sei ein kontinuierlicher Prozess, der ganz generell neue Erkenntnisse und neue Bedürfnisse seitens der einzelnen Berufsgruppen, aber auch der Patienten einschließen müsse.

Eine Gesamtverantwortung

Gesundheitsminister Alois Stöger sprach sich dezidiert für die Schaffung einer Gesamtverantwortung im Gesundheitswesen hinsichtlich seiner Steuerung, Finanzierung und Planung aus. Schließlich sei das Gesundheitswesen auch ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor, arbeiten doch rund zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung im Gesundheitsbereich. Außerdem stünde Österreichs Gesundheitswesen international an der Spitze. Stöger: „Österreichs Gesundheitswesen ist Weltmarktführer!“ Es gelte jedoch, diese Position auch in Zukunft zu erhalten.

Bis 2014 ein einheitliches KAG

Während aus Stögers Sicht die Sanierung der Krankenkassen sowie die Verbesserung der Versorgung im niedergelassenen Bereich (Stichwort: Gruppenpraxen) schon in die Wege geleitet wurde, will er bis 2014 ein einheitliches Krankenanstalten-Gesetz für ganz Österreich schaffen. Auch die Transparenz im Gesundheitswesen sollte „massiv erhöht“ werden. Weiters müsste an der Finanzierung weiter gefeilt und Gelder ausschließlich dafür verwendet werden, „was gesundheitspolitisch sinnvoll ist“. Denn nur so – zeigte sich der Minister überzeugt – „wird die Bevölkerung bereit sein, das Gesundheitswesen weiter zu finanzieren“. „Keine Kompromisse“ will Stöger bei der Beibehaltung der hohen Qualität der Gesundheitsleistungen machen.

Gesundheitsberufe weiter entwickeln

Stöger sprach sich für eine Weiterentwicklung aller Gesundheitsberufe aus. So sollten sie nicht nur eine stärkere Rolle im Gesamtkonzert der Gesundheitsanbieter spielen, die Schaffung von Berufsregistern als qualitätssichernde Maßnahme sei voranzutreiben. Eine solche ist zum Beispiel bei den Pflegeberufen und bei den gehobenen medizinisch-technischen Diensten (MTD) noch ausständig. Bei der Ausbildung will Stöger in allen Fällen die Praxisorientierung stärken und Ausbildungen gegenseitig anrechenbar und durchgängig machen. Stöger: „Die Ausbildung muss ein zentrales Element auf höchstem Niveau bleiben!“

Bedeutung der Pflegeberufe

Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, unterstrich die Bedeutung der Pflegeberufe: Derzeit gibt es in Österreich 54.000 diplomierte Pflegefachkräfte, von denen etwa 35.000 in Krankenhäusern arbeiten. Allerdings sind aktuell 60 Prozent dieser Mitarbeiter über 40 Jahre alt; ein Nachwuchsproblem dräut daher. „Pflege ist nach wie vor ein Frauenberuf“, gibt Hundstorfer zu bedenken, „die Verweildauer im Beruf beträgt aktuell vier bis sechs Jahre“. Dabei wird der Bedarf an der Betreuung von vor allem älteren Menschen enorm anwachsen. Schon in zehn Jahren – also 2021 – wird der Anteil der über 70-Jährigen in der Bevölkerung um 16 Prozent zunehmen. 2050 werden in Österreich mehr als zwei Millionen Menschen über 70 Jahren leben.

Derzeit arbeiten etwa 30.000 freiberufliche Pflegekräfte mit Gewerbeschein in der 24-Stunden-Betreuung – ein Bereich, der weiter stark wachsen wird. Durch den Wegfall des Angehörigen-Regresses in allen Bundesländern ist auch ein Ansteigen des Interesses an Pflegeeinrichtungen wahrzunehmen, obwohl die Menschen natürlich anstreben, in den eigenen vier Wänden Betreuung zu finden. In den kommenden zehn Jahren rechnet Hundstorfer mit einem Bedarf an weiteren bis zu 18.000 Pflegekräften im stationären geriatrischen Bereich und bei den mobilen Diensten. Um diesen künftigen Bedarf zu decken, befinden sich aktuell etwa 4.500 Personen in Ausbildung für diverse Pflegeberufe – von der Altenfachpflege bis zur diplomierten Pflegeperson. Diese Zahl wird auch in den kommenden Jahren aufrecht erhalten werden müssen, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Der Minister betonte, dass „um das zu bewerkstelligen, wir im Akutbereich zusammenrücken müssen“ und sprach damit eine „Fehlbelegung in Akutspitälern“ an.

AMS: Masse statt Klasse?

Der Vorstandsvorsitzende des Arbeitsmarkt-Service (AMS), Herbert Buchinger, berichtete, dass das AMS im Jahr 2010 satte 12.000 Mal beauftragt wurde, eine Stellensuche im Bereich der Gesundheitsberufe durchzuführen. Die Nachfrage
über alle Gesundheitsberufe hinweg bezeichnete Buchinger als „stark steigend“. Das AMS, welches auch Ausbildungen finanziert, scheint jedoch dabei mehr auf Masse denn auf Klasse zu setzen. Spezielle Eignungstests, ob eine Person auch tatsächlich in einen Pflegeberuf passt, gibt es nicht, denn „man kann ja alles lernen“, so der AMS-Chef. Diese Einstellung sorgte bei den Vertretern der Gesundheitsberufe-Konferenz für Aufregung und Unmut, weil sie nicht mit dem hohen Qualitätsanspruch der Berufsangehörigen korreliert.

Auch bei der Einrichtung von Lehrpraxen spießt es sich nach wie vor. Zwar könnte – so die Ansicht beim Tag der Gesundheitsberufe – der Hauptverband durchaus die erforderlichen finanziellen Mittel (zehn bis elf Millionen Euro pro Jahr für ein Jahr Lehrpraxis, Anm.) bereitstellen, umso mehr, als er allein aus Arzneimittel-Einsparungen 70 Millionen Euro pro Jahr lukriert. Aber, so ortet ÖÄK-Präsident Dorner, „dazu fehlt der letzte Funke des politischen Willens“.

Die Gesundheitsberufe-Konferenz wird weiter tagen.

Die Mitglieder der Gesundheitsberufe-Konferenz

• Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich
• Berufsverband logopädieaustria
• Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP)
• Bundesverband der ErgotherapeutInnen Österreichs – Ergo Austria
• Bundesverband der Medizinischen MasseurInnen und HeilmasseurInnen Österreichs
• Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Österreichs – Physio Austria
• Österreichische Apothekerkammer
• Österreichische Arbeiterkammer
• Österreichische Ärztekammer
• Österreichischer Berufsverband der Biomedizinischen AnalytikerInnen – biomed austria
• Österreichischer Berufsverband der MusiktherapeutInnen
• Österreichischer Berufsverband für Psychotherapie (ÖBVP)
• Österreichische Gesellschaft für Kardiotechnik
• Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband
• Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB)
• Österreichisches Hebammen-Gremium
• Österreichische Tierärztekammer
• Österreichischer Verband der HeilmasseurInnen und med. Kneipp BademeisterInnen
• Österreichische Zahnärztekammer
• Verband der Diätologen Österreichs
• Verband der Diplomierten medizinisch-technischen Fachkräfte Österreichs (dMTF-Verband)
• Verband der OrthoptistInnen Österreichs – orthoptik austria
• Verband der RadiologietechnologInnen Österreichs – rtaustria

Dezember 2010

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2011