Kurz und informativ

10.03.2024 | Medizin

Prothese mit Temperaturempfinden entwickelt
Forschern aus der Schweiz und Italien ist es in einer Studie erstmals gelungen, natürliches Temperaturempfinden in eine funktionelle Prothese zu integrieren. Ein 57-jähriger Mann konnte mit der neu entwickelten Prothese verschiedene Materialien anhand ihrer Temperatur unterscheiden. Die Grundlage dafür schuf das gleiche Forscherteam von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und der Scuola Superiore Sant‘Anna in Pisa bereits im Mai 2023. Damals wurden Personen mit amputierten Händen Thermoelektroden auf den Armstumpf gelegt, um Rückschlüsse aus den daraus folgenden Empfindungen zu ziehen. Tatsächlich fühlten Versuchspersonen die Temperatur aber nicht am Armstumpf, sondern an der fehlenden Hand. Das Phänomen wurde von den Forschern als „thermisches Phantomempfinden“ benannt: Dabei projiziert eine bestimmte Stelle auf dem Armstumpf die Temperatur auf einen bestimmten Teil der Phantomhand. Das „Mini Touch“ genannte Gerät wurde bislang nur im Labor getestet; im nächsten Schritt soll das Konzept für eine breitere Nutzung verfügbar gemacht werden. APA/Med

Medikament stoppt Alterungsprozess
Ein Team von Wissenschaftern um Prof. Patricia Boya von der Universität Freiburg entdeckte, dass die Zellen trotz des Alterungsprozesses eine andere Art Autophagie bewahren: die Mitophagie. Dabei handelt es sich um einen auf Mitochondrien spezialisierten Vorgang. Die Forscher behandelten Mäuse mit Urolithin A, von dem bekannt war, dass es die Mitophagie anregt. Dadurch konnten bei den Mäusen Entzündungen verringert werden. Auch in Zellkulturen von älteren menschlichen Spendern konnten diese Resultate erzielt werden. Die Forscher bezeichneten dieses Konzept, altersbedingte Entzündungen und Krankheiten indirekt durch die Induktion der Mitophagie zu reduzieren, als „vielversprechenden therapeutischen Ansatz“, der „weiter erforscht werden sollte“. APA/Nature Communications

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Millionen Menschen weltweit leben mit HIV. APA/WHO

Iloprost gegen schwere Erfrierungen
Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat das Prostazyklin-Analogon Iloprost für die Behandlung von schweren Erfrierungen zugelassen. Das gefäßerweiternd wirkende Iloprost war bisher schon zugelassen – etwa für die Behandlung von pulmonaler Hypertension. Basis für die Zulassung ist eine klinische Studie mit 47 Teilnehmern, die zufällig drei Gruppen zugeordnet wurden. Eine Gruppe erhielt Iloprost per Infusion jeweils sechs Stunden täglich acht Tage lang; eine Gruppe Iloprost zusammen mit nicht zugelassenen Substanzen und die dritte Gruppe ausschließlich nicht zugelassene Substanzen. Nach einer Woche zeigte sich anhand von CTs, dass in der ersten Gruppe keine Amputation bevorstand, hingegen bei 19 Prozent der zweiten Gruppe und 60 Prozent der dritten Gruppe. Alle Teilnehmer erhielten zusätzlich Acetylsalicylsäure per Infusion. APA

KI sagt Erfolg von Rheumatherapie voraus
Wissenschafter von österreichischen und deutschen Behandlungseinrichtungen für Rheumatologie haben maschinelle Lernmodelle zur Vorhersage der Wirksamkeit von Rheumatherapien entwickelt. Sie nutzten Informationen von 1.397 Rheumapatienten über die Behandlung mit Abatacept,  Adalimumab, Certolizumab, Etanercept und Tocilizumab. Eine durch KI und Maschinenlernen entwickelte Software konnte die Behandlungsergebnisse auf Basis des AUROC-Scores vorhersagen. Ein Score von 1 stellt dabei die höchste Genauigkeit dar. Für Adalimumab lag der durch KI ermittelte Score bei 0,66, für Certolizumab sogar bei 0,84. „Die Unwirksamkeit von Biotech-Medikamenten konnte mit vielversprechender Genauigkeit vorhergesagt werden“, schrieben die Autoren um Dubravka Ukalovic vom Medizintechnikkonzern Siemens Healthcare. Dank KI-Systemen, die automatisch ihre Leistung verbessern, sei es möglich, die komplexen individuellen Einflussfaktoren auf den Therapieerfolg zu entschlüsseln. APA/Arthritis Research & Therapy

Neurodegenerative Erkrankungen: Protein als Angriffspunkt
Eine toxische Häufung des Proteins NPTX2 spielt bei neurodegenerativen Erkrankungen eine bedeutende Rolle. Das haben Forscher um Magdalini Polymenidou von der Universität Zürich herausgefunden, als sie mit einem dafür entwickelten Zellkulturmodell namens „iNets“ die komplexen Mechanismen hinter dem Absterben der Hirnzellen bei neurodegenerativen Erkrankungen erforscht haben. NPTX2 fungiert als Bindeglied zwischen dem Fehlverhalten eines anderen Proteins namens TDP-43 und dem Absterben der Nervenzellen. Die Senkung der NPTX2-Konzentration in den Neuronen wirkte dieser Degeneration entgegen. APA/Nature

Kollaterale bei Schlaganfall-Erholung entscheidend
Patienten, bei denen die Kollateralen im Gehirn weniger effektiv sind, erholen sich schlechter von einem ischämischen Schlaganfall. Das fanden Forscher um Susanne Wegener von der Universität Zürich heraus. Nach erfolgter Öffnung der Blutgefäße kam es bei Mäusen mit schlechten Kollateralen zu einer schnellen und übermäßigen Wiederdurchblutung des Gehirns; dies resultierte in Blutungen und erhöhter Sterblichkeit. Die Forscher konnten die Ergebnisse auch beim Menschen bestätigen. Bisher seien diese potenziell schädlichen Auswirkungen einer zu schnellen Wiederdurchblutung nach der Therapie vernachlässigt worden, so die Forscher. APA

West-Nil-Virus auf dem Vormarsch
Das West-Nil-Virus breitet sich zunehmend aus, vor allem im städtischen Bereich und dort, wo intensive Landwirtschaft betrieben wird. Das berichten Forscher um Lu Lu von der schottischen University of Edinburgh. Sie untersuchten die Verbreitungsgeschichte des West-Nil-Virus (WNV) in Europa anhand von Virus-Erbgutsequenzen und epidemiologischen Daten. Seit den 1960er Jahren zirkuliert das Virus in Europa. Weltweit existieren neun „Abstammungslinien“, von denen sechs in Europa vorkommen. In Europa ist WNV-2 mit 82 Prozent am häufigsten; die dominante Unterlinie namens WNV-2a macht 73 Prozent aller in Europa gefundenen Sequenzen aus. Laut den Forschern breitet sich WNV-2a mit einer Geschwindigkeit von 88 bis 215 Kilometern pro Jahr aus –hauptverantwortlich sind Vogelbewegungen. Das West-Nil-Virus wird durch Gelsenstiche übertragen. Das Risiko in Österreich, an West-Nil-Fieber zu erkranken, „ist aber nach wie vor gering“, betont die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). 2023 wurde in Österreich ein einziger Fall gemeldet; der Betroffene hat sich laut AGES vermutlich in Italien infiziert. APA/Plos Pathogens/AGES

Blutdrucksenkung durch Injektion
Die subkutane Verabreichung der in den USA entwickelten siRNA-Substanz Zilebesiran erbrachte in einer internationalen Phase-II-Studie bei 377 auswertbaren Teilnehmern gute Wirksamkeit bei milder bis moderater Hypertonie. An 78 Zentren in Kanada, der Ukraine, Großbritannien und den USA wurden insgesamt 394 Hypertonie-Patienten in die Studie aufgenommen. George Bakris von der Universität Chicago und seine Co-Autoren haben zunächst die antihypertensive Medikation abgesetzt. Im Anschluss erhielten die Probanden entweder alle sechs Monate eine Injektion mit 150 mg, 300 mg oder 600 mg Zilebesiran oder drei Monate 300 mg; 75 Probanden erhielten Placebo. In allen Verumgruppen sank der Blutdruck bereits nach drei Monaten signifikant. Je nach Kollektiv betrug die Senkung verglichen mit Placebo 14,1 bis 16,7 mmHg. Zu stärkeren Nebenwirkungen kam es bei 3,6 Prozent der Patienten unter Verum und 6,7 Prozent unter Placebo. Zilebesiran entfaltet seine Wirkung über RNA-Interferenz und zielt auf die Verhinderung der Bildung von Angiotensinogen in der Leber ab. Angiotensinogen ist die einzige Vorstufe der für die Blutdrucksteuerung beziehungsweise -erhöhung zentralen Angiotensin-Peptide ACE-I und ACE-II. APA/JAMA

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2024