Interview Stefan Nehrer: Management im Fokus

10.02.2024 | Medizin

Der Fokus der Universität für Weiterbildung Krems liegt auf berufsbegleitender Weiterbildung. Besonders der Bereich des Gesundheitsmanagements hat sich stark entwickelt, wie der Dekan der Fakultät für Gesundheit und Medizin, Univ. Prof. Stefan Nehrer, im Gespräch mit Peter Bernthaler erläutert.

Ist postgraduale Weiterbildung mittlerweile in der Medizin zu einem Standard geworden? Unser Fokus ist darauf gerichtet, die Weiterbildung mittels postgradualer Angebote zu forcieren. Das ist auch im Bereich der Medizin ein großes Thema, denn nach dem Medizinstudium braucht es noch verschiedene Angebote für eine weitere Qualifizierung. Speziell der Gesundheitsmanagement-Bereich hat sich stark entwickelt und wir sind einer der Hauptanbieter. Als Mitglieder der Österreichischen Rektorenkonferenz sind wir nun eine vollwertige Universität, die den gesamten Bereich vom Bachelor-Studium, Master-Lehrgängen bis hin zum PhD-Studium und der Habilitation abdeckt.

Welche aktuellen medizinischen PhD-Programme gibt es? Erst vor kurzer Zeit haben wir mit Evidenzsynthesen am Cochrane-Institut, Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation ein weiteres PhD-Studium akkreditiert. Zu-vor wurde ein PhD-Programm für Regenerative Medizin mit Schwerpunkt auf neuen biotechnologischen und regenerativen Verfahren zertifiziert. Weiterentwicklungen hat es etwa bei den Neuro-Wissenschaften und der Neuro-Rehabilitation sowie im Bereich Orthopädie und Traumatologie gegeben. Alle unsere medizinischen Weiterbildungsstudien beinhalten auch einen EBM-Teil, um die EBM als grundlegende Säule in der Ausbildung einzubringen. Bei meinem persönlichen Forschungsschwerpunkt Gelenke, Knorpel und Arthrose wurden Querschnittsbereiche aus der Orthopädie, Traumatologie und Sportmedizin in die Masterausbildungen aufgenommen.

Welche neuen Erkenntnisse gibt es bei Arthrose und der Knorpelregeneration? Das grundlegende Problem der Arthrose ist, dass der Knorpel degeneriert, die Symptome aber sehr variabel sind. Das Gelenk kann in eine Homöostase gebracht wer-den, obwohl es degeneriert. Das ist der Grund dafür, wieso viele, die von Arthrose betroffen sind, lange nur wenig Beschwerden haben. Rund 30 Prozent werden symptomatisch. Mit Hilfe von Platelet Rich Plasma, Eigenblut, das nach Bearbeitung ins Kniegelenk injiziert wird, können wir schmerzende Gelenke wieder in eine Homöostase bringen. Vor allem bei jüngeren Patienten zeigt dies Wirkung und dadurch kann man auch vermeiden, dass schon frühzeitig ein Gelenksersatz notwendig wird. Bei der Forschung fokussieren wir uns derzeit auf Blutprodukte, vor allem auf die Funktion der Mikrovesikel.


„In der Forschung fokussieren wir uns auf Blutprodukte wie Mikrovesikel.“


Worum geht es dabei genau? Zellen verpacken ihre Nachrichten an andere Zellen in kleine Membranbläschen, die eineMikro-RNA sowie Wachstumsfaktoren enthalten. Die Mikro-RNA in den Mikrovesikeln kann den Aktivierungsmodus einer anderen Zelle umstellen. Arthrose-Patienten haben manchmal starke Schmerzen, kommen aber auch ohne jegliche therapeutische Maßnahmen wieder in eine schmerzfreie Phase. Offensichtlich gibt es von Natur aus einen Mechanismus, der ein Gelenk wieder in eine Ruhephase bringen kann. Wir versuchen, diesen Mechanismus experimentell herzustellen, wobei eben Mikrovesikel eine entscheidende Rolle spielen. Auch bei der Stammzellen-Therapie dürfte es eine ähnliche Wirkung geben, weil auch diese Zellen Mikrovesikel exprimieren.

In welche Richtung wird es in Zukunft gehen? Ich glaube, dass es bei der Arthrose-Behandlung ähnlich wie bei der Tumor-Therapie in Richtung personalisierte Medizin geht. Wichtig ist die Früherkennung, um Maßnahmen zum Erhalt der Gelenk-homöostase individuell durchführen zu können. Dazu müssen natürlich auch der Lifestyle und die Bewegungsgewohnheiten präventiv beeinflusst werden. Als Sportmediziner war es schon immer mein Ansatz, den Präventionsgedanken in den Vordergrund zu rücken.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2024