Endometriose-Therapie: Symptomorientiert und individuell

10.03.2024 | Medizin

Ziele bei der Therapie der Endometriose sind möglichst lange Beschwerde freiheit, die Reduktion von funktionellen Beschwerden und das Vermeiden von Organ schäden.  Die Behandlung selbst erfolgt individuell aufgrund des Beschwerdebildes, abgestimmt auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der Patientin.

Martin Schiller

Steht der Schmerz als Symptom im Vordergrund, werden Analgetika in Kombination mit ergänzenden Maßnahmen eingesetzt. Reicht dies nicht aus, besteht Indikation für eine hormonelle Therapie“, sagt Univ. Prof. René Wenzl von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien. Er rät Patientinnen begleitend zur analgetischen Therapie zur Ernährungsumstellung – empfohlen wird eine mediterrane Kost – mit dem Konsum von reichlich Omega-3-Fettsäuren und Magnesium. Wenzl spricht sich auch für Maßnahmen zur Stressreduktion aus: „Die Endometriose löst viel Stress bei der Patientin aus. Entspannungsübungen oder Yoga können sich daher als sehr hilfreich erweisen.“

Die Wahl des Analgetikums erfolgt individuell. Der klassische Endometriose-Schmerz tritt in Wellen auf und hat einen krampfartigen Charakter. „Oftmals wird daher eine Kombination aus Analgetikum und Spasmolytikum eingesetzt. Im Fall von Magenbeschwerden kann die Anwendung von Diclofenac-Zäpfchen in einer Dosis von 100 mg erwogen werden“, berichtet Univ. Prof. Peter Oppelt von der Universitätsklinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie in Linz. Ist die medikamentöse Therapie erfolgreich, kann sie bis ins Klimakterium durchgeführt werden. Danach endet die Symptomatik in den meisten Fällen. „Bestehen Beschwerden weiter fort, sind sie oft nicht durch die Krankheit selbst bedingt, sondern die Konsequenz aus Endometriose-bedingten Vernarbungen“, erklärt Oppelt.

Gestagene als First-line Therapie

Gestagene reduzieren Endometriose-assoziierte Schmerzen und führen zur Atrophie von Endometrioseherden. Für ihren Einsatz in der hormonellen Behandlung der Endometriose besteht laut Wenzl eine gute Evidenz; sie stellen die Erstlinientherapie bei Frauen ohne aktuellen Kinderwunsch dar.

Zur Anwendung kommen:

  • Mini-Pille mit Desogestrel/Dienogest
  • Medroxyprogesteronacetat (MPA) als Dreimonatsspritze
  • Levonorgestrel-haltige Hormonspirale
  • Etonogestrel-Implantat

Auch kombinierte orale Kontrazeptiva können eingesetzt werden, wenn kein unmittelbarer Kinderwunsch besteht. Wenzl empfiehlt, bei leichteren Endometriose-Formen zunächst ein orales Kontrazeptivum zu versuchen. Es spiele dabei keine Rolle, ob eine Gestagen-Monopille oder eine kombinierte Pille eingesetzt werde. Jedenfalls sei zu empfehlen, die Pille in einem Langzeitzyklus über vier bis sechs Monate zu geben, da dann die Wirksamkeit besser sei, so Wenzl.

Der Einsatz der gestagenhaltigen Hormonspirale erfolgt off-label bei Dysmenorrhoe oder Adenomyose. Oppelt schildert ein Beispiel für die Anwendung: „Berichtet eine Patientin über massive Schmerzen während der Periode und starke Blutungen mit Koagel-Ausscheidung, ist das ein deutlicher Hinweis auf eine Adenomyose. Im Ultraschall wird dann gezielt nach Anhaltspunkten dafür gesucht.“ Bestätigt sich die Diagnose, stehen zwei Optionen zur Verfügung: Wünscht die Patientin keine Hormone und die Familienplanung ist abgeschlossen, stellt die Hysterektomie eine effektive Therapiemöglichkeit dar. Wenn die Patientin einer hormonellen Therapie jedoch positiv gegenüber steht, sei „eine Hormonspirale mit mindestens 50 mg Levonorgestrel in diesem Fall die ideale Therapie.“ Die Hormonspirale erweist sich außerdem als „effektive“ Behandlungsform, wenn bei der Patientin auch außerhalb der Periode Beschwerden bestehen und der Schmerz durch Palpation ausgelöst werden kann. Bei der Anwendung der Hormonspirale Mirena® macht Oppelt darauf aufmerksam, dass die Zulassung für Kontrazeption, Hypermenorrhoe und Endometriumprotektion für fünf Jahre sei. „Beim off-label-Einsatz bei Endometriose kann es aber sein, dass die medikamentöse Leistung nach drei bis vier Jahren nicht mehr ausreicht, um den Wirkstoffspiegel hoch genug zu halten, damit die Beschwerden unter Kontrolle gehalten werden können.“ In diesem Fall sei ein Tausch der Spirale notwendig.

Hoffnung auf GnRH-Antagonisten

Während GnRH-Analoga bei der Therapie der Endometriose an Bedeutung verloren haben, erweisen sich Wenzl zufolge orale GnRH-Antagonisten als „große Hoffnung“. In bisherigen Studien waren sie effektiv in der Reduktion von Dysmenorrhoe: die Nebenwirkungen waren mit Placebo vergleichbar. Durch die direkte antagonistische Wirkung an GnRH-Rezeptoren kommt es zu keinem Flare up-Effekt. Wenzl rät zur Kombination mit einer hormonellen Add-Back-Therapie. Die Anwendung kann bis zu einem unmittelbaren Kinderwunsch erfolgen. Bisher gibt es in Österreich eine Zulassung für einen GnRH-Antagonisten. „Vielversprechend“ sei laut Oppelt auch das orale Kombinationspräparat Ryeqo. Es vereint einen GnRH-Antagonisten, Gestagen und Östrogen. Bisherige Studien zeigten signifikante Verbesserungen bei Dysmenorrhoe.

Oppelt sieht in einer gründlichen, gezielten Anamnese den Schlüssel für eine erfolgreiche Therapie: „Dieser Teil der Diagnostik muss einen hohen Stellenwert erhalten. In fast 90 Prozent der Fälle lassen sich daraus bereits entscheidende Schlüsse ziehen.“ Hingegen spielt die Laparoskopie bei der Diagnostik keine Rolle mehr; für eine verlässliche Diagnose reicht der Ultraschall aus. „Durch eine gezielte Befragung kann man viele schwere Endometrioseformen bereits im Anamnesegespräch herausfiltern“, pflichtet Wenzl bei. Eine Red Flag stellen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr dar. In einem solchen Fall solle die Patientin an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden.

Bei Persistenz der Beschwerden trotz medikamentöser und hormoneller Therapie, bei unerfülltem Kinderwunsch, bei Organinfiltration und Gefahr des Verlustes der Nierenfunktion sollte ein operativer Eingriff erwogen werden. Wenzl weist besonders auf die Gefahr des Nierenstaus hin: „Hier kann es zu einer asymptomatischen Situation kommen, bei der die Niere gestaut ist ohne dass die Patientin etwas davon spürt. Es besteht absolute Indikation für eine Operation, um eine Atrophie des Organs zu vermeiden.“

Der operative Eingriff erfolgt so, dass nur ein einmaliger Eingriff notwendig ist und Rezidive vermieden werden. Eine gute präoperative Diagnostik ist erforderlich, um zu verhindern, dass man bei der Operation vom wahren Ausmaß der Erkrankung überrascht wird. „Um dieses vor dem Eingriff gut zu erfassen, ist die Bildung eines interdisziplinären Boards mit Radiologen und Chirurgen daher sinnvoll“, meint Wenzl. Werden bei der Operation nicht alle Herde saniert, erhöht sich das Risiko für persistierende Beschwerden.

Zur Rezidiv-Rate nach einer Operation werden teilweise hohe Zahlen kolportiert. Wenzl berichtet jedoch über die in einer Diplomarbeit veröffentlichten Ergebnisse, die ein anderes Bild zeigen: „Die Rezidivrate nach dem Eingriff ist gering, wenn die Sanierung der Herde sorgsam erfolgt. In unserer Untersuchung hatten wir nach fünf Jahren nur eine Re-Operationsrate von acht Prozent.“ Am ehesten kommt es zu einem Rezidiv bei Zysten am Eierstock. Oppelt versucht in solchen Fällen eine Therapie mit einem Antikonzeptivum: „Durch die geringe ovarielle Aktivität besteht die Hoffnung, das Wiederauftreten zumindest zu verzögern. Die Erfolgsrate ist diesbezüglich gut.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2024