Facharzt für Allgemeinmedizin: Erster Schritt

25.03.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Eine jahrzehntelange Forderung der Österreichischen Ärztekammer ist endlich erfüllt worden: Der Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin wurde einstimmig beschlossen und damit ein Schritt von vielen getan, um die Versorgungslücken zu schließen.

Sophie Niedenzu

Die Einführung des Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin ist Ende Februar im Nationalrat einstimmig beschlossen worden: „Damit ist unser 32-jähriger Einsatz endlich von Erfolg gekrönt“, sagt Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Er erinnert sich an den Ärztekammertag in Schruns von 1992 zurück, bei dem der Beschluss zum Facharzt für Allgemeinmedizin gefasst wurde: „Ich freue mich, dass ich die Umsetzung nun in aktiver Position mitbegleiten kann“, zeigt sich der langjährige Tiroler Allgemeinmediziner erfreut. Es sei ein harter und langer Kampf gewesen, den neben Wutscher unter anderem auch der langjährige Tiroler Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger – der von 2012 bis 2017 auch ÖÄK-Präsident war – geführt hätten, so Wutscher. Das Ergebnis sei nun die lang ersehnte und verdiente Aufwertung des Allgemeinmediziners: „Ich bin überzeugt, dass dieser Schritt nachhaltig dafür sorgen wird, dass mehr junge Ärzte als Allgemeinmediziner tätig sind“, sagt Wutscher. Zufrieden zeigte sich auch Susanne Rabady, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM): „Wir sind froh, dass endlich die Anerkennung der Allgemein- und Familienmedizin als spezifisches Fach mit speziellen Aufgaben, Fähigkeiten und Möglichkeiten erfolgt ist“, sagt sie. Es sei nun das Tor zu einer angemessenen fachspezifischen Ausbildung geöffnet worden.

Stufenweiser Ausbau

Das neue Sonderfach befasst sich mit der ganzheitlichen, kontinuierlichen und koordinativen medizinischen Betreuung des gesamten menschlichen Lebensbereiches, was auch durch den Zusatz „Familienmedizin“ im Titel zum Ausdruck kommen soll. Teil der fünfjährigen fachärztlichen Ausbildung sind die Integration von Fächern wie Innere Medizin oder Kinder- und Jugendheilkunde; zudem soll viel praktische Erfahrung im beruflichen Alltag gesammelt werden. Eine Übergangsbestimmung sieht einen stufenweisen Ausbau der Dauer der Ausbildung in der Sonderfach-Schwerpunktausbildung über mehrere Jahre hinweg vor: „Die Ausbildung wird sukzessive jeweils um drei Monate verlängert, so ist ein fließender Übergang zum Facharzt möglich, ohne dass uns durch die Ausbildungsänderung kurzfristig Allgemeinmediziner fehlen, es entstehen also keine Versorgungslücken“, sagt Wutscher. Die zwölfmonatige Lehrpraxis wird ebenfalls stufenweise adaptiert und wird mit Ende der Übergangszeit final 24 Monate dauern. „Mit der längeren Lehrpraxis wir die tägliche Arbeit als Allgemeinmediziner noch viel konkreter und direkter erfasst“, betont Wutscher.

Jeder Allgemeinmediziner, der mindestens zwei Jahre in der Primärversorgung tätig war – und davon innerhalb der vergangenen zwei Jahre mindestens sechs Monate –, kann mit 1.1.2025 um den Facharzt ansuchen. Ärzte in Ausbildung haben die Wahlmöglichkeit, wenn sie die Ausbildung vor 1. Juni 2026 begonnen haben, diese nach dem derzeit geltenden Recht abzuschließen, oder aber in die neue fachärztliche Ausbildung überzutreten. Alle, die nach dem 1. Juni 2026 mit der Ausbildung beginnen, sind automatisch in der neuen Ausbildungsordnung.

Weitere Schritte müssen folgen

Der Facharzt werde den Mangel an Allgemeinmedizinern etwas entspannen, aber es müssten weitere Schritte folgen, um die Allgemeinmedizin zu stärken und zu fördern, ist Wutscher überzeugt. Ein wichtiger Aspekt seien etwa Lehrstühle für Allgemeinmedizin an allen Medizinischen Universitäten, wie das in Tirol der Fall sei: „Die Vorlesungen sind sehr gut besucht, was auch zeigt, dass die Allgemeinmedizin für die zukünftige Generation als Betätigungsfeld grundsätzlich interessant ist“, sagt Wutscher. Um die Allgemeinmedizin wieder als medizinisches Fach zu stärken, müssten auch die Arbeitsbedingungen verändert werden: „Dazu gehört neben einem einheitlichen Leistungskatalog auch eine leistungsbezogene Honorierung und flexible Zusammenarbeitsformen“, betont Wutscher: „Ein Gesamtpaket ist notwendig, um unser ausgezeichnetes Gesundheitssystem auch langfristig erhalten zu können“, ist er überzeugt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2024