BKAÄ: Primararzt-Referat – Primäres Problem

10.02.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Neben dem akuten Ärztemangel, unbesetzten Dienststellen in den Spitälern und den damit verbundenen Versorgungsengpässen im Gesundheitssystem gibt es noch ein weiteres Phänomen – und zwar ein Problem auf Führungsebene: Karriere in unseren Spitälern zu machen ist out, daher sinkt die Nachfrage, Primararzt zu werden, dramatisch.

Thorsten Medwedeff

Kennen Sie ein gutes Synonym für Tausendsassa, Wunderwuzzi oder Alleskönner? Wir verraten Ihnen eines: Primararzt. Denn genau das ist es, was ein Primararzt in den heimischen Spitälern aktuell sein muss, um bestehen zu können. Dieser soll grandiose Führungspersönlichkeit und hochspezialisierter Spitzenmediziner in einem sein und auch noch Top-Management-Fähigkeiten mitbringen, um die Abteilung wirtschaftlich-strategisch und organisatorisch erfolgreich führen zu können. Gleichzeitig soll sich der Primar aber auch um die Ausbildung, gute Stimmung, Motivation bzw. auch um die Gesundheit und Karriereplanung der Mitarbeiter in der Abteilung kümmern. Und last but not least gilt er auch noch als eiserne Reserve für alle Dienste, wenn es aufgrund der jahrelangen, teils mangelhaften Personalplanung der Spitalsträger Personalengpässe gibt und es in der Abteilung „brennt“. Und das bei einem Grundgehalt, das längst nicht mehr den zu erbringenden Leistungen entspricht.

„Da die Nachfrage deutlich gesunken ist, kompensieren die Träger dies mit Doppelt- oder Dreifach-Primariaten, um diese Engpässe gänzlich zu verschleiern“, moniert Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. „Wir haben also nicht nur das Problem, dass wir es kaum schaffen, unsere Jungärzte im Land zu halten, sondern auch das Problem, dass bei uns unter diesen Umständen eigentlich niemand mehr in einem Spital Karriere machen, sondern sobald wie möglich das öffentliche Gesundheitssystem verlassen will. Wenn wir jetzt nicht schnell umdenken und handeln, droht auch dem Führungssystem der Kollaps.“

Schon jetzt bleibt den Primarii keine Zeit mehr, um auch noch als Ansprechpartner für die Ausbildungsärzte da zu sein oder sich als Wissensvermittler um die Turnusärzte zu kümmern. Mayer: „Aber eine gute Ausbildung ist uns Ärzten ein wahrhaft sehr großes Anliegen – und sichert langfristig die Qualität der Gesundheitsversorgung in Österreich.“

Zeit für Veränderungen

Die Bundeskurie angestellte Ärzte (BKAÄ) der Österreichischen Ärztekammer hat sich bereits per Kurienbeschluss ausnahmslos gegen die Vergabe von Doppel- und Mehrfachprimariaten ausgesprochen, auch darf es kein Ausnutzen der Primarii für Nachtdienste geben, nur weil diese von den rechtlichen Schutzbestimmungen im Krankenanstaltenarbeitsgesetz (KA-AZG) ausgenommen sind.

Neue Führungsrollen

„Man muss auch neue Ideen andenken dürfen, etwa geteilte Abteilungsführungen oder Teilzeitmodelle mit klaren Spielregeln“, sagt Rudolf Knapp, Leiter des Primarärzte-Referats der Österreichischen Ärztekammer und stellvertretender BKAÄ-Obmann. Der Tiroler Radiologe ist selbst Primar und weiß um die Komplexität der Funktion, „die letztlich immer danach ausgerichtet ist, dass sich Medizin optimal entfalten und den Patienten dienen kann“. Dazu gehören auch interdisziplinäre Zusammenarbeit und die intensive Kooperation mit der Verwaltung der jeweiligen Krankenanstalt. Knapp betont: „Systemgrenzen zwischen Medizin und Administration müssen von Primarärzten durch sachliches, medizinisch korrektes, aber auch ökonomisches Handeln überwunden werden. Im Zusammenspiel mit der Administration hat stets das medizinisch richtige Argument zu gelten.“

In diesem Fadenkreuz von Kooperationen und bürokratischen Zwängen – bedingt durch die nicht optimalen Rahmenbedingungen – fehlt oft die Zeit für jene Tätigkeiten, für die der Primararzt ebenfalls zuständig und ihm ein ärztliches Anliegen ist: Zeit für die Ausbildung, Zeit, im Detail auf die jeweiligen Karrieremodelle und persönlichen Wünsche und Bedürfnisse der ärztlichen Mitarbeiter bedacht zu haben und einzugehen, sowie Zeit für die direkte Weitergabe von Berufserfahrung und Expertise an die jungen Kollegen im Rahmen von Tutorien. „Nur wenn dafür Zeit geschaffen wird, werden wir auch künftig unsere Primariate wieder leichter und besser besetzen können. Und gleichzeitig werden wir es nur durch verbesserte Arbeitsbedingungen – egal ob für Primarii oder andere ärztliche Mitarbeiter – schaffen, dass es wieder ein erstrebenswertes Ziel ist, angestellter Arzt zu sein, vom Beginn der Ausbildung bis zur Pensionierung. Das ist momentan überwiegend nicht der Fall“, so Knapp.

„Aber so, wie der Beruf des Primars derzeit ausgestaltet ist, wirkt er eher abschreckend. So will niemand sein Leben lang Karriere im Spital machen“, befindet BKAÄ-Obmann Harald Mayer. „Es müssen Lösungen gefunden werden, ihn von verwaltungstechnischen und bürokratischen Aufgaben zu befreien, damit er diese delegieren kann und darf, aber auch, dass der Primar die Zeit bekommt, fachlich am Ball zu bleiben und weiter operieren und sich um die Ausbildung der Jungärzte kümmern zu können – so wie sich es diese und auch er selbst wünschen. Apropos wünschen: Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang das dafür derzeit viel zu niedrige Gehalt. Dieses steht längst nicht mehr im korrekten Verhältnis zu den geleisteten Stunden und der Verantwortung als Primärztin bzw. Primararzt.“


Kommentar Christoph Steinacker: Änderung der Definition der Primarärztin bzw. des Primararztes

Christoph Steinacker*

im Rahmen des Finanzausgleichs wurde das Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024 (VUG 2024) beschlossen und mit BGBl I 191/2023 am 31.12.2023 kundegemacht. Neben zahlreichen Bestimmungen und Änderungen, etwa zum Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz oder Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, wurde im ÄrzteG auch die Definition des Primararztbegriffes in § 43 Abs. 6 novelliert. Die gesetzliche Bestimmung lautet nun:


Die Berufsbezeichnung „Primarärztin/Primararzt“ oder „Primaria/Primarius“ dürfen nur die Ärztinnen/Ärzte führen, die

  1. in Krankenanstalten dauernd mit der ärztlichen Leitung einer bettenführenden Abteilung betraut sind oder
  2. mit der ärztlichen Leitung einer Organisationseinheit für Krankenbehandlung oder eines selbständigen Ambulatoriums betraut sind und denen mindestens zwei zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Ärztinnen/Ärzte in Vollzeitbeschäftigung (oder mehrere zur selbständigen Berufsausübung berechtigte teilzeitbeschäftigte Ärztinnen/Ärzte im Ausmaß zweier Vollzeitäquivalente) unterstellt sind.

Die Änderung zur vorherigen Definition ergibt sich daraus, dass nach der „alten“ Definition nur jene Ärztinnen und Ärzte diesen Titel führen durften, deren Abteilung über mindesten 15 systemisierte Betten verfügte und der Leitung mindestens ein Arzt unterstellt war. Der Wegfall der Bettengrenze trägt der zunehmenden „Ambulantisierung“ Rechnung (siehe dazu auch die Erläuternden Bemerkungen). Zukünftig ist der Titel „Primaria/Primarius“ auch Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin zugänglich. Darüber hinaus sind nun auch „Monoprimariate“ denkbar.

Der Unterschied zur Ziffer 2 ergibt sich darin, dass der ehemalige Begriff des „Instituts“ durch „Organisationseinheit für Krankenbehandlung“ ersetzt wurde sowie das Beschäftigungsausmaß bzw die ehemalige „Hauptberuflichkeit“ im Sinne von Vollzeitbeschäftigung definiert wurde. Die Klarstellung ist zu begrüßen, wobei bei einer Vollzeittätigkeit wohl (in Analogie zu § 47a Abs. 1 ÄrzteG) von 40 Wochenstunden auszugehen ist.

Im Fazit ist diese Novelle wohl zu begrüßen, da sie klarer definiert, welche Ärztinnen und Ärzte sich als Primaria bzw. Primarius bezeichnen dürfen, jedoch war diese Änderung vorab nicht mit der Standesvertretung abgestimmt, was zukünftig zu begrüßen wäre.

*) Dr. Christoph Steinacker ist Abteilungsleiter der Bundeskurie angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer und lehrt an verschiedenen Universitäten.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2024