BKAÄ – Interview Harald Mayer: Ausbildungsevaluierung 2024 – Noch nicht gut genug

25.02.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

Am 4. März startet die Ausbildungsevaluierung 2024. Dann werden die Fragebögen an die stimmberechtigten Turnusärzte verteilt, um anonym die ärztliche Ausbildung in der eigenen Abteilung zu bewerten. 2023 lag der Rücklauf bei erfreulichen 44,32 Prozent. Dieser Wert soll noch viel besser werden – das gilt auch für die Ausbildung an sich, wie Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, im Interview mit Thorsten Medwedeff betont.

Die Ausbildungsevaluierung 2023 war die bisher größte, die je in Österreich durchgeführt wurde – was waren die zentralen Ergebnisse? Die ärztliche Ausbildung in Österreich ist okay, aber definitiv noch nicht gut genug, daher ist dringend Handlungsbedarf gegeben, um konkurrenzfähig zu bleiben. Es hat sich gezeigt, dass kleinere Abteilungen deutlich besser ausbilden und besser beurteilt wurden – da müssen sich große Abteilungen noch mehr bemühen und haben dies hoffentlich im vergangenen Jahr seit der Befragung auch getan! Das werden uns ja bald die neuen Umfrage-Ergebnisse zeigen. Erfreulich war die sehr gute Beurteilung der Lehrpraxen, eher schlecht sind aber die Basisausbildung und die Vermittlung der evidenzbasierten Medizin weggekommen.

Die Teilnahme war grundsätzlich erfreulich, was ist das Ziel für heuer? Der Rücklauf war mit 44,32 Prozent gut, jeder Einzelne, der mitgemacht hat, verdient sich ein großes Dankeschön. Aber die Teilnahme war noch nicht gut genug. Das können wir besser – und ich hoffe sehr, dass sich das in diesem Jahr zeigt und wir schon an die Rücklaufquote anklopfen, die es bei derartigen Umfragen in der Schweiz gibt. Dort liegt sie bei 71 Prozent. Wir haben in der Bundeskurie angestellte Ärzte in den vergangenen Monaten alles dafür getan und Überzeugungsarbeit geleistet, damit wir 2024 über die 50 Prozent springen sollten. Ich möchte an alle Turnusärzte appellieren: Bitte nutzen Sie diese Chance und machen Sie mit!


„Bitte nutzen Sie diese Chance und machen Sie mit!“ Harald Mayer


Warum wurden die 50 Prozent im Vorjahr nicht erreicht? Zum einen, dass es leider in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und der Steiermark nicht gelungen ist, mehr als 39 Prozent zur Teilnahme zu bewegen. Zum anderen, dass durchaus große Abteilungen mit über elf gemeldeten Turnusärzten in Sonderfach und Allgemeinmedizin eine 0%-Rücklaufquote aufgewiesen haben. Das darf einfach nicht passieren. Wir müssen als Ärzte die eigene Ausbildung wirklich sehr ernst nehmen – sonst werden die Politik und die Spitalsträger unsere Forderungen, eine Ausbildungsoffensive zu starten oder in jeder Abteilung, in der ausgebildet wird, mindestens einen Ausbildungsoberarzt zu installieren und alle offenen Ausbildungsstellen endlich zu besetzen, ebenfalls nicht ernst nehmen. Da stehen wir als Ärzte in der Verantwortung!

Diese Verantwortung ist umso größer, weil ja, wie Sie schon öfter betont haben, die Politik die Ausbildung gar nicht kontrolliert, obwohl es die Aufgabe der Bundesländer wäre … Korrekt. Die Bundesländer haben sich die Kompetenz für die Festlegung und Qualitätskontrolle der Ärzte-Ausbildungsstellen mit 1. Jänner 2023 von der Österreichischen Ärztekammer „gekrallt“, die das davor jahrzehntelang mit unabhängiger Expertise und medizinischer Fach-Kompetenz abgewickelt hat. Warum die Länder ihren Pflichten nicht nachkommen, ist unerklärlich. Gleiches gilt für die seit Monaten fehlende Visitationsverordnung durch den Gesundheitsminister – deshalb finden gar keine Vor-Ort-Kontrollen der Ausbildungsabteilungen mehr statt. Umso wichtiger ist es, dass wir als ÖÄK uns um die gute Ausbildung unserer Ärzte und die Überprüfung der Qualität sorgen, wenn es schon sonst niemand macht. Dafür ist die Ausbildungsevaluierung das perfekte Tool. Wenn die Politik dieser Aufgabe, die sie ja unbedingt haben wollte, nicht nachkommen will oder kann, dann sollte sie die Zuständigkeit bitte wieder an die Österreichische Ärztekammer übertragen. Wir sind jederzeit dafür bereit.

Sich um die Ausbildung zu kümmern, ist ja angesichts der teilweise alarmierenden Ergebnisse der Ausbildungsevaluierung dringend nötig, wenn wir uns etwa den Faktor Zeit anschauen. Können Sie uns das erläutern? Die Umfrage hat gezeigt, dass es für alles zu wenig Zeit gibt, für die Ausbildung an sich, aber auch für das Privatleben oder die Kinderbetreuung. Die Vereinbarkeit von Job und Privatem ist äußerst mangelhaft, befinden unsere Turnusärzte. Auf einer Skala von 1 bis 6 wurde die Frage, ob man die Ausbildung in der vertraglich fixierten Arbeitszeit zur eigenen Zufriedenheit erfüllen könne, nur mit 3,67 bewertet. In der Schule wäre das gerade noch ein schlechtes Genügend. Wir fordern daher, dass mindestens 20 Prozent der gesetzlich geregelten Arbeitszeit für echte Ausbildung verbindlich reserviert sein muss! Und auch das Angebot für Teilzeitarbeitmodelle oder Kinderbetreuung lässt zu wünschen übrig. Wenn Spitalsträger und Politik dem nicht schleunigst entgegensteuern, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn uns die Jungärzte weiterhin davonlaufen. Derzeit gibt es jährlich rund 1.800 Medizinstudium-Absolventen in Österreich. Ginge man mit ihnen anständig um, würden mehr als nur 800 pro Jahr bei uns im Land bleiben. So reiben sich nur skandinavische Länder, aber insbesondere Deutschland und die Schweiz die Hände und freuen sich über Jungärzte aus Österreich.

Apropos Schweiz – ein Vergleich der Ausbildungsevaluierung in Österreich mit jener in der Schweiz, mit demselben Instrument für die Auswertung, hat gezeigt, dass die Ausbildung bei unseren Nachbarn weitaus besser beurteilt wird – wieso? Unser Partner, die ETH Zürich, die auch für die Entwicklung und Auswertung der Fragebögen bei uns verantwortlich zeigt, hat das analysiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass es durch eine kontinuierliche Evaluierung der Ausbildung in Österreich – so wie es die Schweiz seit Jahren macht – zu einer weiteren Verbesserung bei uns kommen kann und voraussichtlich auch wird. Sinnvoll sind in diesem Zusammenhang nicht nur aus Sicht der Bundeskurie angestellte Ärzte, sondern explizit auch aus Sicht der ETH Zürich, die Durchführung von Visitationen an ausgewählten Ausbildungsstätten. Aber dazu fehlt ja, wie oben erwähnt, die Verordnung.

Worum geht es in diesem Jahr bei den Modulfragen, die zusätzlich zu den Basisthemenfeldern abgefragt werden? Wir werden die Einstellung der Turnusärzte zu bürokratischen Aufgaben abfragen: Wie groß ist dafür der Zeitaufwand, welche Wünsche und Herausforderungen gibt es hierbei? Die zweite Frage zielt auf die finanzielle Zufriedenheit mit dem Arzt-Beruf im 21. Jahrhundert: Werden die steigende Verantwortung und die ständig wachsenden Aufgaben im Spitalsalltag den Verhältnissen entsprechend abgegolten? Deckt das die wichtigsten Lebensbedürfnisse trotz der aktuell vorherrschenden Inflation ausreichend ab? Hier sind wir sehr gespannt auf die Ergebnisse und individuellen Einschätzungen.

Noch einmal kurz zusammengefasst, was sind Ihre Wünsche für die Ausbildungsevaluierung 2024? Ganz weit vorne steht der Wunsch, dass sich zeigt, dass die Ergebnisse der Umfrage von 2023 ernst genommen wurden und dass sich die Ausbildung in vielen Abteilungen deutlich verbessert hat. Schön wäre natürlich auch eine Rücklaufquote, die jener der Schweizer sehr nahekommt, also alles, was über 60 Prozent liegt, würde mich sehr freuen. Vor allem in Wien, in Niederösterreich und in der Steiermark muss mehr möglich sein als die nicht einmal 40 Prozent Rücklauf. Und abschließend hoffe ich, dass der neue Gesundheitsminister, der im Herbst bestimmt werden wird, mehr Interesse an den Ergebnissen der Ausbildungsevaluierung und den Schlussfolgerungen zeigt, als der noch amtierende, der uns leider standhaft ignoriert hat.

Alle Ergebnisse der Ausbildungsevaluierung 2023 sind transparent und im Detail bis auf Abteilungsebene hier auf der Website der Österreichischen Ärztekammer abrufbar: https://www.aerztekammer.at/ausbildungsevaluierung. Die Fragen umfassten folgende Bereiche, die auch 2024 wieder abgefragt werden: Globalbeurteilung der Ausbildungsstätte; Fachkompetenz; Lernkultur; Führungskultur; Fehlerkultur und Patientensicherheit; Entscheidungskultur; Betriebskultur; Evidenzbasierte Medizin.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2024