Ausbildungsevaluierung: Ein großer Erfolg

25.01.2024 | Aktuelles aus der ÖÄK

In der Schweiz und Österreich wurde 2023 das gleiche Instrument für die Evaluierung der Ausbildung der angehenden Fachärzte sowie der Ärzte für Allgemeinmedizin benutzt. Ein vergleichender Blick auf die Resultate der beiden Länder hinsichtlich ausgewählter Fragen zeigt: Das neu eingeführte Evaluierungssystem in Österreich hat sich bewährt.

Seit 20 Jahren wird in der Schweiz jedes Jahr mittels schriftlicher Befragung die Qualität der Ausbildung gemessen. Der Fragebogen beinhaltet verschiedene Fragen zur Ausbildungssituation und zu den damit verbundenen Arbeitsbedingungen. Ziel der Befragung ist es, den Ausbildungsverantwortlichen ein jährliches Feedback darüber zu geben, wie die Ausbildung von den Turnusärzten beurteilt wird. Außerdem werden die Resultate dazu genutzt, Verbesserungen in der Ausbildung anzustoßen. In Österreich fand 2023 erstmals eine bundesweite Ausbildungs-evaluierung statt, bei welcher alle Ärzte in Ausbildung einen Fragebogen zur Beurteilung der Ausbildung (in Anlehnung an den Schweizer Fragebogen) erhielten.

Die Qualität der Ausbildung wird anhand von 57 Fragen gemessen und umfasst folgende Aspekte: Globalbeurteilung, Fachkompetenzen, Lernkultur, Führungskultur, Betriebskultur, Entscheidungskultur, Fehlerkultur und Evidence based Medicine. Die Beantwortung der Fragen erfolgt auf einer Skala von 1=trifft überhaupt nicht zu bis 6=trifft voll und ganz zu. Die Ärzte in Ausbildung erhalten den Fragebogen jeweils vom Primararzt oder dem ärztlichen Direktor der Ausbildungsstätte und schicken diesen persönlich mittels Rückantwortkuvert anonym an die ETH Zürich zurück. In der Schweiz retournierten 2023 insgesamt 9.683 Personen in Ausbildung (Rücklaufquote: 71%) den Fragebogen und in Österreich 3.976 (Rücklaufquote: 44%). Die für eine erstmalige Befragung hohe Rücklaufquote in Österreich war überraschend positiv.

Allgemein zeigt sich, dass in der Schweiz die Ausbildung besser beurteilt wurde als in Österreich (siehe Abb. 1). Dies spiegelt sich auch im Kennwert (gewichteter Mittelwert über alle Dimensionen) wider (Ö: 4.49, CH: 4.89). Besonders groß ist der Unterschied zwischen den beiden Ländern bei der Dimension „Evidenzbasierte Medizin“, hier hat die Schweiz deutlich besser abgeschnitten (Ö: 3.67, CH: 4.48).

Wird der Kennwert für die sechs größten Fächer in der Schweiz und Österreich betrachtet, zeigt sich ein interessantes Bild (siehe Abb. 2). Einige Fächer schneiden in der Schweiz und in Österreich nämlich fast gleich ab. So liegt der Kennwert für das Fach „Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie“ in Österreich bei 4.59, dies ist vergleichbar mit dem Wert für „Chirurgie“ in der Schweiz. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Fächern „Anästhesiologie und Intensivmedizin“ und „Kinder- und Jugendheilkunde“ in Österreich verglichen mit den Fachrichtungen „Anästhesiologie“ und „Kinder- und Jugendmedizin“ in der Schweiz. Für einzelne Fächer konnten aber deutliche Unterschiede zwischen den beiden Ländern beobachtet werden.

Die Abb. 3 zeigt für beide Länder ein erfreuliches Bild: Ein Großteil der Ausbildungsstätten weist einen genügenden Kennwert von größer als 3.5 auf. Die Mehrheit der Ausbildungsstätten in der Schweiz hat sogar eine Gesamtbeurteilung zwischen 5 und 6 erhalten. Rund die Hälfte der Ausbildungsstätten in Österreich liegt zwischen 4.5 und 5.5.

Schweiz vergleichsweise besser

Ein Vergleich der beiden Länder zeigt, dass die Ausbildung in der Schweiz insgesamt besser beurteilt wird als in Österreich. Besonders groß ist der Unterschied für evidenzbasierte Medizin. Interessanterweise werden aber einzelne Fächer in den beiden Ländern sehr ähnlich beurteilt. Strukturelle Unterschiede in der Ausbildung der beiden Länder scheinen also nicht alleine für die beobachteten Unterschiede verantwortlich sein. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass in Österreich noch Verbesserungspotential ausgeschöpft werden kann. Eine kontinuierliche Evaluierung in Österreich könnte daher zu einer weiteren Verbesserung und dadurch zu einer Angleichung an die Schweiz führen. Sinnvoll ist aus Sicht der ETH Zürich und der Bundeskurie angestellte Ärzte (BKAÄ) daher die Durchführung von Visitationen an ausgewählten Ausbildungsstätten.

Der Fragebogen hat sich in der Schweiz als ein etabliertes, reliables und hilfreiches Tool für die Qualitätssicherung der ärztlichen Ausbildung bewährt. Auch in Österreich war die Umsetzung der ersten Befragung erfolgreich. Der Fragebogen ist ein wichtiges Instrument, um die Qualität der Ausbildung in den Ausbildungsstätten auf einem hohen Niveau zu gewährleisten oder zu verbessern. Es lassen sich damit nicht nur Ausbildungsstätten mit Qualitätsproblemen identifizieren, die Ergebnisse liefern generell Impulse für Verbesserungen. In Österreich startet im März 2024 die nächste Ausbildungsevaluierung.



Kommentar Dr. Harald Mayer

Über 44 Prozent der Turnusärzte haben bei der Ärzte-Ausbildungsevaluierung 2023, der umfassendsten, die je durchgeführt wurde, mitgemacht. Das ist das Dreifache im Vergleich zu üblichen Online-Umfragen und überaus positiv, aber im neuen Jahr wollen wir unbedingt die 50-Prozent-Marke knacken. Helfen Sie uns dabei und lassen Sie der eigenen Ausbildung und ihrer Qualitätskontrolle noch mehr Bedeutung zukommen. Denn was nicht mehr passieren darf: dass große Abteilungen mit mehr als zehn gemeldeten Turnusärzten in Ausbildung zum Facharzt oder Allgemeinmediziner eine 0%-Rücklaufquote haben. Je mehr Rücklauf, desto genauere Auswertungen! Nur, wenn wir selbst die Ausbildung ernst nehmen, wird das auch die Politik tun. Denken Sie bitte daran, wenn Sie die Fragebögen in der Hand halten!

Dr. Harald Mayer
2. Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer

Kommentar Monika Brodmann Maeder

Die jährliche Befragung der Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung, die in der Schweiz seit mehr als zwanzig Jahren durchgeführt wird, ist einer der Grundpfeiler der Qualitätskontrolle der Ausbildung. Durch den transparenten Prozess geben die Resultate den Leiterinnen und Leitern der Ausbildungsstätten Hinweise, wie sie ihren Auftrag noch besser erfüllen können. Es können aber auch Ausbildungsstätten identifiziert werden mit einer ungenügenden Qualität der erteilten Ausbildung. Vor allem aber werden die Resultate, die auf der Website des SIWF publiziert werden, von den Ärztinnen und Ärzten genutzt für ihre Stellenplanung: Ausbildungsstätten mit exzellenten Beurteilungen haben gerade auch in der jetzigen Zeit viel weniger Probleme, ihre Stellen zu besetzen.

Monika Brodmann Maeder
Präsidentin SIWF Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung


Dieser Artikel erscheint sowohl in der Schweizerischen Ärztezeitung (SÄZ) als auch in der ÖÄZ.

An den Ausbildungsevaluierungen und deren Analyse waren führend beteiligt: Michael Siegrist: Professor für Consumer Behavior, ETH Zürich, Larissa Luchsinger: wissenschaftliche Mitarbeiterin, Consumer Behavior ETH Zürich, Anne Berthold: Senior Researcher, Consumer Behavior ETH Zürich, Harald Mayer: Vizepräsident der ÖÄK, Christoph Steinacker: Abteilungsleiter Bundeskurie angestellte Ärzte, Daniel von Langen: Vorsitzender des ÖÄK-Bildungsausschuss, Monika Brodmann Maeder: Präsidentin SIWF

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2024