Portrait Melanie Korbelius: Zwei-Speicher-Hypothese bei Lipiden

09.06.2023 | Politik

Im Darm könnte es zwei verschiedene Arten von Lipidspeichern geben – sagt die Grazer Biochemikerin und Molekularbiologin Melanie Korbelius nach Versuchen an Mäusen. Um die Funktionsweise der beiden Speicherarten genauer analysieren zu können, wurden sie mit dem L’Oréal-Stipendium „For Women in Science“ ausgezeichnet.

Ursula Scholz

Schon im Zuge ihrer Dissertation im Rahmen des Doktoratskollegs „Metabolic and Cardiovascular Disease“ legte Melanie Korbelius den Fokus auf temporäre Lipidspeicher in Enterozyten. Dabei machte sie die erstaunliche Entdeckung, dass genmanipulierte Mäuse prall gefüllte Lipidspeicher aufwiesen, ohne dass dies Auswirkung auf die Blutfette gehabt hätte. Obwohl die Fette im Speicher steckten, waren die Blutfettwerte nicht niedriger. „Vielmehr kristallisierte sich in unserer Arbeit die Hypothese heraus, dass es zwei verschiedene Arten von Lipidspeichern im Darm geben könnte: einen für die Nahrungsfette, der auf der apikalen Seite dafür zuständig ist, dass die Lipoproteine in die Blutbahn abgegeben werden, um die Organe mit Energie zu versorgen, und einen zweiten, der auf der basolateralen Seite dafür sorgt, dass zur Energiegewinnung vor Ort auch Lipide aus der Blutbahn in die Darmzellen wiederaufgenommen werden“, erklärt Korbelius. Könnte sie nun in ihrer Forschungsarbeit am Gottfried Schatz-Forschungszentrum für zelluläre Signaltransduktion, Stoffwechsel und Altern an der Medizinischen Universität Graz die Funktionsweise der beiden Speicherarten genauer analysieren und sie verlässlich voneinander unterscheiden, ließen sich durch diese Erkenntnisse möglicherweise therapeutische Angriffspunkte für die Kontrolle von Blutfetten identifizieren.

Um die beiden Fettspeicher zu isolieren, zu analysieren und sie anhand ihrer Oberflächenproteine identifizieren zu können, erhielt Melanie Korbelius das mit 25.000 Euro dotierte L’Oréal-Stipendium „For Women in Science“ zugesprochen, das der Konzern in Kooperation mit der UNESCO und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vergibt. Erste Anhaltspunkte haben sich bereits aus bisherigen Forschungen am Mausmodell ergeben: Genetisch manipulierte

Mäuse, die die Adipose-Triglyceride-Lipase (ATGL) nicht bilden können und denen auch der dazugehörige Coaktivator CGI-58 für den Fettabbau fehlt, pumpten selbst bei fettfreier Fütterung oder in 16-Stunden-Fastenperioden ihre Lipidspeicher im Darm mit Triglyzeriden voll. Auswirkung auf ihre Blutfettwerte hatte diese enorme Fettansammlung jedoch keine. Nun geht es unter anderem darum, den Weg der Fette durch den Körper mit Hilfe von Fluoreszenz-markierten Lipiden nachzuverfolgen, die den Mäusen via Magensonde oder intravenös verabreicht werden.

Korbelius hat zum Vergleich mit der ATGL-Knockout-Maus, aber auch mit dem Wildtyp ein Konstrukt für Mäuse entwickelt, bei denen das für die ATGL-Produktion zuständige Gen überexprimiert wird. Durch die Analyse dieser drei Maus-Varianten möchte sie jene Oberflächenproteine der beiden Fettspeichertypen identifizieren, über die jeweils nur einer verfügt. Ein besonderes wissenschaftliches Highlight wäre die Entdeckung eines weiteren durch spezifische Oberflächenproteine aktivierten Enzyms, das den nicht-ATGL-beeinflussten Speicher abbaut.

Mutterschaft und Forschung vereinbaren

Vorerst läuft die Arbeit nur langsam an, da der Lebensmittelpunkt von Korbelius in der gemeinsamen Zeit mit ihrem Sohn, der wenige Wochen nach der Preisverleihung zur Welt gekommen ist, liegt. „Es war ein eigenartiges Gefühl, während der Schwangerschaft einen Forschungspreis zugesprochen zu bekommen. Aber gerade bei einem Frauenförderpreis finde ich es gut, wenn er flexibel an ein Frauenleben angepasst werden kann, wie das bei diesem Stipendium der Fall ist.“ Einen Review über die lysosomale saure Lipase (LAL), ein anderes Enzym im Fettabbau, hat sie noch im Mutterschutz geschrieben und auch mit der Mäusezucht beschäftigt sie sich schon während ihrer Babypause. Während sie arbeitet, betreuen der Vater oder die Großeltern das Baby. Ganz ohne ihre Forschungsarbeit kann die junge Wissenschaftlerin ohnehin nicht leben, zu sehr fasziniert sie diese. In ihrer Mentorin, der Biochemikerin Univ. Prof. Dagmar Kratky – sie hat den Lehrstuhl für Molekularbiologie und Biochemie an der MedUni Graz inne – hat sie ein großes Vorbild einer zielstrebigen Frau gefunden. Kratky sei es gelungen, Mutterschaft und international erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit miteinander zu vereinbaren.

Mehr als Routine

Zu Dagmar Kratky und damit zur Stoffwechselforschung kam Korbelius „durch glückliche Fügung“. Ihre ursprünglichen Pläne, Medizin zu studieren, hatte sie schon vor der Matura ad acta gelegt. „Dieses Studium dauert mir zu lange, habe ich mir damals gedacht. Letztlich habe ich bis zum PhD sogar noch länger gebraucht“, erzählt sie lachend. Voller Zuversicht hatte sie sich an der Fachhochschule angemeldet, um Biomedizinische Analytik zu studieren. Ohne Plan B, aber überzeugt davon, aufgenommen zu werden. Dieser Optimismus begleitet sie durch diverse Phasen ihres (Berufs-)Lebens. „Ich habe auch schon einmal ein halbes Jahr mit Experimenten verbracht, die nicht funktioniert haben. Das gehört zu dieser Form von Arbeit einfach dazu.“ Durch diverse Praktika kam sie zur Erkenntnis, dass sie die Routinearbeit bei der Aufbereitung von Proben nicht befriedigt und dass sie gerne selbst Wissen generieren möchte. Im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit befasste sie sich erstmals mit Körperfett, danach war sie am Institut für Pathologie in der Krebsforschung tätig. Den Master schloss sie an der TU Graz ab, knüpfte aber im Rahmen der Masterarbeit bereits den Kontakt zur Medizinischen Universität Graz und ihrer heutigen Mentorin, die dann zufällig eine PhD-Stelle frei hatte.

Trotz ihres unbändigen Forscherdrangs ist Melanie Korbelius auch mit dem Etappenziel des L’Oréal-Stipendiums für ihre wissenschaftliche Arbeit schon zufrieden. „Eine fixe Stelle an der MedUni wäre natürlich noch ein weiterer Erfolg.“ Was an der 32-Jährigen auffällt, ist ihr fröhliches Lachen. Selbst ein Lottogewinn, meint sie, würde ihr Leben nicht dramatisch verändern: „Viel Geld zu haben, könnte manches vereinfachen. Aber ich glaube, ich wäre nicht glücklicher als ich es jetzt schon bin.“ Ihre Freizeit, wenn es eine solche mit Baby überhaupt gibt, verbringt sie gerne mit Musik – und mit Freunden im Grazer Stadtpark. Für ihr Kind hat die einstige Querflötistin im vergangenen Jahr auch Gitarre gelernt. Nicht nur, weil Lautstärke und Frequenz eher kindgerecht sind, sondern auch, weil man zur Gitarre Schlaflieder singen kann.

Selbst als ihr die COVID-19-Pandemie einen Strich durch die Rechnung machte und ihre Reise auf die Bahamas, Kuba und nach Miami verunmöglichte, die sie sich anlässlich ihrer vollendeten Dissertation gönnen wollte, blieb Melanie Korbelius positiv: „Ich hatte ein Monat frei und wir haben es zur Renovierung unseres Hauses genutzt. Ich arbeite zwar gerne wie im Job mit ultrakleinen Dingen, aber auch das Hämmern, Sägen und Nageln liegt mir.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2023