Portrait Kathrin Spettel: Fungalen Resistenzen auf der Spur

10.09.2023 | Politik

Pilzinfektionen bezeichnet Biomedizinerin Kathrin Spettel von der Medizinischen Universität Wien als ihre Hauptleidenschaft. Für ihre Forschung zu Resistenzmustern von Pilzen und die Tests von neuen Antimykotika an resistenten Stämmen erhielt sie kürzlich ein Forschungsstipendium.

Ursula Scholz

Hochaltrige und Immunsupprimierte gehören zu ihren bevorzugten Wirten: Pilze der Gattung Candida infizieren besonders die Schwachen. „Der Pool an Risikopatienten nimmt zu. Und wir haben bisher nur vier antimykotische Wirkstoffklassen, um diese Menschen zu behandeln“, erklärt die Biomedizinerin Kathrin Spettel. Sie hat in den vergangenen Jahren Resistenzmuster bei Pilzen analysiert, die dafür verantwortlichen Genmutationen identifiziert sowie neuartige Antimykotika an resistenten Stämmen getestet. In ihrer Dissertation „Resistance development in Candida spp. – An emerging health threat“, die mittlerweile in der Erstfassung vorliegt, widmete sie sich gleich fünf verschiedenen Pilz-bezogenen Projekten.

Zunächst hat Spettel Hunderte Genome von Candida-Pilzen ausgelesen und sie mit dem klinischen Phänotyp verglichen. So sollten jene Mutationen identifiziert werden, die ausschließlich in resistenten Stämmen zu finden sind und somit möglicherweise ursächlich mit der Resistenzentwicklung verknüpft sind. Andere Mutationen, die auch bei sensiblen Stämmen vorkommen, werden in der von Kathrin Spettel erstellten Datenbank als nicht kausale Varianten dokumentiert. Parallel dazu exponierte sie Candida-Isolate in vitro über sechs Wochen mit sukzessive ansteigenden Konzentrationen von Antimykotika, um die Entwicklung von Resistenzen zu beobachten. „Einige Isolate waren bereits nach zwei bis drei Wochen resistent“, berichtet Spettel. „Pilze sind sehr vif und einfallsreich darin, sich gegen die medikamentöse Behandlung zu wehren.“

In einem nächsten Schritt testete Spettel drei neue antimykotische Substanzen, wovon eine über einen innovativen Wirkmechanismus verfügt, in vitro an (multi-)resistenten Candida-Isolaten. „Alle drei haben gut abgeschnitten“, erzählt Spettel. Diese drei Projekte sind bereits weitgehend abgeschlossen.

Die Entwicklung einer Resistenz geht jedoch oft mit einer niedrigeren Pathogenität einher. „Bei Pilzinfektionen lässt sich gelegentlich beobachten, dass die resistenten Pilze für den Patienten weniger pathogen werden. Man bezeichnet diesen Prozess als ‚Loss-of-Fitness‘“, erklärt Spettel. „Wir untersuchen infizierte Larven von Wachsmotten daraufhin, inwieweit einzelne Resistenzmechanismen die Pathogenität abschwächen.“ Schließlich widmet sich die Spezialistin für Next Generation Sequencing noch den Drug Efflux-Pumpen. Das sind jene Schutzmechanismen in der Zellmembran, mit denen eine Zelle die schädigende Substanz schneller wieder ausstößt, als sie wirken kann. „Wir konnten Mutationen identifizieren, die zu einer 1.000-fachen Überexpression des für die Drug Efflux-Pumpen zuständigen Gens führen.“

Pilzinfektionen als „Hot Topic“

Pilzinfektionen bezeichnet Kathrin Spettel als ihre „Hauptleidenschaft“, aber auch als „Hot Topic“ – besonders durch die gefürchteten Candida auris-Ausbrüche in Spitälern. Auch zu diesem Candida-Subtyp hat Spettel zusammen mit Kollegen schon publiziert. Zu ihrem Arbeitsalltag in der Abteilung für Klinische Mikrobiologie am Institut für Labormedizin der Medizinischen Universität Wien gehören PCRs, Sequenzierungen, Resistenztestungen und Typisierungen der Pilzisolate von Patienten, um diejenigen Antimykotika einzusetzen, die am wirkungsvollsten sind. Doch mitten in ihren Projekten zu den Resistenzmechanismen bei Pilzen war ihre Forschungsförderung ausgelaufen. Zum „perfekten Zeitpunkt“ sei ihr dann das L‘Oréal-Stipendium „For Women in Science“ zugesprochen worden, resümiert Spettel. Mehr als acht Monate konnte sie damit ihre wissenschaftliche Arbeit finanzieren, die begonnenen Projekte fortführen und ihre Dissertation schreiben. Nun beginnt erneut das Einwerben von Drittmitteln.

Spettel fungiert seit Herbst 2020 im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Medizinische Mykologie (ÖGMM) als Schriftführerin. „In dieser Funktion unterstütze ich auch bei der Kongressorganisation und helfe bei der Wartung der Homepage.“ Technische Herausforderungen liegen Spettel nämlich sehr, die auch heute noch im Labor gerne selbst Hand anlegt. „Ich bin ein Hands-on-Typ.“ Ihre besondere Leidenschaft gilt den Next Generation Sequencing Technologien, die sie durch ihre Arbeit an der MedUni Wien früh kennengelernt hat.

Ausgestattet mit einem enormen Durchhaltevermögen („Ich bin wohl auch ein bisschen stur …“) und einer großen Leidenschaft für den Beruf stellt sie sich gerne den täglich wechselnden Herausforderungen in ihrem Job. „Das hält mich in der Forschung trotz unsicherer Anstellungsverhältnisse.“

Dass sie einmal in der Forschung arbeiten würde, war nicht von Anfang an klar. Nach der Matura in ihrer Heimatstadt Feldkirch sammelte sie erste berufliche Erfahrungen als Leiharbeiterin in Liechtenstein und startete dann mit einer Lehre als pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin. „Da habe ich gemerkt, wie sehr mir die medizinische Richtung liegt.“ Sie machte sich auf die Suche nach einer entsprechenden akademischen Ausbildung und kam schließlich zur FH Joanneum in Graz, um sich zur Biomedizinischen Analytikerin ausbilden zu lassen. Für den Master wechselte sie nach Wien, wo sie im Jahr 2014 an der MedUni zu arbeiten begann und nun auch ihre Dissertation geschrieben hat. „Der nicht so direkte Weg war retrospektiv gesehen genau der richtige für mich“, resümiert Spettel. „Ich finde es gut, wenn man mit einem breiten Spektrum startet und sich erst im Laufe der Zeit spezialisiert.“ Flexibel ist Spettel auch: Ihr ursprüngliches Dissertationsthema – die Erforschung des oralen Mikrobioms – musste sie in Pandemiezeiten wechseln, weil sich die Probanden-Rekrutierung verzögerte.

Neben der Tätigkeit im Labor bleibt Kathrin Spettel wenig Freizeit, die sie gerne mit Kollegen verbringt, die auch forschen. „Sie verstehen, wie frustrierend es sein kann, festzustecken und bauen mich dann wieder auf.“ Als Ausgleich zur geistigen Arbeit treibt sie Sport – gerne wetterunabhängig am Rudergerät zu Hause. Als spezielle Form der Entspannung empfindet Spettel einen Heimaturlaub in Vorarlberg. Auch wenn sie die „Theoriearbeit“, die abseits des Labors zu erledigen ist, durchaus in den Urlaub mitnimmt. Zwei- bis dreimal pro Jahr zieht es sie gen Westen; ihre berufliche Zukunft sieht sie jedoch weiterhin in Wien.

Bedeckt hält sie sich, wenn man sie nach ihren Vorbildern fragt. „Es hat schon jeder so seine Forschungs-Rockstars“, meint sie. Namentlich nennen möchte sie aber nur ihre Supervisorin Univ. Prof. Birgit Willinger. Wichtig ist es ihr hingegen zu betonen, dass ihre Forschungsarbeit stets eine Leistung des gesamten Teams ist. Ein zukünftiges Forschungsfeld sieht Spettel im Bereich der Dermatophyten, die sich ausgehend vom indischen Subkontinent weltweit ausbreiten. Auch hier warten Resistenzen darauf, entschlüsselt zu werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2023