Por­trait Eleni Tomazou: Test­mo­dell für Ewing-Sarkome

24.03.2023 | Politik

Ein mit zwei Mil­lio­nen Euro dotier­ter Grant wurde der Mole­ku­lar- und Zell­bio­lo­gin Eleni Tomazou zuge­spro­chen, um ein für Ewing-Sar­kome cha­rak­te­ris­ti­sches Test­mo­dell zu finden.

Ursula Scholz

Ein wali­si­sches Berg­schaf war es, das ein jun­ges Mäd­chen auf der grie­chi­schen Insel Rho­dos dazu inspi­rierte, in Schott­land Mole­ku­lar- und Zell­bio­lo­gie zu stu­die­ren: das berühmte Klon­schaf Dolly. 1996 war es schot­ti­schen Wis­sen­schaf­tern erst­mals gelun­gen, die­ses Schaf aus einer aus­dif­fe­ren­zier­ten erwach­se­nen Zelle zu züch­ten und die Nach­richt ver­brei­tete sich über die Welt. So auch zu Eleni Tomazou nach Grie­chen­land. Als sie drei Jahre spä­ter matu­rierte, wurde ihr als natur­wis­sen­schaft­lich begab­ter Spit­zen­schü­le­rin nahe­ge­legt, doch Medi­zin zu stu­die­ren. Sie aber wollte sich auf die Spu­ren des Klon­scha­fes bege­ben und begann, in Glas­gow Mole­ku­lar­bio­lo­gie zu stu­die­ren, um letzt­lich doch im Umfeld der Medi­zin zu reüs­sie­ren: Kürz­lich wurde ihr ein mit zwei Mil­lio­nen Euro dotier­ter Con­so­li­da­tor Grant des Euro­päi­schen For­schungs­ra­tes (ERC) zuge­spro­chen, um ein für Ewing-Sar­kome cha­rak­te­ris­ti­sches Test­mo­dell zu finden.

For­schung für die Pädiatrie
Rund zwei Pro­zent aller Kar­zi­nome sind Sar­kome. Im päd­ia­tri­schen Bereich sind diese mali­gnen Tumore von Kno­chen und Weich­tei­len jene, die am häu­figs­ten töd­lich enden. Jeder fünfte mali­gne Tumor im Kin­des­al­ter ist ein Sar­kom mit einer Fünf-Jah­res-Über­le­bens­rate von 60 Pro­zent; im Sta­dium der Metasta­sie­rung von 25 Pro­zent. Da auf mole­ku­la­rer Ebene noch keine The­ra­pie mög­lich ist – zu gering ist das Wis­sen über poten­ti­elle Angriffs­flä­chen – kom­men neben chir­ur­gi­schen Maß­nah­men vor allem Che­mo­the­ra­pien zum Ein­satz – mit oft lebens­lan­gen Fol­gen. Eine ziel­ge­rich­tete The­ra­pie könnte daher nicht nur Leben ret­ten, son­dern auch die Lebens­qua­li­tät der Über­le­ben­den im höhe­ren Alter nach­hal­tig verbessern.

„In mei­nem ERC-Pro­jekt haben wir uns zum Ziel gesetzt, in vitro- und in vivo-Modelle des Ewing Sar­koms zu fin­den“, erklärt Tomazou. Plu­ri­po­tente Zel­len in unter­schied­li­chen Ent­wick­lungs­sta­dien sol­len im Labor zur Aus­bil­dung des im Ewing Sar­kom typi­scher­weise feh­ler­haf­ten EWS-FLI1-Fusi­ons­pro­te­ins ange­regt wer­den. In der Folge soll geklärt wer­den, in wel­chem Sta­dium es dem Sar­kom gelingt, die kör­per­ei­gene Tumor­ab­wehr zu über­win­den. Dies geschieht näm­lich im kind­li­chen Orga­nis­mus in einem ein­zi­gen Schritt in Form einer Umla­ge­rung von gene­ti­scher Infor­ma­tion – und nicht wie bei Kar­zi­no­men von Erwach­se­nen im Laufe der Zeit.

„Ent­schei­dend ist aber auch die Mikro-Umge­bung und wie sich die Zel­len im Orga­nis­mus ver­hal­ten“, erklärt Tomazou. Den kind­li­chen Krebs cha­rak­te­ri­sie­ren nicht so sehr gene­ti­sche Defekte wie beim Erwach­se­nen, son­dern häu­fi­ger epi­ge­ne­ti­sche Pro­zesse. All diese Aspekte wird Tomazou befor­schen. „Wir fol­gen damit dem Prin­zip build it to under­stand it´.“Die größte tech­ni­sche Her­aus­for­de­rung sieht sie in der Pro­gram­mie­rung von Zel­len, sodass diese die Eigen­schaf­ten von Tumor­zel­len erhalten.

Frei­heit bei Forschungsthemen
Dass sie For­sche­rin wer­den möchte, war für sie ab dem Jugend­al­ter klar. „Ich bin sehr froh, dass es mir gelun­gen, ist, als Mole­ku­lar­bio­lo­gin im Bereich der aka­de­mi­schen For­schung zu blei­ben, weil damit eine weit­ge­hende Frei­heit ver­bun­den ist, sich die For­schungs­ge­biete selbst aus­zu­su­chen“, betont Tomazou.

Dass sie ihre Fähig­kei­ten ein­mal der Kin­der­krebs­for­schung am St. Anna Children´s Can­cer Rese­arch Insti­tute (CCRI) in Wien zur Ver­fü­gung stel­len würde, wo sie seit 2018 eine eigene For­schungs­gruppe zur Epi­ge­nom-basier­ten Prä­zi­si­ons­on­ko­lo­gie im Bereich der Sar­kome lei­tet, resul­tiert jedoch eher aus einem Zufall. „Als ich im Jahr 2012 nach Wien kam, folgte ich mei­nem Mann, der hier als Bio­in­for­ma­ti­ker einen Job ange­nom­men hat. Ich hatte aber das Glück, zunächst als Post-Doc und danach als For­schungs­grup­pen­lei­te­rin in der St. Anna Kin­der­krebs­for­schung mei­nen eige­nen Platz zu finden.“

Von Land zu Land
Von Land zu Land zu zie­hen zählt für Tomazou seit frü­hes­ter Kind­heit zum All­tag. In den USA gebo­ren, lebte bis zum Alter von vier Jah­ren in Con­nec­ti­cut, wo ihre Eltern ein Restau­rant betrie­ben. Nach der Matura absol­vierte sie in Glas­gow ihren Mas­ter, ohne jedoch mit den geis­ti­gen Vätern des Klon-Scha­fes in Kon­takt zu kom­men. Danach folgte mit einem Leo­nardo da Vinci Sti­pen­dium ein kur­zer For­schungs­auf­ent­halt am Euro­päi­schen Labo­ra­to­rium für Mole­ku­lar­bio­lo­gie (EMBL) der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg. Ihren PhD machte Tomazou am Well­come Trust San­ger Insti­tute der bri­ti­schen Uni­ver­sity of Cam­bridge. Als Post­doc arbei­tete sie dann bis 2010 an der Har­vard Uni­ver­sity im US-ame­ri­ka­ni­schen Cam­bridge zu den The­men Stamm­zel­len und Rege­ne­ra­tive Bio­lo­gie. Anschlie­ßend folg­ten zwei Jahre beim Ame­ri­ka­ni­schen Roten Kreuz als HLA-Spe­zia­lis­tin (Humane Leu­ko­cyte Anti­gen) mit der Aus­sicht, ein „Qua­li­fied Direc­tor“ der Ame­ri­can Society of His­to­com­pa­ti­bi­lity and Immu­no­ge­netics zu werden.

Dem kam jedoch ihr Umzug nach Wien zuvor, wo ihre For­schungs­ar­beit jedoch eben­falls sehr geschätzt wird: Schon vor dem ERC-Grant erhielt sie in den Jah­ren 2018 und 2020 jeweils einen Life Sci­en­ces Grant vom Wie­ner Wissenschafts‑, For­schungs- und Tech­no­lo­gie­fonds (WWTF), ein Lise Meit­ner- und ein Elise Rich­ter-Sti­pen­dium vom Wis­sen­schafts­fonds FWF, einen Grant aus dem Jubi­lä­ums­fonds der Öster­rei­chi­schen Natio­nal­bank sowie meh­rere Next Gene­ra­tion Sequen­cing Grants der Firma Kapsch.

Ihrer gene­rell opti­mis­ti­schen Lebens­ein­stel­lung gemäß sieht Tomazou auch ihr beweg­tes Leben aus einer posi­ti­ven Per­spek­tive. „Ich hatte Glück, in so vie­len schö­nen Städ­ten zu leben: Glas­gow, Hei­del­berg, Cam­bridge, Bos­ton und Wien. Ich habe nur gute Erin­ne­run­gen daran und freue mich immer wie­der, eine die­ser Städte besu­chen zu kön­nen.“ In Cam­bridge leben noch viele Freunde aus ihrer Zeit als PhD-Stu­den­tin. Die Liebe zu Bos­ton wie­derum geht – der elter­li­chen Pro­fes­sion ent­spre­chend – durch den Magen: In Bos­ton ver­misst Tomazou die Mee­res­früchte, beson­ders Aus­tern. Auch die grie­chi­sche Hei­mat besucht sie regel­mä­ßig und fährt mit ihrem Mann und ihrem sechs­jäh­ri­gen Sohn dort­hin auf Urlaub und natür­lich auch, um ihre Eltern zu besu­chen, die nach der Rück­kehr aus den USA auf Rho­dos geblie­ben sind. Etwas von der grie­chi­schen Men­ta­li­tät ist in ihrem offe­nen Wesen geblie­ben. Und sie ist extrem beharr­lich – ein Cha­rak­ter­zug, der im Bereich der Wis­sen­schaft durch­aus hilf­reich sein kann.

Auch wenn sie aktu­ell in der Grund­la­gen­for­schung tätig ist, hat Tomazou stets den kli­ni­schen Bene­fit ihrer For­schung im Visier: „Mein größ­tes Ziel ist es, durch meine Arbeit einen posi­ti­ven Effekt auf die Behand­lung, das Über­le­ben und das zukünf­tige Leben der Sar­kom-Pati­en­ten zu erzielen.“

Nicht nur in ihrer wis­sen­schaft­li­chen Arbeit, son­dern auch in ihrer Frei­zeit fokus­siert sie sich auf Kin­der. War sie in ihren ers­ten Jah­ren in Wien noch gerne unter­wegs, um die schöns­ten Geheim­plätze der Bun­des­haupt­stadt zu ent­de­cken, wid­met sie nun ihre gesamte Frei­zeit ihrem Sohn.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2023