Portrait Ann-Katrin Hopp: Zufallsgesteuert bei der Forschung

10.02.2023 | Politik

Die Stationen ihrer akademischen Laufbahn hat Molekularbiologin Ann-Katrin Hopp bewusst ausgewählt, während sie beim Forschen eher zufallsgesteuert ist. Für ihre Forschungen über den Einfluss des Nährstoff-Angebots für die Zelle auf die Differenzierung erhielt sie als eine der ersten Stipendiatinnen den Seal of Excellence Fellowship.

Ursula Scholz

In ihrem Forschungsprojekt geht Molekularbiologin Ann-Katrin Hopp der Frage nach, welche Mechanismen dazu führen, dass aus einer schon etwas differenzierten, aber noch pluripotenten Stammzelle entweder eine weiße oder eine braune Fettzelle oder eine Muskelzelle entsteht. Hopp fokussiert sich auf das Nährstoff-Angebot für die Zelle als Einflussfaktor für die Differenzierung. „Sobald wir diesen Mechanismus verstehen, können wir versuchen, ihn für Menschen mit metabolischen Erkrankungen nutzbar zu machen“, erklärt Hopp. Sie nähert sich dem Thema von zwei Seiten: „Zum einen experimentieren wir mit dem Angebot an Transportproteinen, die der Zelle helfen, Nährstoffe aufzunehmen und in bestimmte Bereiche der Zelle zu transportieren, beispielsweise in die Mitochondrien. Zum zweiten füttern wir Zellen gezielt mit Nährstoffen – zunächst in Nährstoffgruppen und bei spannenden Gruppenergebnissen dann einzeln – und beobachten den Effekt auf den Differenzierungsprozess. Am Ende werten wir aus, welche Nährstoffe von der Zelle auf welche Art verstoffwechselt werden und wie sich dadurch die Bestimmung der Zelle verändert.“ Die ersten Versuche mit einem Überangebot an Transporterproteinen laufen bereits und weisen auf potentiell interessante Effekte hin. Als Modellsystem dienen Primärzellen von menschlichem Fettgewebe, aus dem dann die gewünschten Stammzellen separiert werden. Im Gegensatz zu den oft verwendeten Zelllinien sind die Primärzellen nicht im-mortalisiert, teilen sich also nicht unendlich weiter, und müssen daher mit spezieller Feinfühligkeit behandelt werden.

Über Feinfühligkeit und Fingerspitzengefühl verfügt Ann-Katrin Hopp von klein auf. Ursprünglich wollte sie diese Fähigkeiten in ein Kunststudium einbringen. „Ich hatte zur Abi-Zeit schon mit dem Zusammenstellen einer Mappe begonnen und jede Woche mit Gleichgesinnten gemalt. Doch dann kam ein Moment, in dem ich mich gefragt habe, ob die Kunst, die so viel Persönliches nach außen trägt, auch wirklich das Richtige für mich ist.“ Ihre Mutter erzählt heute noch, dass Ann-Katrin sich daraufhin für zwei Wochen in ihrem Zimmer zur Klausur zurückgezogen hat, um eine alternative Ausbildungsmöglichkeit zu suchen. Mit Er folg: Sie fand die Molekularbiologie.Die Naturwissenschaften entsprachen von jeher – wie die Kunst – ihrem Talent. Schon als Kind hat sie gerne kleine Experimente entworfen und durchgeführt. „Ich mochte immer schon ganz, ganz kleine Sachen. Klein und komplex – also Polly Pocket und nicht Barbie.“ Bewusst entschied sich Hopp für eine Universität, die nicht nur ein exzellentes Studienprogramm für Human- und Molekularbiologie im Portfolio hat, sondern auch eine Kooperation mit einer französischen Universität. Nachdem sie bereits im Alter von 16 ein Jahr bei einer Gastfamilie in Lausanne verbracht hatte, wollte sie ihre Französisch-Kenntnisse weiterhin pflegen. So zog sie aus ihrer Heimatstadt Hamburg ins Saarland und studierte parallel in Saarbrücken und Strasbourg.

Für ihre Dissertation forschte sie an der Universität Zürich und kam mit einem Schweizer Stipendium der Swiss National Foundation ans CeMM (Forschungszentrum für Molekulare Medizin) in Wien, wo sie nun seit zwei Jahren forscht. Zunächst hatte sie sich für ein Marie Curie-Stipendium beworben – und nicht erhalten, obwohl ihr Antrag exzellent bewertet wurde. Aufgrund von finanziellen Einschränkungen werden jedoch nicht alle Projekte gefördert, deren Bewertung den Förderkriterien entspricht. Damit diese Forschungsanträge dennoch eine Chance haben, hat die Österreichische Akademie der Wissenschaften das Seal of Excellence Fellowship ins Leben gerufen. Ann-Katrin Hopp ist eine der ersten Stipendiatinnen, die damit ausgezeichnet wurde. Das Seal of Excellence Fellowship deckt nun ihr Gehalt und unterstützt einen Teil ihrer Forschung bis ins Frühjahr 2025.

Zur Wahl der Stationen ihrer akademischen Laufbahn sagt sie: „Ich habe mir immer gezielt Gruppen mit dem passenden Forschungsfokus herausgesucht, die Endauswahl aber auf Basis der Interviews nach Bauchgefühl getroffen.“ Das Menschliche muss für sie passen. Im Labor von Univ. Prof. Giulio Superti-Furga am CeMM passt es. Ann-Katrin Hopp arbeitet gerne im Team und betreut auch mit Passion die Abschlussarbeiten von Studenten. „Die Jungen haben noch einen freieren Blick. Ich bin sozusagen schon festgelesen“, erklärt die 33-Jährige. „Das Spannende am Mentoring ist, welche Fragen die Studierenden stellen – oder auch Forschende aus anderen Disziplinen. An diesen Fragen wächst man.“

Mittlerweile ist sich Hopp nicht sicher, ob sie nicht in ihr Dasein als Forschende ebenso viel Persönliches einbringt, wie sie in die Kunst eingebracht hätte. „In beiden Disziplinen identifiziert man sich sehr mit seiner Arbeit.“ Sie selbst bezeichnet sich als „bunt im Kopf“ – eine Form von geistiger Beweglichkeit, die wohl für beide Professionen elementar ist. „Ich bin tatsächlich beim Forschen eher zufallsgesteuert“, attestiert sie sich selbst. Wenn sie von ihren Experimenten mit den einzelnen Wirkstoffen und Nährstoffgruppen erzählt, klingt ihr Forschungsdesign jedoch eher nach einer soliden Struktur. Sie selbst sieht darin keinen Widerspruch. „Man muss offen bleiben für unerwartete Ergebnisse“, präzisiert sie. „In meiner PhD-Arbeit beispielsweise hat sich die initiale Hypothese als unwahr erwiesen. Da habe ich gelernt, umzudenken und mit der Arbeit den Daten zu folgen.“

Malen – für andere

Selten findet sie noch die Muße, abends zu malen – und wenn, ist es ein Geschenk für jemand anderen. „Aber es tut mir immer noch gut!“ Den Ausgleich zum Labor-Alltag sucht sie ansonsten in der Natur – bevorzugt als Fahrradtouren. Mit Nährstoffen beschäftigt sie sich nicht nur im Labor, sondern auch im Privatleben beim Kochen. In Wien wurde sie im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der Leopoldstadt, sesshaft und geht dort ebenso wie in ihren Kindheitstagen in Hamburg gerne auf den Markt. Gleich nach ihrer Ankunft erhielt sie einen Grundkurs in österreichischem Deutsch: „Paradeiser, Karfiol und Fisolen waren komplett neu für mich.“

So wie sie die neuen Begriffe für Lebensmittel mühelos in ihr Leben integriert, hat sie sich das ambitionierte Ziel gesetzt, auch die Stoffwechselforschung in die prominenten Forschungsthemen zu integrieren: „Der Stoffwechsel ist immer noch ein Randbereich, nicht so beachtet wie die Krebsforschung. Ich möchte mit meiner Arbeit dazu beitragen, die Wichtigkeit des Stoffwechsels für die Funktion der Zellen und somit für den gesamten Organismus aufzuzeigen. Die Stoffwechselforschung hat noch nicht ihren Peak erreicht.“ So wie es aussieht, steht auch Ann-Katrin Hopp der Peak ihres wissenschaftlichen Erfolges noch bevor.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2023