Wundmanagement: Phasengerecht versorgen

12.04.2023 | Medizin

Modernes Wundmanagement basiert auf der phasengerechten Versorgung mit Lokaltherapeutika. Voraussetzung dafür ist das detaillierte Wissen um deren Eigenschaften und Einsatzgebiete. Vor der Therapie von chronischen Wunden wiederum muss eine allenfalls vorhandene organspezifische Ursache behandelt werden.

Manuela-C. Warscher

In Österreich leiden etwa 255.000 Menschen an einer chronischen  Wunde, drei Prozent davon an einem Ulcus cruris. Bis allerdings Patienten mit chronischen Wunden fachärztlich versorgt werden, vergeht oftmals ein Jahr und auch länger. „In Österreich werden immer noch mehr als 60 Prozent der chronischen Wunden nicht nach den modernen Grundlagen der Wundbehandlung versorgt“, konstatiert Univ. Prof. Robert Strohal von der Abteilung für Dermatologie und Venerologie vom Spital Feldkirch. Das ergab eine rezente Umfrage der Österreichischen Wundheilungsgesellschaft. Definitionsgemäß gilt eine Wunde dann als chronisch, wenn sie nach mehr als sechs Wochen aktiver Behandlung nicht heilt.

Zuerst: Behebung der Ursache

In den vergangenen Jahren sei neben der Behebung der Ursachen für eine chronische Wunde „die Einbindung des Patienten in die Wundtherapie“ immer wichtiger geworden, berichtet Strohal. Kommt es aufgrund einer Grunderkrankung wie Hypertonie oder Diabetes mellitus zu einer chronischen Wundheilungsstörung, müsse zunächst die „Grundproblematik behandelt“ und in weiterer Folge die lokaltherapeutische Wundversorgung in die Wege geleitet werden. Dieses „moderne Wundmanagement“ basiert auf einer phasengerechten Versorgung der bestehenden Wunden. Je nach Wundphase kommen laut dem Experten dabei die „richtigen aktiven Lokaltherapeutika“ zur Anwendung. Allerdings: Die Zunahme an aktiven und verfügbaren Wundtherapeutika erfordert genaues Wissen über deren Eigenschaften und die richtige Indikation. „Dies kann nur durch eine breite Basisausbildung mit einer regelmäßigen Weiterbildung gesichert werden“, betont Strohal.

Konzepte für moderne Wundversorgung

Die moderne Wundversorgung mit Hilfe von entsprechenden Konzepten wie TIME (siehe Kasten) beginnt mit der Reinigung der chronischen Wunde. „Dafür werden heute Wundspüllösungen neutralen Mitteln vorgezogen – vor allem aufgrund ihrer positiven Effekte auf die Wundphysiologie.“ Ebenso klar ist festgelegt, wie der Einsatz von Antiseptika erfolgt: bei einer Infektion nur so lange wie nötig. Sind Wunden belegt, werden initial spezielle Epithelzellen-schonende Pads verwendet. „Bei starken Belägen braucht es aber auch eine chirurgische Reinigung“, so Strohal.

Ja nach Exsudationsmenge und Fibrinverhalten werden Folien oder Schaumstoffe als Wundauflage eingesetzt. Ist eine Wunde infiziert, werde den Aussagen des Experten zufolge die lokale Infektion „lokal“ und die systemische Infektion „systemisch“ behandelt. Strohal weiter: „Silberverbände reduzieren durch die Abgabe von Silberionen bestehende Mikroorganismen in der Wunde.“ Nicht eingesetzt werden sollten – um Resistenzen und Unverträglichkeitsreaktionen vorzubeugen – lokale Antibiotika. Die technischen Weiterentwicklungen der letzten Jahre wie unter anderem Modulation mittels Kaltplasma oder kaltes gepulstes Licht in unterschiedlichen Frequenzen seien im Kommen. „Das verwendete Licht aktiviert beziehungsweise regt die Zellen an. Auf diese Weise wird die Wundheilung beschleunigt.“ Strohal verweist abschließend auf die Notwendigkeit der interdisziplinären Zu-sammenarbeit bei der Versorgung von chronischen Wunden. „Die Kooperation von niedergelassenen Allgemeinmedizinern mit anderen Fachrichtungen wie Dermatologie, Allgemein- oder Gefäßchirurgie ist für die Betreuung des Patienten empfehlenswert.“


Wundmanagement-Konzepte

TIME Konzept

T – Tissue (Gewebe/Wundgeruch)
I – Infection/Inflammation (Infektion/Entzündung)
M – Moisture (Wundflüssigkeit)
E – Edge (Wundrand/Wundumgebung)

MOIST Konzept

M – Moisture balance (Exsudatmanagement)
O – Oxygen balance (Sauerstoffzufuhr)
I – Infection control (Infektionskontrolle)
S – Support (Unterstützung der Wundheilung)
T – Tissue management (Gewebemanagement)


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2023