Osteo­mye­li­tis: Bild­ge­bung als Verlaufskontrolle

10.05.2023 | Medizin

80 Pro­zent aller Osteo­mye­lit­i­den tre­ten nach einem Trauma auf – etwa nach einer offe­nen Frak­tur. Da es sich um eine „deep-sea­ted-infec­tion“ han­delt, kann sie nicht nach sys­te­mi­schen Inflamm­a­ti­ons­wer­ten gesteu­ert wer­den. Bes­ser für die Ver­laufs­kon­trolle geeig­net ist die Bild­ge­bung. Und auch nach einer aus­ge­heil­ten Osteo­mye­li­tis bleibt das MRT noch mona­te­lang oder sogar jah­re­lang positiv. 

Julia Fleiß

Schmer­zen, Schwel­lung und unter Umstän­den ein Ulkus, das sich von innen her­aus ent­wi­ckelt oder Ulcera, die Kno­chen frei­le­gen“, führt Priv. Doz. Mat­thias Vos­sen von der inter­dis­zi­pli­nä­ren Osteo­mye­li­tis-Ambu­lanz am All­ge­mei­nen Kran­ken­haus Wien als erkenn­bare Sym­pto­ma­tik für eine Osteo­mye­li­tis an. 80 Pro­zent aller Osteo­mye­lit­i­den – sie sind meist bak­te­ri­ell bedingt – tre­ten laut Vos­sen nach Trau­men wie einer offe­nen Frak­tur, einer pene­trie­ren­den Ver­let­zung oder post­ope­ra­tiv auf. Nur 20 Pro­zent aller Osteo­mye­lit­i­den ent­wi­ckeln sich häma­to­gen. Bei die­ser endo­ge­nen Form der Ent­zün­dung wer­den die Keime von einem Infek­ti­ons­herd außer­halb des Kno­chens über den Blut­weg in das Kno­chen­mark ein­ge­schwemmt. „Am häu­figs­ten ent­steht diese Form der Osteo­mye­li­tis bei Bak­te­ri­ämien mit Sta­phy­lo­coc­cus aureus, Strep­to­kok­ken oder sel­ten auch Ente­ro­bac­te­riaceae“, erklärt Vos­sen. Meis­tens han­delt es sich in die­sen Fäl­len um die Son­der­form der „Spon­dy­lo­dis­zi­tis“. Diese Osteo­mye­li­tis der Wir­bel­säule „tritt am häu­figs­ten bei Kin­dern und alten Pati­en­ten auf“, so der Experte.

Risi­ko­gruppe Diabetiker

Typi­scher­weise kommt es zur Osteo­mye­li­tis an Füßen und Bei­nen. „Dia­be­ti­ker mit einer deut­li­chen Poly­neu­ro­pa­thie bemer­ken ein Baga­tell-Trauma an den Füßen oft nicht“, erklärt Vos­sen. Des­halb sollte der All­ge­mein­me­di­zi­ner seine Dia­be­tes-Pati­en­ten auf­for­dern, täg­lich am Abend die Füße im Hin­blick auf all­fäl­lige Wun­den zu kon­trol­lie­ren. Ver­schlim­mern sich die Wun­den, kann es – unbe­merkt – zur Osteo­mye­li­tis kom­men. Mög­li­che Anzei­chen dafür sind: tiefe Wun­den, Fis­tel­bil­dung oder die Vor­fuß­phleg­mone, die sich über meh­rere Kom­par­ti­mente aus­brei­tet. „Wenn Weich­teil­in­fekte zunächst sehr gut auf Anti­bio­tika anspre­chen, um dann sofort nach dem Abset­zen zurück­zu­kom­men, ist das suspekt auf das Vor­lie­gen einer Osteo­mye­li­tis. Bei tie­fen Wun­den ist ein Probe-to-Bone-Test indi­ziert.“ Dabei wird die Wunde mit einer ste­ri­len Sonde explo­riert, um zu erken­nen, ob sie bis an den Kno­chen reicht. Laut Vos­sen ist ein posi­ti­ver Probe-to-Bone-Test „fast bewei­send für eine Osteo­mye­li­tis“. Aber: Ein nega­ti­ver Test schließt eine Osteo­mye­li­tis nicht völ­lig aus.

Erste Unter­su­chungs­me­thode ist laut Assoz. Priv. Doz. Mathias Glehr von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Ortho­pä­die und Trau­ma­to­lo­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz das Rönt­gen. Bewei­send für das Vor­lie­gen einer Osteo­mye­li­tis ist eine sicht­bare Unter­bre­chung der Cor­ti­ca­lis. Vos­sen ergänzt: „Im MRT sieht man bei einer Osteo­mye­li­tis ein Ödem im Kno­chen­mark“. Und er warnt: „Das MRT bleibt auch nach der geheil­ten Osteo­mye­li­tis monate- bis jah­re­lang positiv.“

Chir­ur­gi­sche Sanie­rung am sichersten

Vos­sen und Glehr sind sich einig, dass der ope­ra­tive Ein­griff die sicherste Art der Osteo­mye­li­tis-Behand­lung ist, wobei Glehr fol­gende Behand­lungs­me­thode favo­ri­siert: „Man setzt heute bio­lo­gi­sche Trä­ger­sub­stan­zen wie resor­bier­ba­ren Zement oder Eigen­kno­chen ein, die mit Anti­bio­tika imprä­gniert sind.“ Eine der „wich­tigs­ten Errun­gen­schaf­ten“ in der Ortho­pä­die in den ver­gan­ge­nen fünf bis zehn Jah­ren, sagt Glehr. Die Methode basiert auf der Ein­füh­rung von anti­bio­ti­ka­hal­ti­gem Poly­me­thyl­me­thacry­lat (PMMA)-Knochenzement zur Ver­rin­ge­rung der Rate an peri­pro­the­ti­schen Infek­tio­nen Ende der 1960er Jahre. „Der Ein­satz von PMMA-Zement als loka­ler Anti­bio­ti­ka­trä­ger zur Infekt­pro­phy­laxe und Infekt­the­ra­pie hat sich inner­halb der letz­ten zehn Jahre eta­bliert“, ver­si­chert Glehr. Dem­nach konn­ten in gro­ßen Stu­dien Erfolgs­ra­ten von 90 Pro­zent erzielt wer­den. Zunächst wird ein Débri­de­ment durch­ge­führt. Der ent­stan­dene Hohl­raum wird mit den Anti­bio­tika-imprä­gnier­ten Sub­stan­zen gefüllt. „Anders als bei der i.v.-Gabe von Anti­bio­tika wer­den die Keime so lokal in situ bekämpft“, so Glehr. Prin­zi­pi­ell kann diese Methode bei allen Kno­chen ein­ge­setzt wer­den – außer bei der Wir­bel­säule. Bei der Spon­dy­lo­dis­zi­tis kann ein kon­ser­va­ti­ver The­ra­pie­ver­such eine Option darstellen.

Auch bei Kin­dern und Jugend­li­chen sieht Glehr deut­lich höhere Erfolgs­chan­cen der kon­ser­va­ti­ven Behand­lung mit Anti­bio­tika. Der Grund: Das Immun­sys­tem ist intakt. Das gilt auch für eine initiale Osteo­mye­li­tis, wenn sich noch kein bak­te­ri­el­ler Bio­film gebil­det hat. Vos­sen führt wei­tere Gründe für den Beginn einer kon­ser­va­ti­ven The­ra­pie an: „Viele Men­schen mit einer Osteo­mye­li­tis kön­nen auf­grund von Begleit­erkran­kun­gen nicht ohne Risiko ope­riert wer­den oder man kann Pro­bleme bei der post­ope­ra­ti­ven Wund­hei­lung erwarten.“

Vos­sen emp­fiehlt die chir­ur­gi­sche Sanie­rung eher bei grö­ße­ren Röh­ren­kno­chen. Er kennt die Prä­fe­renz der meis­ten Pati­en­ten, die kon­ser­va­tive Anti­bio­tika-The­ra­pie zumin­dest zu ver­su­chen. Als pro­ble­ma­tisch erweist sich dabei die oft­mals geringe Kno­chen­gän­gig­keit von vie­len sys­te­misch ein­ge­setz­ten Anti­bio­tika. „Wel­ches Anti­bio­ti­kum man ver­ab­reicht, hängt vom Keim­spek­trum ab“, erklärt der Spe­zia­list. Im nie­der­ge­las­se­nen Bereich sind laut Vos­sen für die orale Gabe Cefal­exin, Amoxicillin/​Clavulansäure oder Fusi­din­säure geeig­net. Intra­ve­nös im Spi­tals­be­reich wer­den unter Abwä­gung von Neben­wir­kungs­ri­siko und Wir­kung am ehes­ten Beta-Lak­tame, teil­weise in Kom­bi­na­tion mit Fos­fo­my­cin ver­wen­det. Vos­sen dazu: „Osteo­mye­li­tis ist eine ‚deep-sea­ted-infec­tion‘ und kann somit nicht nach sys­te­mi­schen Inflamm­a­ti­ons­wer­ten gesteu­ert wer­den.“ Bes­ser zur Ver­laufs­kon­trolle geeig­net ist die Bild­ge­bung. Etwa alle sechs Wochen sollte man die Ver­än­de­run­gen des Kno­chens durch die Anti­bio­ti­ka­the­ra­pie kon­trol­lie­ren. Als den „größ­ten Feh­ler“ bei der kon­ser­va­ti­ven The­ra­pie der Osteo­mye­li­tis bezeich­net Vos­sen die Tat­sa­che, „das Anti­bio­ti­kum abzu­set­zen, bevor die Bild­ge­bung sau­ber ist.“ Auch Glehr bestä­tigt, dass die kon­ser­va­tive The­ra­pie lang­wie­rig ist. Eine wei­ter Alter­na­tive: Bei einem mini­mal­in­va­si­ven Ein­griff ohne Nar­kose kann eine künst­li­che Fis­tel zwi­schen Außen­welt und dem Kno­chen­in­ne­ren ein­ge­setzt wer­den. Damit wer­den Keime aus dem Kör­per gelei­tet – lebenslang.

Bei Per­so­nen, die an Dia­be­tes mel­li­tus lei­den, ist Osteo­mye­li­tis immer noch einer der häu­figs­ten Gründe dafür, wes­halb die Ampu­ta­tion einer Zehe oder des gesam­ten Fußes not­wen­dig ist. „Auf eine kleine Zehe kann man ver­gleichs­weise gut ver­zich­ten. Daher rate ich mei­nen Pati­en­ten meist zur sichers­ten aller Behand­lungs­me­tho­den – der Ampu­ta­tion.“ Wich­tig ist dabei eine aus­rei­chende Länge der Resek­ti­ons­rän­der. „Sonst ist selbst nach einer Ampu­ta­tion die wei­tere Aus­brei­tung der Osteo­mye­li­tis nicht aus­ge­schlos­sen“, berich­tet Vos­sen aus der Praxis.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 9 /​10.05.2023