Narbenbehandlung: Ästhetik, Schmerz und Spannung entscheiden

25.01.2023 | Medizin

Narben entstehen üblicherweise dann, wenn Wundränder gequetscht werden. Die Narbe selbst reift etwa ein Jahr lang, wobei Verbrennungen die Wunden sind, die am meisten zerstören.

Julia Fleiß

„Wenn eine Verletzung die retikuläre Dermis betrifft, wird es narbig“, erklärt die Wiener Dermatologin Assoc. Prof. Julia Valencak. Und Univ. Prof. Matthias Rab von der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee versichert: „Narben entstehen dann, wenn die Wundränder gequetscht wurden. Ein scharfer Schnitt heilt in der Regel schön.“ Bei Narben gehe es in der Ordination laut Rab immer um zwei Aspekte: „Ästhetik und Schmerz beziehungsweise Spannung.“

Abgesehen von der strichförmigen Narbe, die im besten Fall nach einem chirurgischen Eingriff und einem Trauma entsteht, gibt es drei Arten, wie eine Narbe sich pathologisch verändern kann: Bildet sich zu wenig Gewebe, um die Wunde auszufüllen, entsteht eine Vertiefung. Solche atrophen Narben werden typischerweise durch Akne verursacht. Hypertrophe Narben – sie sind auf das Wundgebiet beschränkte, überschüssige Wucherungen – können an der Beugeseite von Gelenken oder nach Verbrennungen auftreten. Eine Sonderform ist das Keloid. „Das Keloid tritt häufiger bei dunklen Hauttypen auf und ist eine über das Narbengebiet hinausschießende Entwicklung von Narbengewebe“, erklärt Rab. Wie man bei Keloiden vorgeht, erläutert Valencak folgendermaßen: „Man appliziert intraläsional so oberflächlich wie möglich etwas Triamcinolon, das die überschüssige Immunreaktion unterdrückt.“

Ein Jahr lang reift eine Narbe. Innerhalb dieser Zeit – und je früher ab Wundschluss umso besser – kann man lokal positiv auf die Narbe einwirken. „In der Heilungsphase empfehle ich Silikonapplikationen zur Druckentlastung“, meint Valencak. Je nach Größe des Narbengebiets sollte etwa auch der Allgemeinmediziner bei einer jungen Narbe an die Verordnung von Silikon-Pflastern oder Silikon-Gelen denken. Matthias Rab rät seinen Patienten nach Operationen: „So wenig Bewegung wie möglich. Hält man eine Narbe ruhig, wird sie schön. Kompression ist ganz wichtig und Narbenmassage, auch wenn das zu Beginn nicht angenehm ist.“

Bei reifen Narben, die ästhetisch und medizinisch ein Problem für Betroffene darstellen, können zwei konservative neue Methoden eingesetzt werden: Needling und der CO2-Fräxel Laser. „Während beim Needling mit Nadeln bis zu zwei Millimeter tiefe Stiche in die Haut gemacht werden, appliziert der Laser hochenergetisch fraktionierte Gewebsdefekte“, erklärt Valencak. „Das Prinzip ist das gleiche: Durch gezieltes Needling kommt es zu multiplen Mikroläsionen in der papillären Dermis. Durch die Aktivierung der postinflammatorischen Wundheilungskaskade wird die Kollagensynthese stimuliert.“ Diese Vorgangsweise kommt typischerweise bei atrophen Akne-Narben zum Einsatz. Das Needling kann der Patient mit zertifizierten Heimsystemen auch selbst durchführen. Eine weitere Option: Die Narbe wird operativ mit Fett gefüllt, das sogenannte Filling der Narbe.

Bewegungseinschränkung durch Verbrennung
„Verbrennungen sind diejenigen Verletzungen, die am meisten zerstören“, betont Valencak. Meist verbrennt auch die Subkutis; es kommt zu Lymphabflussstörungen, und es bildet sich direkt über der Muskulatur ein verdickter Gewebsstrang. „Der Betroffene fühlt sich wie einbetoniert und leidet an massiven Bewegungseinschränkungen“, beschreibt Valencak. Nach der Akutbehandlung ist bei Verbrennungen ab Grad II b, wenn die Tiefenschichten der Dermis betroffen sind, ist die plastische Chirurgie gefragt. „Wenn man bei Verbrennungen zu lange wartet, kommt es zu starken Narben. Interveniert man, indem man den Schorf operativ entfernt, folgen ein rascherer Heilungsverlauf und die Narbenbildung fällt geringer aus“, konstatiert Rab.

Den Aussagen der Experten zufolge gebe es jedoch Prädilektionsstellen am Körper, die größere, unschöne und hautspan-nende Narben begünstigen. „An belasteten Arealen wie etwa um Gelenke, wo wenig subkutanes Fett ist, oder am Rücken, wo die Haut großen Spannungen ausgesetzt ist, müssen Wunden nicht tief sein, damit sie deutliche Narben zur Folge haben“, sagt Valencak. Zusätzliche Risikoareale sind Fußknöchel, Vorfuß und Fingergelenke. Im Gesichtsbereich verheilen Narben meist schön: „Der Schädel ist eingebettet in Muskeln, um die wiederum Fatpads in den Gesichtslogen liegen. Das begünstigt die Wundheilung.“ Das Alter ist laut Valencak kein alleiniger Faktor für problematische Wundheilung. Vielmehr seien es altersbedingte Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Polyneuropathie oder schlechte Gerinnung. „Diese Komponenten können sich unter Umständen negativ auswirken, aber nicht das Alter per se“, wie die Expertin betont.

Mit der richtigen Technik kann der Operateur Operationsnarben beeinflussen: Narben könnten so gelegt werden, dass sie für das menschliche Auge kaum sichtbar sind. Dafür müssen Schnitte im Faltenverlauf parallel zu den Spannungslinien der Haut gesetzt werden. Während man vor einigen Jahren noch versuchte, nur möglichst kleine Einschnitte zu machen und somit nur eine geringe Narbenbildung zu verursachen, sei nun das Gegenteil der Fall, wie Rab erläutert. „Für die Heilung ist ein ausreichend großer Schnitt besser, da man die Wundränder nicht ziehen oder quetschen muss.“ So werden etwa bei Narbenkorrekturen keloidale Wülste bis zum Unterhautbindegewebe entfernt und die Narbe meist in die Länge gezogen und oft in Wellen geformt. „Wenn sich eine längere, wellenförmige Narbe zusammenzieht, fällt das weniger auf“, erklärt der Experte. Ein weiterer Faktor ist das mehrschichtige Vernähen einer Wunde. „Wir vernähen zunächst das Unterhaubindegewebe mit einem selbstauflösenden Faden, sodass die Naht an der Oberhaut sehr rasch entfernt werden kann. Bleibt die Naht zu lange in der Oberhaut, wachsen die Hautzellen entlang des Nahtmaterials in die Hauttiefe und es verbleiben sichtbare Einstichstellen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2023