Kurz und informativ

26.04.2023 | Medizin

Diabetische Retinopathie durch Sauerstoffmangel
Schäden an den Blutgefäßen reduzieren die Sauerstoffabgabe an die Netzhaut und führen so zur diabetischen Retinopathie. Dieser Nachweis gelang Wiener Forschern um Priv. Doz. Gerhard Garhöfer von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien. Die Wissenschafter erfassten kontaktlos die Durchblutung und Sauerstoffsättigung in der Netzhaut bei 70 Personen mit Typ 2-Diabetes und 20 Personen in der Kontrollgruppe. Auf Basis dieser Werte konnte die Sauerstoffaufnahme ins Gewebe mit einem mathematischen Modell ermittelt werden; diese sank mit zunehmender Schwere der Krankheit immer weiter ab. Eine Gewebshypoxie tritt aber bei Typ 2-Diabetes bereits auf, wenn noch keine sichtbaren Netzhautveränderungen bestehen. APA/Frontiers in Medicine/Diabetes

Oraler PCSK9-Inhibitor senkt LDL-C
Der orale PCSK9-Hemmer MK-0616 führte in einer multizentrischen Phase IIb-Studie nach acht Wochen zu einer signifikanten Reduktion des LDL-Cholesterins. Das fand ein Team unter der Leitung von Christie M. Ballantyne vom Baylor College of Medicine in Houston heraus. Im Vergleich zu Placebo zeigten täglich sechs Milligramm des Wirkstoffs eine Abnahme von LDL-C um 41,2 Prozent, zwölf Milligramm bewirkten eine Senkung von 55,7 Prozent, 18 Milligramm führten zu einer Reduktion von 59,1 Prozent und 30 Milligramm zu einem Rückgang um 60,9 Prozent. Untersucht wurden 381 Personen mit einem durchschnittlichen LDL-Cholesterin von 119,5 mg/dl. Bei 38,6 Prozent der Probanden lag eine atherosklerotisch-kardiovaskuläre Erkrankung vor; 60,6 Prozent nahmen zu Studienbeginn ein Statin ein. Bis zur Zulassung von oral verfügbaren PCSK-Inhibitoren sind noch groß angelegte Phase III-Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit notwendig. APA/Journal of the American College of Cardiology

5,9
Millionen karzinombedingte Todesfälle konnten von 1989 bis 2023 in der EU  vermieden werden. APA/Annals of Oncology

Neuroblastom:  Erkrankungsverlauf steht früh fest
Schon im ersten Trimenon entscheidet sich, ob ein Neuroblastom einen günstigen oder aggressiven Verlauf nimmt. Beweise dafür liefern Wissenschafter des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg. Sie entschlüsselten das Tumorgenom von 100 Kindern mit einem Neuroblastom. Anhand von bestimmten Erbgutveränderungen und mithilfe eines speziell entwickelten mathematischen Modells rekonstruierten sie die Entstehungsgeschichte der Tumore. Demnach lassen sich Neuroblastome in zwei Kategorien einteilen: jene, bei denen genetische Veränderungen bereits früh zum Tumorwachstum führen und später einen günstigen Verlauf nehmen, obwohl sie zunächst schneller wachsen. Und diejenigen, die erst später bösartig werden, dann aber aggressiv wachsen, weil sie eine komplexere Evolution durchmachen und Mechanismen entwickeln, um dem Zelltod zu entgehen. APA/Nature Medicine

Inkubatorgeräusche verursachen Hörschäden
Geräusche im Inkubator können bei Frühgeborenen zu Hörschäden führen. Ein Team um Univ. Prof. Christoph Reuter vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien hat gemeinsam mit Experten der Medizinischen Universität Wien, der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien sowie von mehreren deutschen Hochschulen in Inkubatoren Spitzenwerte von 114 Dezibel gemessen. Diese Werte übertreffen den empfohlenen Höchstwert von 45 Dezibel deutlich. Für die Untersuchung wurde eine Simulationsgruppe in einem mit Messmikrofonen ausgestatteten Inkubator platziert und die beim alltagstypischen Umgang mit dem Inkubator entstehenden Geräusche innerhalb und außerhalb aufgezeichnet. Die Entdeckung könnte laut den Forschern ein Grund sein, wieso zwei bis zehn Prozent aller Frühgeborenen an einer Hörschädigung leiden. Zum Vergleich: bei Neugeborenen sind es bis zu 0,3 Prozent.  APA/Frontiers in Pediatrics

Sport hat keinen positiven Effekt auf Kognition
Es gibt kaum wissenschaftliche Beweise für die positive Wirkung von Sport auf die Kognition. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam um Luis F. Ciria von der Universidad de Granada und Wissenschaftern der Universität Lausanne. Sie werteten 24 Meta-Analysen mit 271 Primärstudien und 11.3000 Probanden aus. Fazit: Die anfänglich kleinen statistisch signifikanten positiven Auswirkungen von körperlicher Bewegung auf die Kognition verschwinden, wenn man die unterschiedlichen Ausgangssituationen der Studien, die Unterschiede in Kontrollgruppen und Publikationsverzerrungen berücksichtigt. APA/Nature Human Behaviour

Verkehrslärm erhöht Suizidrisiko
Jeder Anstieg des durchschnittlichen Straßenverkehrslärms im eigenen Zuhause um zehn Dezibel erhöht das Suizidrisiko um vier Prozent. Das ergab eine Studie eines Teams um Benedikt Wicki vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH). Dafür wurden Daten von 5,1 Millionen Menschen ab 15 Jahren aus der Swiss National Cohort aus den Jahren 2001 bis 2015 mit der Lärmexposition durch Verkehrsmittel wie Straßenverkehr, Eisenbahnen und Flugzeuge verglichen. Die Ergebnisse erwiesen sich auch unter Berücksichtigung von Luftverschmutzung, Begrünungsgrad im Umfeld und sozioökonomischen Daten als solide. Auch der Zusammenhang des Suizidrisikos mit Bahnlärm konnte beobachtet werden; dieser ist allerdings geringer ausgeprägt als beim Straßenlärm. APA/Environmental Health Perspectives

Spinnenseide für Rekonstruktion von Nerven
Bei der Rekonstruktion von Nerven könnte künftig Spinnenseide zum Einsatz kommen. Wissenschafter um Univ. Prof. Christine Radtke von Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie der Medizinischen Universität Wien sowie Forscher der University of Oxford stellten aus zwei Seidenarten Nervenleitschienen her. Für die Röhrchen verwendeten sie die Seide von Seidenraupen. Die poröse Wand der Röhrchen ermöglicht den Austausch von Nähr- und Abfallstoffen. Für die Füllung kommt die Seide von Spinnen zum Einsatz. Im Tiermodell passten sich durchtrennte Nerven an die neuartigen Leitschienen an und wuchsen entlang der Fäden, bis die Nervenenden wieder verbunden waren. In einem nächsten Schritt soll der Einsatz von Spinnenseide bei peripheren Nervenverletzungen des Menschen erforscht werden. APA/Advanced healthcare materials

Hepatitis bei Kindern durch Adeno-assoziiertes Virus 2
Die zum Teil schweren Hepatitis-Fälle, die seit April 2022 weltweit bei Kindern vorkommen und bei denen Herpes-Viren nachgewiesen werden konnten, könnten mit dem Adeno-assoziierten Virus 2 (AAV2) zusammenhängen. Das legen drei voneinander unabhängige Studien der Universität von Glasgow, des University College London und der University of California nahe. Das Team vom University College of London um Prof. Judith Breuer fand im Blut und Proben von Lebergewebe von 38 Kindern geringe Spuren von humanem Adenovirus und eines Herpes-Virus, die zur Vermehrung von AAV2 beitragen könnten. Die Forscher der University of California beobachteten bei allen Kindern Co-Infektionen – entweder mit dem Epstein-Barr-Virus oder einem Herpes-Virus. Genetische Analysen der Forschungsgruppe aus Glasgow legen nahe, dass eine genetisch bedingte abnormale Immunreaktion die Ursache für Hepatitis sein könnte und nicht etwa eine direkte leberschädigende Wirkung von AAV2. Im Juli 2022 registrierte die WHO rund 1.000 erkrankte Kinder in 35 Ländern; 50 von ihnen benötigten eine Lebertransplantation, mindestens 22 verstarben. APA/Nature

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2023