Kardiogener Schwindel: Rhythmusstörungen als Verursacher

15.12.2023 | Medizin

Herzrhythmusstörungen sind der häufigste Auslöser für einen kardiologisch bedingten Schwindel. Ebenso müssen auch die mit dem Alter zunehmende Bradyarrhythmie und Extrasystolen als Ursache in Betracht gezogen werden.

Martin Schiller

Herzrhythmusstörungen, orthostatische Hypotonie und Herzklappenerkrankungen sind die bedeutendsten Auslöser für wiederkehrenden Schwindel mit oder ohne Synkopen. Laut Literatur ist eine Bradyarrhythmie die häufigste kardiale Ursache einer Schwindelattacke. Das Risiko dafür erhöht sich im Alter, weil die Frequenz des Sinusknotens als Schrittmacher des Herzens abnimmt. „Die Impulse des Sinusknotens werden dann unter Umständen nicht mehr bis in die Herzspitze geleitet, wodurch es zu einem sehr langsamen Herzschlag kommt, der zu Schwindelzuständen führen kann“, erklärt Univ. Prof. Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie am AKH Wien. Auch tachykarde Rhythmusstörungen kommen als Auslöser für Schwindel in Frage, wie Helmut Geiger von der Internen Abteilung II am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern ausführt. „Schlägt das Herz schnell, kann es sich nicht mehr gut mit Blut füllen und der Kreislauf wird beeinträchtigt. Das kann zu Schwindelzuständen führen, besonders im Fall von Vorhofflimmern.“ Geiger verweist außerdem darauf, dass Schwindel im Rahmen einer tachykarden Rhythmusstörung Vorbote einer Synkope sein kann.Unter den Arrythmien sind auch Extrasystolen als Schwindelauslöser zu nennen. Hengstenberg dazu: „Einzelne Extraschläge sind noch nicht maßgeblich, aber wenn sie hintereinander und schnell nacheinander kommen, hat das Herz nur eine kurze Zeitspanne, um Blut aufzunehmen und auszuwerfen. Als Folge davon verschlechtert sich die Durchblutung des Gehirns und der Blutdruck fällt ab, wodurch Schwindel ausgelöst wird.“

Ein weiterer möglicher Auslöser ist eine Erkrankung der Aortenklappe. „Bei der Aortenklappenstenose ist Schwindel aber nicht das Leitsymptom. Die klassische Symptom-Trias ist Dyspnoe, Angina pectoris und Synkope“, sagt Geiger. Unmittelbar vor der Synkope kann ein kurzer Schwindel auftreten. Zur belastungsinduzierten Synkope kommt es, wenn das Herzzeitvolumen nicht ausreichend erhöht werden kann, um den Bedarf an die körperliche Aktivität anzupassen. Auch unmittelbar nach einer Belastung ist eine Synkope möglich, wie Geiger anhand eines Beispiels aus dem Alltag veranschaulicht: „Jemand synkopiert nicht dann, während er dem Bus hinterherläuft, sondern erst, wenn er stehen bleibt.“ Ist Schwindel mit Atemnot, Thoraxschmerzen oder sonstigen kardialen Symptomen verbunden, dann stehe dieser laut Geiger zwar nicht im Vordergrund. Aber in jedem Fall liege dann meist ein lebensbedrohlicher Zustand vor, der rasches Handeln erfordert.

Schwindel in Ruhe selten kardiologisch bedingt

Schwindel in Ruhe sei ganz generell – im Vergleich zu neurologisch und otorhinologisch ausgelösten Schwindelzuständen – seltener kardiologisch bedingt, berichtet Geiger. Bei Schwindel unter Belastung müsse aber jedenfalls an eine kardiologische Ursache gedacht werden und eine rasche Abklärung erfolgen. „In solchen Fällen sollte ein EKG durchgeführt werden. Es ist zu 97 bis 98 Prozent spezifisch für strukturelle Herzerkrankungen.“ Hengstenberg ergänzt, dass er zusätzlich auch einen Herz-Ultraschall als enorm wichtig erachtet.

Jedenfalls eine weitere Abklärung erfordern auch kurz andauernde Bewusstlosigkeitszustände. Geiger dazu: „Diese Blackouts kündigen sich nicht an und aufgrund der fehlenden Warnzeichen machen sich viele Betroffene auch keine gesteigerten Sorgen dazu. Bei einer kardiologischen Ursache der Synkopen kann diese fehlende Beunruhigung allerdings sehr gefährlich für den Patienten werden.“ Kardiologisch auf den Grund gehen müsse man auch jedem Sturz, „da es sich um eine kardiale Synkope gehandelt haben kann“.

Herzinsuffizienz als indirekter Auslöser

Auch im Rahmen einer Herzinsuffizienz kann es zu Schwindel kommen – jedoch auf indirekte Weise, wie Geiger ausführt: „Die Therapie der Herzinsuffizienz wird mit herzentlastender und blutdrucksenkender Medikation durchgeführt. Bei Einnahme von ACE-Hemmern, Diuretika und Entresto® kann es durch die Blutdrucksenkung vor allem zu Beginn der Therapie und bei Lagewechsel in die Orthostase zu Schwindel kommen. Auch bei Beta-Blockern kann Schwindel als Nebenwirkung auftreten.“ Eine stärker ausgeprägte Herzschwäche könne zwar Schwindel auch direkt auslösen, dieser Vertigo sei dann aber ein Begleitsymptom von Abgeschlagenheit und Müdigkeit.

Ein Blutdruckabfall beim Aufsetzen oder Aufstehen kann ebenfalls Schwindel erzeugen, wenn die Gefäßkontraktion zur Aufrechterhaltung des Blutdrucks verzögert abläuft. Hengstenberg verweist darauf, dass Medikamente dabei eine Rolle spielen können: „Alpha-Blocker führen dazu, dass die Gegenregulation nicht ausreichend schnell stattfindet, wodurch es bei Einnahme dieser Arzneimittel häufiger zu einer orthostatischen Hypotonie und dadurch bedingte Schwindelsymptome kommt.“ Auch Betablocker könnten aufgrund der dämpfenden Wirkung auf die Herzfrequenz Schwindelgefühle bei Lagewechsel auslösen. In manchen Fällen sei es laut Hengstenberg daher notwendig, die Dosierung es Beta-Blockers anzupassen.

Laut Geiger könne auch eine schwere Hypertonie, speziell wenn sie akzeleriert verläuft, oft mit Schwindel als einziges Symptom einhergehen. Zu Beginn einer antihypertensiven Therapie sei wie bei der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz ein orthostatischer Schwindel möglich.

Im Sinn der Prävention rät er ab dem 50. Lebensjahr zu einer regelmäßigen Untersuchung im Hinblick auf allfällige kardiologische Risikofaktoren. „Auch wenn noch keine Beschwerden vorliegen, sollte neben der Kontrolle der Cholesterin- und Blutzuckerwerte der Blutdruck gemessen und eine Auskultation des Herzens erfolgen. Dieser kleine Check ist aus meiner Sicht für jeden gesunden Menschen ab 50 sinnvoll.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2023