FAQs: Pro­sta­ta­kar­zi­nom kompakt

24.03.2023 | Medizin

Die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen rund um das Thema „Pro­sta­ta­kar­zi­nom“ bie­tet fol­gende Übersicht.

65.000 Män­ner in Öster­reich … leben mit einem Pro­sta­ta­kar­zi­nom, der häu­figs­ten Krebs­er­kran­kung bei Män­nern mit einem mitt­le­ren Erkran­kungs­al­ter von 69 Jah­ren. Pro Jahr gibt es rund 5.700 Neu­erkran­kun­gen; knapp 1.200 Betrof­fene ver­ster­ben jähr­lich daran. Wäh­rend die Inzi­denz seit 2013 steigt – sie liegt bei rund 25 Pro­zent aller Kar­zi­nome –, ist die Mor­ta­li­tät rück­läu­fig. Das rela­tive Fünf-Jah­res-Über­le­ben beträgt in Öster­reich 91 Pro­zent. Auch wenn etwa 70 Pro­zent der Tumore in einem behan­del­ba­ren Sta­dium dia­gnos­ti­ziert wer­den, ist das Pro­sta­ta­kar­zi­nom – nach dem Lun­gen­kar­zi­nom – die zweit­häu­figste töd­lich ver­lau­fende Krebserkrankung.

Wich­tigs­ter Risi­ko­fak­tor … ist das Alter. Ins­ge­samt erkran­ken 59 Pro­zent der Män­ner über 79 Jahre. Die Inzi­denz bei Män­nern unter 40 Jah­ren liegt bei 0,7/100.000, bei 65- bis 69-Jäh­ri­gen bei 905/100.000, so die Sur­veil­lance, Epi­de­mio­logy and End Result (SEER) Daten­bank des Natio­nal Can­cer Insti­tute in den USA.

Ver­erb­li­che Ursa­chen … sind bei etwa neun Pro­zent der Betrof­fe­nen nach­ge­wie­sen. Das Krank­heits­ri­siko ver­dop­pelt sich bei Ver­wand­ten ers­ten Gra­des. Dann wird eine Vor­sor­ge­un­ter­su­chung ab dem 40. Lebens­jahr empfohlen.

Der PSA-Test … ermög­licht es, etwa 70 Pro­zent der Tumore in einem kura­tiv behan­del­ba­ren Sta­dium zu dia­gnos­ti­zie­ren. In circa 30 Pro­zent der Fälle sind bereits Meta­sta­sen vorhanden.

Der PSA-Wert … kann bei benig­nen und mali­gnen Erkran­kun­gen der Pro­stata erhöht sein, wobei ein nied­ri­ger PSA ein Kar­zi­nom nicht aus­schließt. Der Grenz­wert von 4ng/​ml muss zusam­men mit Kli­nik, Alter, Kom­or­bi­di­tä­ten, Pro­sta­ta­vo­lu­men und der digi­ta­len rek­ta­len Unter­su­chung (DRU) beur­teilt wer­den. Bei der Nach­sorge bedeu­tet ein PSA-Anstieg über 0,2 ng/​ml nach einer Ope­ra­tion oder um 2 ng/​ml über den nied­rigs­ten gemes­se­nen Wert nach einer Bestrah­lung ein bio­che­mi­sches Rezidiv.

Indi­ka­tio­nen für eine Biop­sie … sind

  • ein suspek­ter rek­ta­ler Tast­be­fund bei digi­ta­ler rek­ta­ler Unter­su­chung (DRU)
  • ein suspek­ter PSA-Wert (Pro­sta­ta­spe­zi­fi­sches Anti­gen) bezie­hungs­weise PSA-Verlauf
  • Auf­fäl­lig­kei­ten in bild­ge­ben­dem Verfahren.

Der Gold­stan­dard bei der Dia­gnose … ist die Ultra­schall-gezielte trans­rek­tal durch­ge­führte Pro­sta­ta­bi­op­sie in zwei Ebe­nen. Schwer­wie­gende Kom­pli­ka­tio­nen lie­gen dabei unter einem Pro­zent. In Lokal­an­äs­the­sie wer­den zehn bis zwölf Stan­zen ent­nom­men. Bei Biop­sie-nai­ven Pati­en­ten wird eine mul­ti­pa­ra­me­tri­sche MRT (mpMRT) emp­foh­len, sodass zusätz­lich gezielte Pro­ben mit einem Com­pu­ter-gestütz­ten Navi­ga­ti­ons­sys­tem ent­nom­men wer­den kön­nen. Diese Fusi­ons­bi­op­sie weist in Hin­blick auf aggres­si­vere oder grö­ßere Tumore gute Sen­si­ti­vi­tät auf. Aber: Eine unauf­fäl­lige MRT spricht nicht gänz­lich für den Ver­zicht einer Biop­sie. Bei der mpMRT wer­den mit­tels T2-gewich­te­ter und funk­tio­nel­ler Bild­ge­bungs­tech­nik Areale mit ver­än­der­tem Kon­trast­mit­tel­ver­hal­ten nach einem stan­dar­di­sier­ten Schema beurteilt.

Klas­si­fi­ka­tion … ent­spre­chend der PI-RADS v2 (Protate Ima­ging Report­ing and Data Sys­tem Ver­sion 2):

  • PI-RADS-Score 1–2 = Kar­zi­nom unwahr­schein­lich = keine Zielbiopsie
  • Score 4 = erhöhte Wahr­schein­lich­keit für ein Kar­zi­nom (27 Pro­zent) = Ent­nahme von Ziels­tan­zen empfohlen
  • Score 5 = sehr hohe Wahr­schein­lich­keit für Kar­zi­nom (88 Pro­zent) = Ent­nahme von Ziels­tan­zen unbe­dingt erforderlich.

Bei der his­to­lo­gi­schen Beur­tei­lung … des Biop­sie-Prä­pa­ra­tes wer­den die Pro­sta­ta­zy­lin­der nach der ISUP 2014 Glea­son Gra­du­ie­rung ein­ge­teilt. Der Glea­son Grad beur­teilt das Pro­sta­ta­ge­webe nach dem Grad der Ent­dif­fe­ren­zie­rung vom gesun­den Gewebe mit Note 1 für gut dif­fe­ren­ziert bis 5 für ent­dif­fe­ren­ziert. Für den Glea­son-Score wer­den der häu­figste und zweit­häu­figste Wert addiert.

Beschwer­den … tre­ten oft erst im fort­ge­schrit­te­nen Sta­dium auf. Sym­ptome, die auch bei benig­nen Pro­sta­ta­ver­grö­ße­run­gen auf­tre­ten, sind abge­schwäch­ter Harn­strahl, Rest­harn­bil­dung, Häma­tu­rie und Harn­ver­hal­tung. Im metasta­sier­ten Sta­dium kön­nen Kno­chen­schmer­zen, Anämie, Nie­ren­suf­fi­zi­enz und Kach­e­xie auftreten.

Die Rezi­div-Wahr­schein­lich­keit … wird in drei Risi­ko­grup­pen anhand von DRU, PSA-Wert und His­to­lo­gie eingeteilt:

  • nied­ri­ges Risiko: PSA ≤ 10ng/​ml und Glea­son Score 6 und cT1c-cT2a
  • inter­me­diä­res Risiko: PSA 10–20 ng/​ml oder Glea­son-Score 7 oder cT2b
  • hohes Risiko: PSA > 20 ng/​ml oder Glea­son-Score ≥ 8 oder ≥ cT2c

Die Behand­lung … rich­tet sich nach dem Tumor­sta­dium, dem Alter, den Kom­or­bi­di­tä­ten und der geschätz­ten Lebenserwartung.

Beim lokal begrenz­ten, fort­ge­schrit­te­nen Pro­sta­ta­kar­zi­nom … wird ein kura­ti­ver The­ra­pie­an­satz angestrebt.

  • „Active sur­veil­lance“ bei Nied­rig-Risi­ko­kar­zi­no­men mit gerin­gem Krebs-spe­zi­fi­schem Mor­ta­li­täts­ri­siko und kei­ner zu erwar­ten­den Ein­schrän­kung der Lebensqualität.
  • Lokale Pro­sta­tek­to­mie bei einer geschätz­ten Lebens­er­war­tung von mehr als zehn Jah­ren inklu­sive Ent­fer­nung der Pro­stata und der Samen­bla­sen. In der Folge kann es Kon­ti­nenz- und Potenz­pro­bleme geben. Der PSA-Wert sollte post­ope­ra­tiv zwi­schen 0,0 und 0,2 liegen.
  • Die Bestrah­lung ist der Gold­stan­dard beim lokal fort­ge­schrit­te­nen Sta­dium in allen Risi­ko­grup­pen. Für die Dosis-eska­lierte, Inten­si­täts-modu­lierte Strah­len­the­ra­pie mit­tels bild­ge­führ­ten Tech­ni­ken wird eine Hor­mon­blo­ckade empfohlen.

Beim metasta­sie­ren­den Pro­sta­ta­kar­zi­nom … stellt die Andro­gen­de­pri­va­tions-The­ra­pie die Grund­lage dar.

  • Die Hor­mon­the­ra­pie zielt auf die Sup­pres­sion der Tes­to­ste­ron­pro­duk­tion oder eine Hem­mung der Tes­to­ste­ron­wir­kung ab. Hor­mon­ent­zug ist durch Orchiek­to­mie, GnRH-Ana­loga, GnRH-Ant­ago­nis­ten und Anti­an­dro­gene mög­lich in Kom­bi­na­tion mit Bestrah­lung oder Che­mo­the­ra­pie. Ziel ist ein Serum­tes­to­ste­ron­spie­gel <50 ng/dl=1,5 nmol/​l. Neben­wir­kun­gen sind Hit­ze­wal­lun­gen, kogni­tive Ver­än­de­run­gen, Müdig­keit und Anämie.
  • Die Che­mo­the­ra­pie mit Doce­ta­xel oder Caba­zi­ta­xel kommt beim kas­tra­ti­ons­re­sis­ten­ten metasta­sie­ren­den Pro­sta­ta­kar­zi­nom zum Ein­satz. Bei hoher Tumor­last ergibt sich ein media­ner Über­le­bens­vor­teil von zehn bis 17 Monaten.
  • Neue Anti­an­dro­gene inhi­bie­ren den Andro­gen­re­zep­tor-Signal­weg oder enzy­ma­tisch die Tes­to­ste­ron­pro­duk­tion. Sie wer­den in allen drei Sta­dien des fort­ge­schrit­te­nen Pro­sta­ta­kar­zi­noms angewendet.

(JF)

Quelle: State of the Art: „Pro­sta­ta­kar­zi­nom“ von Priv. Doz. Dr. Anton Pon­hol­zer, Dr. Sebas­tian Len­art, ÖÄZ 5/10.3.2021

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2023