DOAKs: Swit­ching statt bridging

26.04.2023 | Medizin

Wenn DOAKs prä­ope­ra­tiv pau­siert wer­den, sollte zur Über­brü­ckung kein nie­der­mo­le­ku­la­res Hepa­rin ver­ab­reicht wer­den. Anstelle der frü­her prak­ti­zier­ten „Bridging-Stra­te­gie“ ist man zum „Swit­ching“ über­ge­gan­gen. Die Anti­ko­agu­la­tion wird prä­ope­ra­tiv – jeweils nach dem erfor­der­li­chen Zeit­in­ter­vall – abgesetzt. 

Julia Fleiß

Durch den guten „On“- und „Off“-Effekt von DOAKs (direkte orale Anti­ko­agu­lan­tien) ist das „Bridging“ von Pati­en­ten, denen ein ope­ra­ti­ver Ein­griff bevor­steht, ein­fa­cher zu pla­nen, wenn nicht sogar obso­let. Das betont Univ. Prof. Sabine Eichin­ger-Hasen­auer von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin I der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. Mit deren Ein­füh­rung vor eini­gen Jah­ren habe sich eine Alter­na­tive für Vit­amin K‑Antagonisten für die Behand­lung von arte­ri­el­len und venö­sen thrombo-embo­li­schen Ereig­nis­sen erge­ben. DOAK sind für die Throm­bo­em­bo­lie-Pro­phy­laxe bei nicht-val­vu­lä­rem Vor­hof­flim­mern und zur Behand­lung und Sekun­där­pro­phy­laxe bei venö­sen Throm­bo­em­bo­lien zuge­las­sen. Hier werde laut den inter­na­tio­na­len Emp­feh­lun­gen den NOAKs der Vor­zug gege­ben, da sie „ein nied­ri­ge­res Blu­tungs­ri­siko auf­wei­sen und keine regel­mä­ßige Über­wa­chung der The­ra­pie erfor­der­lich machen“, wie Eichin­ger-Hasen­auer wei­ter ausführt.

Ein­nahme und Abbau unterschiedlich

Es gibt vier zuge­las­sene DOAKs: den direk­ten Thrombin(Gerinnungsfaktor IIa-) Inhi­bi­tor Dabiga­tran und die direk­ten Gerin­nungs­fak­tor Xa-Inhi­bi­to­ren Rivaro­x­a­ban, Apix­a­ban und Edox­a­ban. Sie unter­schei­den sich teil­weise in der Ein­nahme (Rivaro­x­a­ban und Edox­a­ban ein­mal täg­lich, Apix­a­ban zwei­mal täg­lich) und im Abbau. Dabiga­tran wird zu 80 Pro­zent über die Niere aus­ge­schie­den, Edox­a­ban zu 50 Prozent.

Für elek­tive ope­ra­tive Ein­griffe bei Pati­en­ten, die DOAKs ein­neh­men, gibt es laut Eichin­ger-Hasen­auer und Assoz. Prof. Tho­mas Gary, Fach­arzt für Innere Medi­zin und Gefäß­me­di­zin aus Graz, ganz klare Vor­ga­ben: Beim peri­ope­ra­ti­ven Manage­ment gelte es, das Blu­tungs­ri­siko des geplan­ten Ein­griffs gegen die Gefahr von Throm­bo­em­bo­lien durch Unter­bre­chung der Anti­ko­agu­la­tion abzu­wä­gen. Ein wei­te­rer wesent­li­cher Fak­tor ist die glome­ru­läre Fil­tra­ti­ons­rate – gemes­sen an der Crea­ti­nin-Cle­arance: Je nach­dem, wie hoch die­ser Wert ist, und je nach DOAK liegt der Zeit­punkt für das Abset­zen der Medi­ka­tion zwi­schen 24 bis zu 96 Stun­den vor einem geplan­ten Ein­griff. Bei einer Ope­ra­tion mit gerin­gem Blu­tungs­ri­siko muss die Anti­ko­agu­la­tion laut Eichin­ger-Hasen­auer im Vor­feld nicht abge­setzt wer­den. Bei einem Ein­griff mit einem Stan­dard­ri­siko für Blu­tun­gen gilt für alle Fak­tor Xa-Inhi­bi­to­ren, dass sie 24 Stun­den zuvor pau­siert wer­den sol­len. Bei einer Ope­ra­tion mit hohem Blu­tungs­ri­siko wer­den sie min­des­tens 48 Stun­den vor­her abge­setzt. Bei Dabiga­tran ver­län­gert sich das Abset­z­in­ter­vall je nach Nie­ren­funk­tion. „Es muss abge­war­tet wer­den, bis das Prä­pa­rat aus­ge­schie­den ist. Bei schlech­ter Nie­ren­funk­tion und einem Ein­griff mit hohem Blu­tungs­ri­siko kann das 96 Stun­den dau­ern“, erklärt Gary.

Beide Exper­ten beto­nen: „Wich­tig ist, dass man prä­ope­ra­tiv kein nie­der­mo­le­ku­la­res Hepa­rin zur Über­brü­ckung gibt, wäh­rend die DOAK pau­siert wer­den.“ Die frü­her gän­gige „Bridging“-Strategie wurde in den ver­gan­ge­nen Jah­ren immer mehr in Zwei­fel gezo­gen. „DOAKs wir­ken ein bis zwei Tage nach der Ein­nahme und wer­den in die­ser Zeit aus­ge­schie­den. Wir reden nun vom ‚Swit­ching‘, las­sen das Medi­ka­ment vor einer Ope­ra­tion aus und benö­ti­gen kein ‚Bridging‘“, erklärt Gary. Eichin­ger-Hasen­auer ergänzt: „Prä­ope­ra­tiv ver­ab­reich­tes nie­der­mo­le­ku­la­res Hepa­rin führt erst recht dazu, dass der Pati­ent über­an­ti­ko­agu­liert ist und das Blu­tungs­ri­siko erhöht ist.“

Nicht zu früh absetzen

„Die ora­len Anti­ko­agu­lan­tien nicht zu früh abset­zen!“, warnt Eichin­ger-Hasen­auer in Anbe­tracht von Erfah­run­gen, dass Pati­en­ten oft zu lange vor einem Ein­griff die Ein­nahme von Blut­ver­dün­nern aus­set­zen. Das müsse man den Pati­en­ten im Vor­feld auch ent­spre­chend erklä­ren. „Post­ope­ra­tiv star­tet man wie­der mit der Ein­nahme der DOAKs, sobald der Chir­urg grü­nes Licht gibt. Bei den meis­ten Ein­grif­fen erfolgt das noch wäh­rend des Auf­ent­halts im Spi­tal“, sagt Gary. Wich­tig für den All­ge­mein medi­zi­ner: Drei bis vier Stun­den nach der Ein­nahme von DOAKs ist der Pati­ent voll­stän­dig anti­ko­agu­liert. Dazu Eichin­ger-Hasen­auer: „Übli­cher­weise star­tet man frü­hes­tens acht Stun­den nach dem Ein­griff mit nie­der­mo­le­ku­la­rem Hepa­rin in Pro­phy­la­xe­do­sis. Je nach Throm­bo­em­bo­lie-Risiko und je nach­dem, wie die Ope­ra­tion ver­lau­fen ist, kann ab dem zwei­ten post­ope­ra­ti­ven Tag auf the­ra­peu­ti­sche Dosen von nie­der­mo­le­ku­la­rem Hepa­rin gestei­gert wer­den.“ Basie­rend auf der Ein­schät­zung des Chir­ur­gen kann laut ihr frü­hes­tens 48 Stun­den nach dem Ein­griff die Ein­nahme des DOAK in the­ra­peu­ti­scher Dosis erfolgen.

Vor­ge­hen im Notfall

„Geht man bei einem elek­ti­ven Ein­griff wie beschrie­ben vor, dann ist die Ursa­che einer akut auf­tre­ten­den Blu­tung wäh­rend einer Ope­ra­tion nicht die Blut­ver­dün­nung“, ver­si­chert Gary. Daher bringe die Ver­ab­rei­chung eines Anti­dots in die­sen Fäl­len nichts. Anders hin­ge­gen ist das Vor­ge­hen bei einer aku­ten Blu­tung auf­grund eines Unfalls oder bei einer akut not­wen­di­gen Ope­ra­tion: „Han­delt es sich um einen Pati­en­ten, der Dabiga­tran ein­nimmt, ver­ab­reicht man Idaru­ci­zu­mab, ein spe­zi­fi­sches Infu­si­ons­pro­dukt, das die Sub­stanz schlag­ar­tig bin­det und die Wir­kung bin­nen weni­ger Minu­ten auf­hebt.“ Bei Fak­tor Xa-Inhi­bi­to­ren gibt es laut Gary zwei Stra­te­gien: Zum einen die Gabe von „And­e­xa­net alfa“, einem rekom­bi­nan­ten Fak­tor X, der auf­grund der hohen Kos­ten nur bei Nischen-Indi­ka­tio­nen wie etwa beim Poly­trauma ein­ge­setzt wird. Alter­na­tiv kom­men die Fak­to­ren­kon­zen­trate Beri­plex oder Pro­throm­plex zum Einsatz.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 8 /​25.04.2023