Bakerzyste: Unfallfolge als Nebenbefund

10.09.2023 | Medizin

Bei Erwachsenen entsteht die Bakerzyste entweder als Folge einer Läsion des medialen Meniskus oder einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes. Sie ist häufig ein Nebenbefund bei einem Ultraschall oder einem MRT. Eine operative Behandlung erfolgt meist in Kombination mit einer arthroskopischen Sanierung der zugrundeliegenden Gelenkspathologie.

Irene Mlekusch

Die poplitealen Bakerzysten finden sich am häufigsten entweder im Kindesalter zwischen vier und sieben Jahren oder bei Erwachsenen ab 35 Jahren, wobei die Prävalenz typischerweise mit dem Alter zunimmt. Priv. Doz. Stefan Fischerauer von der Abteilung für Sport-, Knorpel- und Gelenkchirurgie an der Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie der Medizinischen Universität Graz verweist darauf, dass Bakerzysten bei Kindern oft asymptomatisch und selbstlimitierend sind. Für gewöhnlich finden sich popliteale Zysten bei Kindern zufällig – ohne vorangegangenes Trauma. Diese primären Bakerzysten entstehen durch eine Auswölbung der posterioren Synovialkapsel und haben meist keine klinische Relevanz.

Bei Erwachsenen entstehen Bakerzysten meist sekundär als Folge einer intraartikulären Pathologie des Kniegelenks. „Da die Bakerzyste eine Ausbreitung des Gelenksergusses bei verschiedenen pathologischen Veränderungen des Kniegelenkes in die mit dem Gelenk kommunizierende Bursa zwischen Semimembranosus und Gastrocnemius darstellt, ist sie ein häufiger Nebenbefund bei bildgebenden Verfahren wie MRT und Ultraschall“, erklärt Univ. Prof. Reinhard Windhager von der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Medizinischen Universität Wien. Darüber hinaus hätten Querschnittsuntersuchungen eine Prävalenz von asymptomatischen Bakerzysten von circa acht Prozent bei gesunden Erwachsenen ergeben, ergänzt Fischerauer. Wobei in 70 bis 80 Prozent ein Zusammenhang mit Läsionen des medialen Meniskus besteht, in 30 Prozent ein Zusammenhang mit einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes.

Weitere Pathologien, die bei der Entstehung einer Bakerzyste eine Rolle spielen, sind traumatische Ereignisse und degenerative Kniegelenkserkrankungen wie Osteoarthritis, rheumatoide Arthritis, infektiöse Arthritis, villonoduläre Synovitis, Meniskuseinriss, Morbus Behçet, Psoriasis-Arthritis sowie Bindegewebserkrankungen. Somit steigt die Prävalenz für eine popliteale Zyste einerseits mit dem Alter, andererseits auch mit zunehmendem Arthrosegrad. Den Aussagen von Fischerauer zufolge kommt es im Rahmen von degenerativen Veränderungen bei 30 bis 60 Prozent der Betroffenen zu einer Bakerzyste. Da intraartikuläre Pathologien oft mit Ergüssen einhergehen, kann der Bakerzyste durch die Reduktion des hydraulischen Drucks auch ein gewisser protektiver Effekt für das Knie zugesprochen werden. Pathophysiologisch gibt es je nach der zugrundeliegenden Ursache verschiedene Mechanismen, die zur Entstehung einer sekundären Bakerzyste führen können.

Die Betroffenen kommen zum Arzt, weil sie in der Kniekehle eine prall elastische Schwellung spüren oder in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind. „Die häufigsten Symptome sind Spannungsgefühl sowie Schmerzhaftigkeit bei Kniebeugung und bei ausgedehnter Bakerzyste auch Schmerzen bei endlagiger Streckung“, sagt Windhager. Besonders große Bakerzysten können zur Kompression der umliegenden Gefäße führen und dadurch im Unterschenkel Schwellung, Erythem, Ödem und ein positives Homan-Zeichen verursachen. Daher stellt die tiefe Beinvenenthrombose eine wichtige Differentialdiagnose zur Bakerzyste dar. „Vor allem rupturierte Bakerzysten können in ihrer Symptomatik einer tiefen Beinvenenthrombose ähneln“, warnt Fischerauer. Und weiter: „Werden diese Patienten antikoaguliert, kann es zu Blutungen der Bakerzyste kommen.“ In Studien konnte gezeigt werden, dass die Prävalenzraten von Bakerzysten und tiefen Beinvenenthrombosen zwar ähnlich sind. Jedoch gibt es zwischen den beiden Erkrankungen weder alters- noch geschlechtsabhängige Zusammenhänge und auch nach der Diagnose ‚Bakerzyste‘ besteht keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose. „Die klinische Differentialdiagnose umfasst sämtliche Raumforderungen im Bereich der Kniekehle von Tumoren bis hin zum Aneurysma reichend, die jedoch durch bildgebende Verfahren klar zu differenzieren sind“, fasst Windhager zusammen.

Im Ultraschall lassen sich die zystische Konsistenz, Größe und Lokalisation der Bakerzyste gut darstellen. Nach Ansicht von Windhager reicht die Sonographie aber lediglich bei asymptomatischen Fällen zur Verifizierung der Zyste aus. „Da die Ursache für die Bakerzyste die vermehrte Produktion von Gelenkflüssigkeit darstellt, ist eine Analyse der intraartikulären pathologischen Veränderungen erforderlich, für welche sich die MRT-Bildgebung als Untersuchung der Wahl empfiehlt“, gibt er zu bedenken. Ebenso sei auch bei einer symptomatischen Bakerzyste und einem schmerzfreien Kniegelenk die MRT-Untersuchung vorzuziehen, da sie „gleichzeitig Informationen über Veränderungen im Kniegelenk gibt“, betont Windhager.

In der überwiegenden Zahl der Bakerzysten ist keine Behandlung erforderlich. Ein wesentlicher therapeutischer Ansatz bestehe laut Fischerauer darin, dass die Patienten hinsichtlich der Ursache aufgeklärt werden. Im Kindesalter führt eine chirurgische Sanierung bei etwa 40 Prozent zu einem Rezidiv, während es bei rund der Hälfte der konservativ behandelten Kinder zu einer partiellen oder totalen Remission kommt. „Prinzipiell sind konservative Behandlungsoptionen bei symptomatischen Bakerzysten zu bevorzugen, sofern keine behandlungswürdige Gelenkspathologie vorliegt“, bekräftigt Windhager. Er nennt hier einerseits die Zystenpunktion mit Instillation von Kortison kombiniert mit Fenestration der Zyste oder aber die intraartikuläre Instillation von Kortison sowie eine Kombination der beiden Verfahren. Die Auswahl wird in der Regel von den Symptomen gesteuert. Als „essentiell“ bezeichnet Windhager die Differenzierung zwischen einfachen und komplexen, multilobulierten Bakerzysten, da letztere mit einer höheren Rezidivrate einhergehen und eine polytope Instillation von Kortison benötigen. „Ein bleibender Erfolg ist bei konservativer Behandlung nicht immer gegeben“, erinnert Fischerauer. Treten innerhalb von sechs Monaten zwei Rezidive oder innerhalb eines Jahres drei Rezidive auf, könne eine chirurgische Sanierung erwogen werden.


Komplikationen

Wird der Druck in der Zyste zu hoch, kann die Bakerzyste rupturieren. Dabei kommt es zu einem einschießenden Schmerz in der Kniekehle und Wade in Kombination mit einer neu aufgetretenen Wadenschwellung. Manche Patienten beschreiben es so, als würde Wasser über ihre Wade rinnen. Bei einer extremen Größenzunahme der Bakerzyste und/oder im Fall einer Ruptur kann es zu einer irritativen Kompression oder einem Entrapment des posterioren N. tibialis kommen. In seltenen Fällen kann eine rupturierte Bakerzyste auch die Ursache für einen arteriellen Gefäßverschluss und ein anteriores oder posteriores Kompartment darstellen. Zu einer Infektion der Bakerzyste kommt es eher bei verschiedenen Grunderkrankungen wie septische Arthritis, rheumatische Erkrankungen oder Patienten unter Immunsuppression.


Beide Experten betonen, dass eine isolierte operative Behandlung der Bakerzyste nur selten indiziert ist und deren Behandlung in den meisten Fällen mit einer arthroskopischen Sanierung der zugrundeliegenden Gelenkspathologie erfolgt. Fischerauer fügt hinzu: „Kann die zugrundeliegende Pathologie nicht behoben werden, kann eine arthroskopische Erweiterung des Ventil-Mechanismus am Zystenursprung die Symptome deutlich lindern. Multilobulierte Zysten können zusätzlich arthroskopisch unterstützt reseziert werden.“ Offene chirurgische Verfahren sind die Ausnahme und werden nur noch bei sehr großen, ausgedehnten oder eingebluteten Bakerzysten, die auch eine Stauung im Unterschenkel hervorrufen, eingesetzt. „Liegen deutliche Arthrosezeichen vor, ist die arthroskopische Intervention ebenfalls nicht indiziert und ein Gelenkersatz ins Auge zu fassen, im Rahmen dessen die Zyste ebenso behandelt werden kann“, fasst Windhager zusammen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2023