Arthralgie der Fingergelenke: Schmerz frühzeitig bekämpfen

24.11.2023 | Medizin

Bei Arthralgien der Fingergelenke appellieren Experten, dass die Betroffenen keinesfalls den Schmerz ertragen sollten. Die daraus resultierenden Fehlhaltungen stellen den Nährboden für eine weitere Verschlechterung der Abnützungs-erscheinungen dar. Experten raten u.a. auch dazu, bei der Lokaltherapie Analgetika-  beziehungsweise NSAR-Salben einzusetzen.

Martin Schiller

Arthralgien der Fingergelenke können vielfältige Auslöser haben: Unfälle, Traumata, Verletzungen, Infektionen sowie mechanische Ursachen, die individuell durch berufliche Tätigkeiten oder Freizeit und Sport bedingt sind. Sie können jedoch auch das Einstiegssymptom für eine Gelenkserkrankung sein und bedürfen daher einer ausführlichen Anamneseerhebung und Untersuchung. „Zu den häufigsten Ursachen von Arthralgien der Fingergelenke gehört die Arthrose“, sagt Univ. Prof. Daniel Aletaha von der Universitätsklinik für Innere Medizin III an der Medizinischen Universität Wien. Er formuliert die wichtigsten Fragen an den Patienten zur Abklärung: „Wie lange besteht die Arthralgie schon? Besteht zusätzlich zum Schmerz auch eine Schwellung oder eine Morgensteifigkeit von einer Stunde oder länger? Ist es morgens nicht möglich, mit den Fingern eine Faust zu machen? Daraus könnten sich Hinweise auf eine entzündliche Erkrankung wie Rheumatoide Arthritis ergeben.“ Univ. Prof. Hans-Peter Brezinšek von der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz bestätigt: „Bekommt ein Patient in der ersten Stunde nach dem Aufstehen seine Finger nicht in die Handinnenfläche hinein oder kann zum Beispiel eine Kaffeetasse nicht halten, sollte man in rheumatolgischer Hinsicht hellhörig werden.“ Wenn es darüber hinaus in der engeren Verwandtschaft Personen mit chronisch-entzündlichen Gelenkserkrankungen gibt, könnte es sich auch bei der betreffenden Person um den Beginn einer solchen Erkrankung handeln, so der Experte.

Die European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) hat Kriterien definiert, bei denen Arthralgien eventuell ein Hinweis auf eine chronisch-entzündliche Gelenkserkrankung sein können. Die Definition bezieht sich auf das Krankheitsstadium, in dem noch keine klinische Synovitis vorliegt. Die Gesamtliste enthält dabei 55 Parameter, unter denen sieben als relevant identifiziert wurden, darunter Symptome an den Fingergrundgelenken. „Beginnen die Schmerzen nach Mitternacht und erreichen in den frühen Morgenstunden den Höhepunkt, liegt ebenfalls ein Hinweis auf eine beginnende Entzündung des Gelenks vor“, erklärt Brezinšek. Neben Rheumatoider Arthritis komme auch eine Psoriasis-Arthritis als Diagnose in Frage. Diese betreffe häufig die Fingergelenke, könne aber hinsichtlich Entzündungsparameter im Blutbefund unauffällig sein.

Aletaha verweist auf die Möglichkeit, dass Arthralgien auch in Form von kurzen Episoden auftreten können – etwa parainfektiös. „Bei einer entsprechenden Veranlagung kann die Arthralgie Begleiterscheinung von Infekten wie COVID-19 oder von einer Influenza sein. Sie klingt aber nach dem überstandenen Infekt wieder ab.“ Liegt kein Infekt vor und besteht die Arthralgie schon länger als zwei Tage, empfiehlt er ein Röntgen und ein Blutbild, um allfällige systemische Entzündungszeichen abzuklären.

Dazu zählt auch eine Untersuchung auf Druckschmerzhaftigkeit: „Jedes Fingergelenk wird systematisch und konsistent abgetastet. Daraus ergeben sich zwei Befunde: der Schmerz selbst sowie eine mögliche entzündliche Schwellung.“ Die Empfehlung von Brezinšek hinsichtlich der Bildgebung: „Bei jedem Patienten, der über länger andauernde Fingergelenkbeschwerden klagt, sollte ein Röntgen von beiden Händen und beiden Vorfüßen durchgeführt werden, auch wenn der Schmerz nur an den Fingergelenken einer Hand besteht.“ Dadurch könnten chronisch-entzündliche Veränderungen, die bis dahin möglicherweise unbemerkt abgelaufen sind, erkannt werden. Brezinšek weiter: „Manchmal erkennt man an den Vorfüßen Erosionen, während bei den Fingern vorläufig noch keine Veränderungen sichtbar sind.“

Konnte in Untersuchungen ein entzündliches Geschehen ausgeschlossen werden, liegt der Verdacht auf Arthrose als Ursache für die Schmerzen in den Fingergelenken nahe. Brezinšek nennt die starke Assoziation mit feuchtkaltem Wetter als deutliches Zeichen dafür: „Die Frage, ob die Schmerzen wetterabhängig sind, sich bei Kälte verschlechtern und sich bei Wärme verbessern, markiert ein wesentliches Kriterium.“

Fingerübungen als Therapie

Bei der Diagnose „Arthritis“ ist laut den Experten eine rheumatologische Therapie einzuleiten. Ist die Arthralgie als Symptom einer Fingerarthrosediagnostiziert worden, raten Aletaha und Brezinšek unisono zu Bewegung und gelenksschonenden Maßnahmen. „Gezielte Fingerübungen und eine Serie von Übungen mit Therapieknete erhalten die Beweglichkeit der Fingergelenke“, sagt Aletaha.

Brezinšek empfiehlt „Bewegung, Bewegung, Bewegung“ und Physiotherapie mit gezieltem Muskeltraining für die Finger. „Gerade die repetitiven Bewegungen des Alltags oder auch das Bedienen der Computermaus führen häufig zu Fehlbelastungen. Durch gezielten Muskelaufbau kann dem entgegengewirkt werden und eine Entlastung der betroffenen Gelenke erfolgen.“ Belastungen, die punktuell Stress auf die Fingergelenke bringen wie zum Beispiel das Tragen von einschnürenden Einkaufstaschen, sollten seiner Einschätzung nach vermieden werden. Außerdem würden Sportarten wie Tennis oder Handball durch den Druck auf die Gelenke an der Hand sehr belasten.

Problematisch seien auch berufliche Belastungen wie zum Beispiel jene des Bauarbeiters, der den massiven Vibrationen des Presslufthammers ausgesetzt ist. Aletaha merkt jedoch an, dass die Arthrose auch eine starke genetische Komponente hat: „Manchmal werden Patienten vorstellig, deren Alter für eine reine Abnützung zu niedrig ist. In diesen Fällen muss man von einer polygenetischen Komponente mit unklarer Prognose ausgehen, besonders was das Fortschreiten der Erkrankung anbelangt.“

Bei der medikamentösen Schmerztherapie der Fingergelenkarthrose sind laut Brezinšek Paracetamol und Metamizol bewährte Wirkstoffe. Er rät darüber hinaus zur Lokaltherapie mit Analgetika- beziehungsweise NSAR-Salben, die punktuell auf das betroffene Gelenk aufgetragen werden sollen. Aletaha appelliert, dass Patienten keinesfalls den Schmerz ertragen sollten: „Schmerz limitiert die Bewegung und man nimmt Fehlhaltungen ein, die der Nährboden für eine Verschlechterung der Abnützung sind. Das Aushalten des Schmerzes ist somit kontraproduktiv und eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität.“ Welches Analgetikum zum Einsatz kommt, muss individuell abgestimmt werden. Beide Experten sprechen sich außerdem für Wärme- und Paraffinbäder aus. Aletaha empfiehlt, die Hände in zuvor erwärmtem Wasser (oder in kommerziellen Spezialwannen) unter Zugabe von therapeutischem Paraffin rund 20 Minuten zu baden. „Wesentlich ist dabei die Kontinuität. Die Bäder sollten in den Alltag integriert werden wie die tägliche Zahnreinigung, nur dann sind sie effektiv. Sie ermöglichen es, den Fortschritt der Erkrankung zu verhindern und in einigen Fällen kommt es auch zu einer nachhaltigen Besserung von bestehenden Beschwerden“, so der Experte abschließend.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2023