Akne: Anti­bio­tika nur kurzzeitig

26.05.2023 | Medizin

Anti­bio­tika wer­den heut­zu­tage bei der Behand­lung von Akne vor­sich­ti­ger und auch nur kurz­zei­tig ein­ge­setzt. Der Grund: Anti­bio­tika füh­ren zu einer Dys­ba­lance der bak­te­ri­el­len Besied­lung von Haut und Darm, was die Ent­ste­hung von Akne eher fördert.

Als Acne vul­ga­ris bezeich­net die Wie­ner Der­ma­to­lo­gin Assoc. Prof. Julia Valen­cak, „die gewöhn­li­che Akne des Jugend­li­chen zwi­schen 16 und 26 Jah­ren“. Bei allen Men­schen kommt es in die­ser Lebens­spanne zu einer hor­mo­nel­len Umstel­lung, die „bei eini­gen mehr, bei ande­ren weni­ger“ der­ma­to­lo­gi­sche Aus­wir­kung hat. Da es geo­gra­fi­sche Unter­schiede in der Prä­va­lenz der Akne gibt, liegt die Ver­mu­tung nahe, dass Ernäh­rung und Gene­tik eine Rolle für den Aus­bruch der Haut­er­kran­kung spie­len. „Die Wes­tern Diet mit gesät­tig­ten Fett­säu­ren, einem hohen Anteil an Koh­len­hy­dra­ten, Milch und Eiweiß för­dert die Akne aller Wahr­schein­lich­keit nach über das Darm­mi­kro­biom“, erklärt Univ. Prof. Johann Bauer von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Der­ma­to­lo­gie und All­er­go­lo­gie Salz­burg. Alle west­li­chen Natio­nen wei­sen eine hohe Prä­va­lenz der Akne auf. In der Alters­gruppe zwi­schen zwölf und 25 Jah­ren sind bis zu 85 Pro­zent betrof­fen. Nach dem 25. Lebens­jahr sind es vor allem Frauen, die an Akne lei­den, und zwar bis zu 35 Pro­zent. Valen­cak ver­mu­tet auch, dass die immer frü­her begin­nende Puber­tät bei jun­gen Men­schen eine Rolle spielt: „Die durch die Puber­tät aus­ge­löste Hor­mon­anflu­tung trifft auf eine Haut, die für die so starke Talg­drü­sen­pro­duk­tion noch nicht bereit ist. Das kann starke Ent­zün­dun­gen begünstigen.“

Unter­schei­dung kli­nisch oder nach Schweregrad

Die Klas­si­fi­ka­tion einer Akne kann ent­we­der kli­nisch oder nach dem Schwe­re­grad erfol­gen. Kli­nisch unter­schei­det man zwi­schen Acne come­do­nica, Acne papul­opus­tu­losa und Acne con­glo­bata oder man unter­schei­det nach drei Schwe­re­gra­den. „Kome­do­nen sind die initia len Erschei­nungs­for­men der Akne im Gesicht oder auch am Ober­kör­per“, beschreibt Bauer. Sie ent­ste­hen auf­grund der hor­mo­nell beding­ten ver­än­der­ten Haut­dif­fe­ren­zie­rung. Bestehen diese ver­schlos­se­nen Talg­drü­sen län­ger, kann eine bak­te­ri­elle Ent­zün­dung hin­zu­kom­men – es mani­fes­tiert sich eine Acne papul­opus­tu­losa. Als cha­rak­te­ris­tisch für die­sen Akne-Typ beschreibt Bauer „die schmerz­hafte Bil­dung von roten Höfen um die Kome­do­nen“. Bei der schwers­ten Form, der Acne con­glo­bata, ent­ste­hen kon­flu­ie­rende Eiterseen.

Die ober­fläch­li­che Akne ist laut den Aus­sa­gen der bei­den Exper­ten dann behand­lungs­wür­dig, wenn die Betrof­fe­nen einen Lei­dens­druck haben. Tief­kno­tige Aus­prä­gungs­for­men nei­gen zu nar­bi­ger Abhei­lung, was es zu ver­mei­den gilt. Kli­ni­sches Erschei­nungs­bil­dung und Lei­dens­druck kön­nen dabei „weit aus­ein­an­der­klaf­fen“, wie Valen­cak berich­tet. Vor allem junge Mäd­chen seien es, die bei einer Akne, die an sich gut lokal behan­delt wer­den könnte, eine sys­te­mi­sche The­ra­pie ein­for­der­ten. Bauer spricht sich bei einer mil­den Aus­prä­gung für einen mil­den The­ra­pie­an­satz aus: „Rei­ni­gungs­gels mit dem rich­ti­gen pH-Wert, der den phy­sio­lo­gi­schen pH-Wert der Haut von 5,5 nicht über­tref­fen sollte, kön­nen durch die Ent­fet­tung posi­ti­ven Effekt haben.“ Ebenso sei die anti­mi­kro­bielle Wir­kung von Tee­baumöl in Stu­dien nach­ge­wie­sen; Zitrusöl und Mari­en­dis­telöl för­dern die Balance des Mikro­bi­oms. Klas­si­sche lokale Prä­pa­rate zur Behand­lung einer Acne come­do­nica sind Reti­no­ide wie Ada­pa­len, die ein mil­des Schä­len bewirken.

Bei einer Unver­träg­lich­keit gegen­über Reti­no­iden kann auch Ben­zoyl­per­oxid ein­ge­setzt wer­den, das kera­to­ly­tisch wirkt. Kom­bi­na­ti­ons­prä­pa­rate wie zum Bei­spiel Ada­pa­lene mit Ben­zoyl­per­oxid haben eine hohe Erfolgs­rate. Nach­teil der loka­len The­ra­pie ist die initiale Ver­schlech­te­rung mit Rötun­gen und Schup­pen. Daher gebe es laut Valen­cak ein Adhä­renz­pro­blem: „Alle Stu­dien enden nach drei Mona­ten. Lokale Akne-The­ra­peu­tika könn­ten gute Wir­kung zei­gen, wenn die Betrof­fe­nen sie lang­fris­tig anwen­den wür­den. Das machen aber die wenigs­ten, wie die Stu­dien zei­gen.“ Ein­fa­cher in der Anwen­dung wer­den Sys­tem­the­ra­pien mit Anti­bio­tika oder Iso­t­re­ti­noin empfunden.

„Das Para­digma in der Akne­the­ra­pie hat sich inso­fern etwas gedreht, als man frü­her stark auf Anti­bio­tika wie Tetra­zy­kline gesetzt hat“, gibt Bauer zu den­ken. Man sei damit heute vor­sich­ti­ger und setze sie nur kurz­zei­tig ein. „Man weiß, dass Anti­bio­tika eine Dys­ba­lance in der Bak­te­ri­en­be­sied­lung auf der Haut und im Darm bewir­ken, was wie­derum die Akne-Ent­ste­hung eher för­dert.“ Auch Valen­cak lässt beim Ein­satz von Anti­bio­tika Vor­sicht wal­ten. Der Grund: In 80 Pro­zent der Fälle rezi­di­viert die Akne nach der drei­mo­na­ti­gen Gabe von Anti­bio­tika. Warum trotz­dem Anti­bio­tika ver­ord­net wer­den? „Weil sie rasch wir­ken und keine inten­sive Auf­klä­rung und Ein­ver­ständ­nis der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten bei unter 18-Jäh­ri­gen erfor­dern wie das etwa bei Iso­t­re­ti­noin der Fall ist“, so Valencak.


The­ra­pie im Überblick

  • Lokal­the­ra­pie für leichte bis mit­tel­schwere Ausprägung
    Reti­no­ide (Ada­pa­lene, Dif­fe­rin­gel) – häu­fig Unverträglichkeiten!
    Ben­zoyl­per­oxid und Reti­nol-/Ben­zoyl­per­oxid-Kom­bi­na­ti­ons­prä­pa­rate
    Anti­bio­ti­sche Gels/​Lotionen
    Alter­na­ti­ven: Tee­baumöl, Mari­en­dis­telöl, Zitrusöl
  • Sys­te­mi­sche The­ra­pie für mit­tel­schwere bis schwere Ausprägung
    Anti­bio­tika: Tetra­zy­kline (hohe Rezidivwahrscheinlichkeit)
    Iso­t­re­ti­noin (inten­sive Auf­klä­rung über mög­li­che Neben­wir­kun­gen nötig; cave: tera­to­gen) Kon­tra­zep­ti­vum mit anti­an­dro­ge­ner Wirkung

Beim Ursprung ansetzen

Iso­t­re­ti­noin bezeich­net die Exper­tin als „her­vor­ra­gen­des Medi­ka­ment, ohne das wir in der Der­ma­to­lo­gie schwer aus­kom­men wür­den.“ Als ein­zige Sub­stanz setze es beim Ursprung der Akne an: beim deut­lich ver­grö­ßer­ten Talg­drü­sen­ap­pa­rat. Der Nach­teil: die Neben­wir­kun­gen – Iso­t­re­ti­noin ist tera­to­gen. Wird eine junge Frau unter einer Iso­t­re­ti­noin-The­ra­pie schwan­ger, kommt es in bis zu 80 Pro­zent der Fälle zu einem Abort. Bei wei­te­ren 20 Pro­zent ist mit kind­li­chen Miss­bil­dun­gen zu rech­nen. Grund dafür ist die Hoch­re­gu­la­tion des Tumor-Sup­pres­sor-Gens p53.Daher ist die Schwan­ger­schafts­ver­hü­tung laut Bauer bereits ein Monat vor Beginn der The­ra­pie bis ein Monat nach der The­ra­pie abzu­si­chern und mit dem behan­deln­den Gynä­ko­lo­gen abzugleichen.

Wor­über Pati­en­ten bezie­hungs­weise bei Min­der­jäh­ri­gen deren Eltern wei­ters vor einer The­ra­pie mit Iso­t­re­ti­noin infor­miert wer­den müss­ten: „Iso­t­re­ti­noin dockt an Mus­kel­en­zyme an und kann die CK-Werte mas­siv in die Höhe trei­ben.“ Das kann beson­ders bei sport­li­chen Jugend­li­chen eine Rolle spie­len und muss mit­tels Labor­kon­trol­len beob­ach­tet wer­den. Iso­t­re­ti­noin kann auch an den Retinoidrezeptoren/​Serotoninrezeptoren wir­ken, wodurch sich eine bestehende Depres­sion ver­schlech­tern kann.

Liegt eine Anti­bio­tika-Into­le­ranz vor, kann bei hoch­gra­di­ger Akne ein Kon­tra­zep­ti­vum mit anti­an­dro­ge­ner Wir­kung zum Ein­satz kom­men. Bauer würde sie nicht pri­mär gegen Akne ver­schrei­ben, son­dern „nur dann, wenn ohne­hin auch der Wunsch nach Kon­tra­zep­tion vor­han­den ist.“ Denn Fakt sei, dass die „Pille“ laut Stu­dien das glei­che kli­ni­sche Ergeb­nis wie eine Anti­bio­ti­ka­the­ra­pie in puncto Akne bringe – aller­dings erst nach sechs Mona­ten Ein­nahme. Wäh­rend das Anti­bio­ti­kum sym­pto­ma­tisch ein­ge­setzt wird, wirkt die Pille anti­an­dro­gen gegen die am Talg­drü­sen­ap­pa­rat wir­ken­den Androgene.

In Ein­zel­fäl­len hat Valen­cak schon Spi­ro­no­lac­ton ver­schrie­ben, ein Diure­ti­kum mit guter anti­an­dro­ge­ner Wir­kung. Die­ses komme vor allem in den USA zum Ein­satz. Dort werde laut Valen­cak im Übri­gen mit Iso­t­re­ti­noin viel zurück­hal­ten­der als in Europa umge­gan­gen. (JF)

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2023