Die verantwortlichen Gesundheitspolitiker, insbesondere in den Ländern und damit bei den Spitalsträgern, wollen der Ruhezeit aller Spitalsbediensteten an den Kragen. Oder soll ich sie eher die „Unverantwortlichen“ nennen? Denn es gibt ernsthaft Bestrebungen, die wöchentliche Ruhezeit von 36 Stunden auf 24 Stunden zu reduzieren – nach dem offensichtlichen Motto: Wer weniger ruht, der kann mehr arbeiten. Das ist ein fataler, unverantwortlicher Trugschluss. Denn wer (noch) weniger ruht, macht mehr Fehler, wird unzufriedener und denkt über Alternativen zum Beruf als Arzt nach – und verlässt womöglich das Gesundheitssystem.
Ärztinnen und Ärzte, die durch strukturelle Versäumnisse müde und unzufrieden sind, sind bestimmt keine besseren Ärzte. Ausreichende Ruhezeiten – und deren Einhaltung – schützen Patienten und Ärzte.
Der Politik scheint das alles gleichgültig. Ihr einziges Ziel ist es, jene Lücken in der Gesundheitsversorgung, für die sie selbst verantwortlich ist, durch genau jene zu schließen, die seit Jahren am Limit sind, anstatt endlich dafür zu sorgen, dass es ausreichend Personal gibt und offene Dienststellen besetzt sind. Wird die Reduzierung der Ruhezeiten durchgepeitscht, wird das zur Folge haben, dass noch mehr Ärzte aus Österreich vertrieben werden – dann darf uns auch der Ärztemangel nicht wundern.
Das ist unverantwortlich gegenüber jedem einzelnen Patienten, der erwarten darf, dass er auf einen Arzt trifft, der seine beste Leistung erbringen kann. Aber auch unverantwortlich gegenüber den Ärzten selbst, die in eine Situation gehetzt werden, die man niemandem wünscht: verantwortlich zu sein für einen Menschen, der Hilfe sucht, diese aber nicht zu hundert Prozent leisten zu können und sogar Gefahr zu laufen, folgenschwere Fehler zu machen – nur, weil unsere Politiker nicht erkennen wollen, was wir als Ärztekammer seit Jahren mahnend anprangern: Wir müssen auf die wichtigste Ressource im Spital aufpassen und unverzüglich und massiv ins Personal investieren. Zum Wohle der Ärzte und damit auch zum Wohle der Patienten. Wir werden alles dafür tun, dass die Ruhezeiten unantastbar bleiben und dass endlich in mehr Personal investiert wird. Denn wir als Ärztekammer fühlen uns nach wie vor dafür verantwortlich.
Dr. Harald Mayer
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2023