Standpunkt Harald Mayer: Eine verpasste Chance

15.12.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Dr. Harald MayerDie Gesundheitsreform befindet sich auf ihrem Weg. Mit manchen guten, aber vielen auch umstrittenen Ideen und Lösungsansätzen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Österreich, über die man trefflich diskutieren kann. Aber über eines kann und will ich nicht diskutieren, weil ich nicht verstehen kann, warum man diese Chance ausgelassen hat, anstatt diesen Elfmeter einfach ins leere Tor zu verwandeln: Denn eine sofortige, verbindliche Patientenlenkung ist wieder nicht vorgesehen.

Die Politik hat es leider nicht geschafft, einen objektiven Behandlungspfad zu inkludieren und festzulegen. Einen Pfad, der bei einer Telefonhotline wie 1450 beginnen könnte. Einen Pfad, der – bei Bedarf – erst im nächsten Schritt einen Kontakt mit einem Arzt vorgesehen hätte. Einen Pfad, der die Patienten davor bewahrt hätte, auf Eigeninitiative beliebige Ebenen des Gesundheitssystems in Anspruch zu nehmen, die sie vielleicht gar nicht benötigten. Einen Pfad, der massiv dazu beigetragen hätte, die überfüllten Spitalsambulanzen zu entlasten.

Seit der Einführung der e-Card im Jahr 2005 und der damit verbundenen Abschaffung des Krankenscheins – vor immerhin 18 Jahren! – fehlt eine funktionierende Patientenlenkung in Österreich. Darauf habe ich persönlich immer wieder hingewiesen.

Jetzt gibt es zwar das Bekenntnis zur Digitalisierungs-Initiative, aber das Wörtchen Patientenlenkung fehlt. Ein Akt der Vergesslichkeit, der sich fatal auswirken wird. Die Patienten werden weiterhin unkontrolliert durch das Gesundheitssystem irren. Zu ihrem Nachteil, weil sie sich die richtige Anlaufstelle für die optimale Behandlung ihrer Beschwerden erst suchen müssen. Und zum Nachteil der Ärzte – vor allem in den ohnehin überlasteten Spitälern. Die Ressourcen für den digitalen Weg sind da, wurden aber nicht genutzt. Genau das hätte man jetzt machen können: So etwas wie 1450 österreichweit einheitlich zu implementieren und auszubauen, als erste beratende Anlaufstelle, für die Terminvergabe beim Hausarzt und als Kompass durchs System. Diesen verbindlichen Pfad hätte man mit Boni schmackhaft machen können – mit dem großen Vorteil: Wer sich daran hält, wird doppelt belohnt. Mit Steuervorteilen zum Beispiel, vor allem aber mit dem für alle besten, schnellsten und effizientesten Weg zur bestmöglichen Versorgung. Diese Chance wurde großzügig vertan.

Dr. Harald Mayer
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2023