Standpunkt Edgar Wutscher: Offene Türen

16.08.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Das Gesundheitssystem hat Lücken. Positiv anzumerken ist, dass die Politik diese Lücken wahrnimmt und eine Gesundheitsreform Teil der derzeit laufenden Finanzausgleichsverhandlungen ist. Diese sind ein guter Anlass, um die ärztliche Expertise mit einzubringen. Leider sind wir, als Vertretung der Ärztinnen und Ärzte in Österreich, aber nicht eingebunden, denn es verhandeln Bund, Länder und die Sozialversicherung hinter verschlossenen Türen.

Verbesserungsvorschläge gibt es aber viele, die wir in einer Resolution veröffentlicht und an Entscheidungsträger versendet haben. Ein besonderes Augenmerk gilt sowohl den unbesetzten Kassenstellen – derzeit sind es knapp 300 in Österreich – aber auch dem Ausbau des Kassensystems. Damit mehr Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitssystem tätig sind, müssen die Rahmenbedingungen angepasst werden. Der Ausbau von Primärversorgungseinheiten allein wird nicht alle Probleme lösen können, sondern ein Miteinander an Einzel- und Gruppenordinationen, an Primärversorgungseinheiten sowie flexiblen Kassenverträgen, etwa durch vielfältige Möglichkeiten in Jobsharing-Modellen oder bei den Ordinationszeiten. Um dem Schwund der Kassen-Allgemeinmediziner entgegenzuwirken, benötigen wir auch den Ausbau von ärztlichen Hausapotheken für eine unkomplizierte, rasche und effiziente Versorgung unserer Patienten im ländlichen Raum sowie das Dispensierrecht. Nach wie vor wehren wir uns auch gegen eine Wirkstoffverschreibung, denn das ist nicht der Weg, den wir gehen sollten. Stattdessen müssen Vorkehrungen gegen Medikamentenengpässe getroffen werden. Ebenso wichtig ist es, die Medikamentenproduktion wieder nach Europa zu holen.

Eine verpflichtende Diagnosecodierung im niedergelassenen Bereich, wie sie vom Gesundheitsminister eingefordert wird, ist grundsätzlich sinnvoll, um einen Überblick über die Volksgesundheit zu erhalten. Allerdings müssen klare Kriterien definiert werden, wie die Codierung genau zu erfolgen hat. Wenn ein Patient mit Schulterschmerzen zu mir kommt, codiere ich dann nach dem Symptom Schulterschmerzen oder nach einer dahinterliegenden Erkrankung, etwa der Gallenblase? Hier sind viele Fragen ungeklärt, es sind aber dringend klare Regeln erforderlich, damit die erfassten Daten auch valide sind Unsere Türen stehen offen, um unseren konstruktiven Teil für eine bessere Gesundheitsversorgung beizutragen.

Dr. Edgar Wutscher
3.Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2023