BKAÄ-Enquete: Im besten Alter

24.11.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Bundeskurie angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer hat ihre Enquete-Serie „Arbeitsplatz Spital“ fortgesetzt: Im Fokus stand die Generation 50plus und die Frage, wie es gelingen kann, die Expertise dieser „Best Ager“ zu nutzen und mit ihnen den Motor der Gesundheitsversorgung am Laufen zu halten. Fest steht: Ohne Maßnahmenpaket wird dies nicht gelingen.

Thorsten Medwedeff

Egal ob man sie nun Generation Gold, Silver Agers, Master Consumers, Senior Citizens, Best Agers oder die Generation 50plus nennt: Die Erfahrung und das Wissen dieser Altersgruppe ist von unschätzbarem Wert, insbesondere in den Spitälern in Österreich. Diesem Umstand entsprechend veranstaltete die Bundeskurie angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (BKAÄ) im MedLOFT der Johannes Kepler Universität Linz eine Enquete, um erfolgversprechende Strategien zu diskutieren, wie man diese Expertise unter Berücksichtigung der Lebensphase am besten nutzen kann. Und auch in Anbetracht der Problemstellung, die ältere und jüngere Generation so zielführend zusammenzubringen, dass einerseits die Jungen bei der Ausbildung und bei der täglichen Arbeit von der Erfahrung der Älteren profitieren und diese wiederum auf ausreichend ärztlichen Nachwuchs bauen können, damit sich die massive Arbeitsbelastung auf viele, gut ausgebildete Schultern verteilen kann – zum Wohle der Ärzte aber insbesondere auch der Patienten. „Wenn wir die älteren Ärztinnen und Ärzte ohne weitere Maßnahmen einfach aus dem System verschwinden lassen, dann bekommen wir einen massiven Versorgungsnotstand – dem müssen wir entgegensteuern, indem wir attraktive Arbeitsbedingungen auch in Berücksichtigung dessen, was die älteren Kollegen leisten können und wollen, im System implementieren“, leitete Harald Mayer, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte (BKAÄ) ein.

Ruth Krumpholz, stellvertretende Chefärztin am LKH Bludenz und Vorsitzende der ÖÄK­Ausbildungskommission, ergänzte: „Mir wäre es ganz wichtig, dass man den älteren Ärzten nicht die Freude an der Arbeit nimmt und dass man anerkennt, was sie geleistet haben und sie jetzt altersgerecht beim Arbeiten einteilt. Dazu gehört auch, dass man erkennt, dass sie vielleicht mehr Pausen brauchen oder weniger Überstunden machen können, aber dass sie ein ganz großes Potential haben, sowie über unersetzbares Wissen und Erfahrung verfügen, die sie gerne an die Jüngeren weitergeben. Alleine einen Tag weniger zu arbeiten, würde hier schon Wunder wirken.“

Dass die Rolle der älteren Ärzteschaft in der Ausbildung von hohem Wert ist, betonte auch Gerhard Postl vom Departement für allg. Innere Medizin mit Notfallaufnahme am LKH Graz II, allerdings mit einer Einschränkung: „Einsatz in der Ausbildung, ja natürlich – aber nicht zusätzlich zur ohnehin schon fordernden Tätigkeit als System­Erhalter, sondern im Sinne von Consultants.“ Das unterstrich auch Wolfgang Mazal, stellvertretender Vorstand des Instituts für Arbeits­ und Sozialrecht der Universität Wien: „Es muss ein grundsätzlich neues Denken im ärztlichen Job her. Es muss Neues ebenso erlaubt sein wie das Loslassen von Altem. Wir gewinnen durch Loslassen – insbesondere bei den Tätigkeiten.“ Mazal wies auch auf die hohe Bedeutung von „lebensphasenorientierten Beschäftigungszyklen“ hin.

Von Spaßkillern und Stressfaktoren

Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei die generelle Mitarbeitermotivation, insbesondere in höherem Alter. Franz Nigl, Personalchef der Post AG, betonte, dass man bei diesem Thema bei den Arbeitnehmern unterscheiden müsse – und zwar in jene, „die wollen, aber nicht können“, und jene, „die können, aber nicht wollen“. Man müsse sich daher ganz genau anschauen, wie man die Mitarbeiter motivieren kann: „Bei uns in der Post AG ist die Fluktuation deutlich gesunken, seit wir uns ganz intensiv um die Mitarbeiter kümmern und Spaßkiller und Stressfaktoren im Job beseitigt haben.“

Ein Spaßkiller und hoher Stressfaktor, da war sich die Expertenrunde einig, ist eine nicht funktionierende Informationstechnik (IT). Genau das sei aber im Spital zumeist der Fall, gepaart mit zu viel bürokratischen Aufgaben, sagte Karin Gutiérrez­Lobos, ehemalige Vizerektorin der MedUni Wien und ehemalige ärztliche Direktorin der Klinik Landstraße. Diese Diagnose sei „so banal wie unglaublich“. Noch immer müssten Ärzte viel zu viel tun, wofür sie nicht ausgebildet worden sind. „Eine Studie im British Medical Journal hat gezeigt, dass Ärzte genau aus diesem Grunde unglücklich sind.“ Krumpholz führte das „Pilotprojekt elektronische Fieberkurve“ in ihrem Spital in Bludenz an – dort würden viele Ärzte neben der ärztlichen Aufgabe mitarbeiten: „Das ist aber eigentlich nicht unser Job.“ Der eigentliche Job, resümierten die Experten, leide darunter – und damit auch die Patientenbetreuung.

Versagen der Management-Ebene

Für ein zukunftsweisendes und erfolgversprechendes Spitalsmanagement, so Mazal, „sollte die Politik in ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Spitalsbetriebs den direkten Einfluss in den operativen Alltag beenden“. Mazal weiters: „Ärzte sollten sich ihrer Kernkompetenz widmen, der Patientenbetreuung. Die Organisation und die Verwaltung sollten Profis überlassen werden.“ Das laufe aber, so Harald Mayer, derzeit genau andersherum: „Der politische Wille ist derzeit sehr groß, das Gesundheitssystem an die Wand zu fahren und sich bis ins kleinste Detail einzumischen. Vielleicht sollte man der Politik den Tipp von Professor Mazal ins Stammbuch schreiben.“ Abschließend befragt zu seinem „Weihnachtswunschzettel“ als Bundeskurienobmann angestellte Ärzte meinte Harald Mayer, dass dieser viel zu lang sei, um ihn auszuführen, aber eines sei schon auffallend: „Mir fehlen bei dieser Enquete die Krankenhausmanager. Wo sind sie? Die Personalmanager in unseren Spitälern hätten hier und heute sehr viel lernen können. Wir haben leider in den Management­Ebenen niemanden, der sich ernsthaft überlegt, wie die Gesundheitsversorgung der Zukunft funktionieren kann. Da kann man sich als Arzt schon alleine gelassen fühlen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2023