BKAÄ: Digi­ta­li­sie­rung im Spi­tal: Gemein­sam digi­tale Lösun­gen entwickeln

24.03.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Bun­des­ku­rie ange­stellte Ärzte der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer begrüßt die vom Gesund­heits­mi­nis­ter ange­kün­digte Digi­ta­li­sie­rungs­in­itia­tive – und hat kon­krete For­de­run­gen, wo am bes­ten sofort damit begon­nen wer­den sollte und bei wem man sich die prag­ma­ti­sche Umset­zung von Digi­ta­li­sie­rung im medi­zi­ni­schen Bereich abschauen könnte. 

Thors­ten Medwedeff

Ein Bei­spiel aus der Pra­xis: Pati­ent X lässt wegen anhal­ten­der Achil­les­seh­nen­pro­bleme eine Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­fie (MRT) in einem der größ­ten Spi­tä­ler Öster­reichs machen und lässt eine Zweit­mei­nung von einem befreun­de­ten Arzt in einem ande­ren Bun­des­land ein­ho­len. Die­ser for­dert die MRT-Bil­der an – und erhält diese auf DVD. Per Post. Will­kom­men im Jahr 2023. Das ist nur ein tat­säch­li­ches Bei­spiel von vie­len dafür, dass die Digi­ta­li­sie­rung in der Medi­zin in Öster­reich vie­ler­orts noch dem hin­ter­her­hinkt, was mög­lich wäre, näm­lich um als Arzt effi­zi­en­ter und zeit­spa­ren­der arbei­ten zu kön­nen und mehr Zeit dafür zu haben, wofür man den Arzt­be­ruf ergrif­fen hat: für die best­mög­li­che, per­sön­li­che Ver­sor­gung von Patienten.

„Dass nun auch die Poli­tik end­lich begrif­fen hat, dass es hier eini­ges zu tun gibt und Gesund­heits­mi­nis­ter Johan­nes Rauch die Digi­ta­li­sie­rung im öster­rei­chi­schen Gesund­heits­sys­tem end­lich vor­an­trei­ben will, ist begrü­ßens­wert. Ins­be­son­dere in unse­ren Spi­tä­lern – aber auch im Zusam­men­spiel mit den nie­der­ge­las­se­nen Kol­le­gen – ist hier noch viel Luft nach oben“, kon­sta­tiert Harald Mayer, Bun­des­ku­ri­en­ob­mann der ange­stell­ten Ärzte und Vize­prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer. „Alles, was im Spi­tal nicht mehr ana­log gemacht wer­den muss, son­dern auto­ma­tisch und digi­tal erle­digt wer­den kann, ent­las­tet unsere Ärzte. Der Ankün­di­gung einer sol­chen Initia­tive müs­sen jetzt aber so rasch wie mög­lich Taten fol­gen. Denn in den meis­ten unse­rer Spi­tä­ler erfüllt die IT nicht das, was wir uns erwar­ten – wir ste­hen mit unse­rer Exper­tise gerne bereit, um die Digi­ta­li­sie­rung gemein­sam mit dem Gesund­heits­mi­nis­ter zu pushen. Dazu gehört auch die digi­tale Ver­knüp­fung von extra- und intra­mu­ra­lem Bereich.“

Feh­lende Schnittstellen
Aber woran krankt das EDV-Sys­tem im Gesund­heits­sys­tem kon­kret? Rudolf Knapp, Pri­ma­rius und Radio­loge im Bezirks­kran­ken­haus Kuf­stein sowie stell­ver­tre­ten­der Obmann der Bun­des­ku­rie ange­stellte Ärzte, beschreibt die aktu­elle Situa­tion: „Man gehe in einen Bau­markt, packe wirk­lich alle zum Kauf ange­bo­te­nen Werk­zeuge in einen Con­tai­ner und schütte den Inhalt in den Vor­gar­ten jedes Ein­fa­mi­li­en­hau­ses – da wird bestimmt irgend­et­was dabei sein, was man sofort gut brau­chen kann und funk­tio­nie­ren wird.“ Sprich: Es geht in der Digi­ta­li­sie­rung nicht um die Leis­tungs­fä­hig­keit in einer spe­zia­li­sier­ten Dis­zi­plin, son­dern viel­mehr um pas­sende Sys­teme für pas­sende Anwen­dun­gen. Knapp erklärt: „Es gibt sogar IT-Sys­teme im Spi­tal, die ganz gut lau­fen, zum Bei­spiel die digi­ta­len Kran­ken­ak­ten. Was aber fehlt, sind die Schnitt­stel­len, also eine ein­fa­che Ver­knüp­fung der ver­schie­de­nen Sys­teme – momen­tan kön­nen auch die gut lau­fen­den Sys­teme nicht mit­ein­an­der agie­ren oder kom­mu­ni­zie­ren und damit auch keine wich­ti­gen Daten austauschen.“

Dane­ben fehlt es an Apps zur Unter­stüt­zung bei der Pati­en­ten­do­ku­men­ta­tion und es man­gelt an der tech­ni­schen Unter­stüt­zung bei nicht-ärzt­li­chen Tätig­kei­ten, etwa beim Ver­fas­sen von Ent­las­sungs­brie­fen, bei auto­ma­ti­sier­ten Nach­rich­ten an die Pati­en­ten – etwa bei Ter­min­ver­schie­bun­gen – aber auch beim Per­so­nal­ma­nage­ment und dem Erstel­len von Arbeits­plä­nen sowie beim Ver­wal­ten von Lager­be­stän­den. „Mehr und vor allem funk­tio­nie­rende Digi­ta­li­sie­rung wäre in fast allen Berei­chen wün­schens­wert – ins­be­son­dere, um mehr Res­sour­cen für den mensch­li­chen Kon­takt zu ermög­li­chen, und damit meine ich nicht nur jenen zwi­schen Arzt und Pati­ent.“ Was aber auch nicht ver­ges­sen wer­den dürfe, ist das Zusam­men­spiel von Usa­bi­lity und Emo­tio­na­li­tät von EDV-Anwen­dun­gen und der Fak­tor Mensch. „Es geht nicht allein um die Funk­tio­na­li­tät. Wer damit arbei­tet, muss damit gerne arbei­ten. Viele der Sys­teme im medi­zi­ni­schen Bereich sind im Bes­ten Sinne art­fremd, der User wird mit einem Ablauf kon­fron­tiert, der aus der Welt der Pro­gram­mie­rer kommt – es wäre opti­mal, bereits bei der Ent­wick­lung erfah­rene Ärzte bei­zu­zie­hen. Nur so kann auch die digi­tale Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen Arzt und Pati­ent opti­miert wer­den, sodass Letz­tere sich wohl füh­len, wenn sie ihre Gesund­heits­da­ten teilen.“

Es läuft etwas rich­tig im Staate Dänemark
Wie es funk­tio­nie­ren kann, zeigt das Bei­spiel Däne­mark – und zwar seit knapp 20 Jah­ren: „Damals hat man mit einem sehr prag­ma­ti­schen Umgang mit der Digi­ta­li­sie­rung begon­nen und kon­se­quent umge­setzt“, erklärt Daniel von Lan­gen, Fach­arzt für Anäs­the­sio­lo­gie und Inten­siv­me­di­zin im KH Nat­ters: „Der ganze Kran­ken­haus-Park wurde neu gedacht, die klei­nen Häu­ser geschlos­sen und Spe­zi­al­zen­tren geschaf­fen – als Hand­lungs­leit­li­nie wurde das Wort ‚Qua­li­tät‘ aus­ge­ge­ben. Gleich­zei­tig wurde der Haus­arzt deut­lich gestärkt und die EDV homo­ge­ni­siert.“ In Däne­mark nutzt der nie­der­ge­las­sene Bereich die glei­chen EDV-Sys­teme wie die Spi­tä­ler. Von Lan­gen: „Der Daten­schutz wurde für den Gesund­heits­be­reich etwas locke­rer gere­gelt, aber die Daten lie­gen in Däne­mark und nicht irgendwo, sind also sehr sicher, weil auch peni­bel pro­to­kol­liert wird, wer die Daten ein­sieht. Auch der Pati­ent kann jeder­zeit dar­auf zugreifen.“

Das wäre ja auch die Idee hin­ter der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­akte ELGA in Öster­reich, die aber aus Sicht der Ärz­te­kam­mer weder effi­zi­ent noch zeit­spa­rend und daher bis­her kein gro­ßer Wurf ist. Lukas Stär­ker, ÖÄK-Kam­mer­amts­di­rek­tor, führt aus: „Was wir for­dern, ist ganz ein­fach: ELGA muss so gut sein, dass es die Pro­fis, die damit arbei­ten, als eine Ver­bes­se­rung bei der EDV und beim Infor­ma­ti­ons­stand gegen­über dem Sta­tus quo wahr­neh­men.“ Dazu wäre es nötig, trä­ger­über­grei­fende Infor­ma­tio­nen zuzu­las­sen und sowohl den Ambu­lanz­be­fund vom Spi­tal als auch den Labor­be­fund vom nie­der­ge­las­se­nen Fach­arzt ver­füg­bar zu machen. Genau das ist in Däne­mark mit einer ein­fa­chen Reform gelun­gen. „Das wäre so, als wenn wir in unse­ren Spi­tä­lern alle über das­selbe Kran­ken­haus­in­for­ma­ti­ons­sys­tem (Anm.: KIS) ver­fü­gen wür­den – das wäre äußerst wün­schens­wert, prak­tisch und effizient.“

Vor­bild Vorarlberg
Aber es gibt auch in Öster­reich bereits vor­bild­li­che Sys­teme, weiß Rudolf Knapp: „In Vor­arl­berg zum Bei­spiel wer­den Rönt­gen­bil­der über ein ein­heit­li­ches Sys­tem kom­mu­ni­ziert, an dem alle nie­der­ge­las­se­nen und Spi­tals­ärzte ange­schlos­sen sind. Mit einem Maus­klick kann ich mir die Bil­der des Pati­en­ten anschauen – diese auf DVD via Post quer durch Öster­reich zu schi­cken ist im 21. Jahr­hun­dert eigent­lich eine Kata­stro­phe.“ Dabei han­delt es sich um das Pic­ture Archi­ving Com­mu­ni­ca­tion Sys­tem (PACS), das zum Archi­vie­ren, Steu­ern und Ver­tei­len digi­ta­ler Bild­da­ten dient – etwa aus den Berei­chen Radio­lo­gie, Nukle­ar­me­di­zin, aber auch aus ande­ren bild­ge­ben­den Ver­fah­ren wie der Endo­sko­pie. Der Ein­satz ist daher in vie­len Fächern mög­lich, von der Ortho­pä­die und Kar­dio­lo­gie über die Patho­lo­gie bis hin zur Mikrobiologie.

Recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen klarstellen
„Von der Video­kon­sul­ta­tion eines Kol­le­gen bis hin zur Unter­su­chung eines Pati­en­ten, vom Ein­satz von Sprach­er­ken­nungs­soft­ware bis hin zum auto­ma­tisch erstell­ten Befund, wird die Medi­zin zukünf­tig immer digi­ta­ler und selbst­stän­di­ger wer­den“, meint Chris­toph Stein­acker, Abtei­lungs­lei­ter der Bun­des­ku­rie ange­stellte Ärzte in der ÖÄK. „Wenn sich das fak­ti­sche Agie­ren der Ärzte und die Behand­lungs­mög­lich­kei­ten ändern, muss auch ganz klar defi­niert wer­den, wie sich das auf die Art der medi­zi­ni­schen Behand­lung aus­wirkt. Je kla­rer die gesetz­li­chen Vor­ga­ben sind, wie der Arzt in einer digi­ta­len Welt arbei­ten kann oder muss, umso siche­rer wird er sich füh­len und die Akzep­tanz der neuen Mög­lich­kei­ten wird stei­gen. Dann kann man auch über den Aus­bau von neuen Sys­te­men, etwa digi­ta­len Sprech­stun­den oder tele­fo­ni­scher Bera­tung, nachdenken.“

Auf jeden Fall ist es wich­tig die Ärzte in die­sen Pro­zess ein­zu­be­zie­hen und die Sys­teme nach ihren Anfor­de­run­gen zu bauen – und nicht zu erwar­ten, dass sich Ärzte an die Sys­teme, die sich IT-Exper­ten aus­ge­dacht haben, anpas­sen. Denn digi­tale Medi­zin soll eine Ent­las­tung für die Ärzte sein – zum Wohle des Patienten.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2023