BKAÄ: Aus­bil­dungs­eva­lu­ie­rung – Eine Frage der Ausbildung

10.02.2023 | Aktuelles aus der ÖÄK

Am 27. Februar 2023 star­tet die größte je in Öster­reich durch­ge­führte Ärz­te­aus­bil­dungs­eva­lu­ie­rung, die die Öster­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer gemein­sam mit der Eid­ge­nös­si­schen Tech­ni­schen Hoch­schule Zürich (ETH) abwi­ckelt, die auch in der Schweiz und in Deutsch­land der­ar­tige Qua­li­täts­kon­trol­len macht. Thors­ten Med­wed­eff spricht im Inter­view mit dem Pro­jekt­lei­ter sei­tens der ETH, Michael Sie­grist, über die Ziele und den Ablauf der Umfrage – und warum es so wich­tig ist, daran teilzunehmen.

In der Schweiz haben Sie als Pro­jekt­lei­ter der ETH Zürich ja bereits Aus­bil­dungs­eva­lu­ie­run­gen durch­ge­führt – bei wel­chen Insti­tu­tio­nen? Wie war das der Erstel­lungs­pro­zess der Fra­gen? In der Schweiz wer­den alle Aus­bil­dungs­stät­ten befragt, die eine Fach­arzt­aus­bil­dung anbie­ten und eine Aner­ken­nung vom Schwei­ze­ri­schen Insti­tut für Fort- und Wei­ter­bil­dung (SIWF) erhal­ten haben. Es han­delt sich dabei um ver­schie­dene Insti­tu­tio­nen wie Spi­tä­ler, Pra­xen, Gesund­heits­zen­tren oder ambu­lante und sta­tio­näre Kli­ni­ken. Zuerst wur­den die rele­van­ten The­men­be­rei­che defi­niert und die dazu­ge­hö­ri­gen Fra­gen for­mu­liert. Inter­es­sierte Chef­ärzte der Aus­bil­dungs­stät­ten und Assis­tenz­ärzte lie­fern dazu wich­ti­gen Input. Der Fra­ge­bo­gen wurde erst­ma­lig im Som­mer 2003 an alle Assis­tenz­ärzte in der Schweiz ver­teilt. In den Fol­ge­jah­ren wur­den ver­schie­dene Anpas­sun­gen am Fra­ge­bo­gen vor­ge­nom­men. Seit 2013 kommt die­ser in sei­ner aktu­el­len Fas­sung zur Anwen­dung. Der Fra­ge­bo­gen kam neben der Schweiz auch schon in Deutsch­land zum Ein­satz. Wir haben dort zwei Befra­gun­gen bei allen Lan­des­ärz­te­kam­mern durch­ge­führt. Die Ergeb­nisse stie­ßen auch dort bei allen Betei­lig­ten auf gro­ßes Interesse.

Wel­che Erfah­run­gen konn­ten Sie dar­aus gewin­nen, die nun auch in das Pro­ze­dere in der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer ein­flie­ßen konn­ten? Der Fra­ge­bo­gen und das Erhe­bungs­in­stru­ment sind in der Schweiz in allen Aus­bil­dungs­stät­ten bekannt. Wir haben die Erfah­rung gemacht, dass eine umfas­sende Kom­mu­ni­ka­tion sei­tens der Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­chen aber auch sei­tens des SIWF zur Eva­lua­tion sehr hilf­reich ist und zu einem höhe­ren Rück­lauf, moti­vier­te­rer Teil­nahme und höhe­rem Inter­esse an den Ergeb­nis­sen führt. Wir konn­ten auch beob­ach­ten, dass der Rück­lauf bei einer schrift­li­chen Befra­gung deut­lich höher ist als bei einer inter­net­ba­sie­ren Befragung.

Was hat für eine Umfrage in Form eines Fra­ge­bo­gens im Print-For­mat gespro­chen? In der Schweiz haben wir eine für diese Art von Befra­gung sehr hohe Rück­lauf­quote von 65 bis 70 Pro­zent. In Deutsch­land hat­ten wir die Befra­gung in allen Lan­des­ärz­te­kam­mern per Inter­net durch­ge­führt. Der Rück­lauf betrug dort aber ledig­lich 33 Pro­zent. Es gibt meh­rere Gründe, warum der Papier­fra­ge­bo­gen bes­ser abschnei­det. Ein phy­si­scher Fra­ge­bo­gen hat eine deut­lich höhere Ver­bind­lich­keit als eine Mail. Diese wird schnell gelöscht oder geht ver­ges­sen, wäh­rend ein schrift­li­cher Fra­ge­bo­gen, den man wäh­rend der Arbeits­zeit erhält, ver­bind­li­cher ist. Zudem hat ein Papier­fra­ge­bo­gen den Vor­teil, dass die­ser pro­blem­los etap­pen­weise aus­ge­füllt wer­den kann. Weil die Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­chen sel­ber den Fra­ge­bo­gen an die Tur­nus­ärzte ver­tei­len, kann es auch keine Unklar­hei­ten dar­über geben, wel­che Aus­bil­dungs­stätte beur­teilt wer­den soll. Zudem nut­zen die Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­chen in der Schweiz die Aus­bil­dungs­zeit, damit alle sicher den Fra­ge­bo­gen aus­fül­len. Dies trägt eben­falls zu einem hohen Rück­lauf bei, der sich aktu­ell bei 70 Pro­zent ein­ge­pen­delt hat.

Wie erfolgt die Rück­sen­dung? Die Tur­nus­ärz­tin­nen und Tur­nus­ärzte erhal­ten den Fra­ge­bo­gen und ein Rück­ant­wort-Kuvert, wel­ches vor­fran­kiert und adres­siert an die ETH Zürich ist, direkt von ihrem Pri­mar­arzt oder ihrer Pri­mar­ärz­tin. Die aus­ge­füll­ten Fra­ge­bo­gen kön­nen in dem Rück­ant­wort-Kuvert zur Post gebracht oder in einen Brief­kas­ten gewor­fen wer­den. So erfolgt die Rück­sen­dung kom­plett anonym und ohne gro­ßen Aufwand.

Wel­che Fra­gen bzw. Fra­gen­kom­plexe umfasst der Bogen – wie wur­den diese aus­ge­wählt? Der Fra­ge­bo­gen besteht aus Fra­gen zur Aus­bil­dungs­stätte, zu den Arbeits­be­din­gun­gen und eini­gen Anga­ben zum Tur­nus­arzt oder der Tur­nus­ärz­tin. Wei­ters wer­den jedes Jahr wech­selnde Fra­gen zu aktu­el­len The­men der medi­zi­ni­schen Aus­bil­dung gestellt. Die Qua­li­tät der Aus­bil­dung wird mit 57 Fra­gen gemes­sen, wel­che sich in die fol­gen­den acht Kate­go­rien zusam­men­fas­sen las­sen: Glo­bal­be­ur­tei­lung, Fach­kom­pe­tenz, Füh­rungs­kul­tur, Feh­ler­kul­tur, Betriebs­kul­tur, Lern­kul­tur, Ent­schei­dungs­kul­tur und eidenz­ba­sierte Medi­zin. Diese Dimen­sio­nen bil­den die Wei­ter­bil­dungs­aspekte ab, die für eine erfolg­rei­che Wei­ter­bil­dung wich­tig sind.

Was geschieht nach der Aus­wer­tung? Nach der Aus­wer­tung erhält jede Aus­bil­dungs­stätte Infor­ma­tio­nen dar­über, wie sie beur­teilt wurde. Damit die Ergeb­nisse auch ein­ge­ord­net wer­den kön­nen, wird auch noch ein Bench­mark gelie­fert. Jede Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­che kann dadurch able­sen, in wel­chen Aspek­ten er bes­ser und in wel­chen er schlech­ter als seine Peers beur­teilt wurde.

In der Schweiz ist die Umfrage gut eta­bliert. Glau­ben Sie, dass die öster­rei­chi­schen Pri­mar­ärzte die Umfrage unter Umstän­den „fürch­ten“? Zu Recht? Angst vor der Umfrage muss nie­mand haben! Wir lie­fern Infor­ma­tio­nen, die hel­fen sol­len, die Aus­bil­dung ste­tig zu reflek­tie­ren und zu ver­bes­sern. Die Aus­bil­dungs­stät­ten erhal­ten eine Rück­mel­dung über die Stär­ken und Schwä­chen der ver­mit­tel­ten Aus­bil­dung aus Sicht der Tur­nus­ärzte. Nur ein offe­nes Feed­back ermög­licht es, Ver­bes­se­run­gen zu erzie­len. In der Schweiz beob­ach­ten wir, dass die Eva­lua­tion den Aus­tausch zwi­schen Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­chen und Tur­nus­ärz­ten för­dert. Der Bericht wird von den Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­chen als Dis­kus­si­ons­ba­sis genutzt und so ent­steht oft­mals ein kon­struk­ti­ves Gespräch mit den Tur­nus­ärz­ten. Dies trägt zur Qua­li­täts­si­che­rung der Ärz­te­aus­bil­dung bei.

Was kann die Ärz­te­schaft in Öster­reich von der Aus­wer­tung, die ja dann öffent­lich gemacht wer­den wird, erwar­ten? Es kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Eva­lua­tion nicht nur den Aus­tausch zwi­schen Aus­bil­dungs­ver­ant­wort­li­chen und den Tur­nus­ärz­ten för­dert, son­dern auch einen Dis­kurs zwi­schen den ein­zel­nen Lan­des­ärz­te­kam­mern oder inner­halb der ein­zel­nen medi­zi­ni­schen Fach­ge­biete ermög­licht. Mit den jähr­lich wech­seln­den Modul­fra­gen im Fra­ge­bo­gen kön­nen die Mei­nun­gen und Ein­stel­lun­gen der Ärz­te­schaft zu aktu­el­len The­men erfasst wer­den. In der Schweiz publi­zie­ren wir inter­es­sante Ergeb­nisse zu den Modul­fra­gen in der Schwei­ze­ri­schen Ärz­te­zei­tung. Dies bie­tet auch die Mög­lich­keit, stan­des­po­li­ti­sche Fra­gen fak­ten­ba­siert zu dis­ku­tie­ren. Ähn­li­ches ist für Öster­reich geplant – also hier in der ÖÄZ.

Wie kön­nen Sie den Daten­schutz der Umfrage gewähr­leis­ten? Das Retour­nie­ren der aus­ge­füll­ten Fra­ge­bo­gen erfolgt anony­mi­siert mit­tels bei­geleg­tem Rück­ant­wort-Kuvert an die ETH Zürich. Die Roh­da­ten und die Fra­ge­bo­gen blei­ben bei der ETH Zürich und wer­den selbst­ver­ständ­lich nicht her­aus­ge­ge­ben. Die Öster­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer erhält nur agg­re­gierte Daten auf Basis der Aus­bil­dungs­stätte und nicht auf Basis von Ein­zel­per­so­nen. Die Fra­ge­bö­gen las­sen sich also mit Sicher­heit nicht rück­ver­fol­gen. Alle Tur­nus­ärzte wer­den zudem am Schluss des Fra­ge­bo­gens gefragt, ob eine Rück­mel­dung an den Pri­mar­arzt auch dann erfol­gen darf, wenn weni­ger als vier Fra­ge­bo­gen von die­ser Aus­bil­dungs­stätte vor­lie­gen. Nur bei einem Ein­ver­ständ­nis wird der Fra­ge­bo­gen für die Aus­wer­tun­gen an die Aus­bil­dungs­stätte mit­ein­be­zo­gen, ansons­ten wird die­ser von die­sen Ana­ly­sen ausgeschlossen.

Jedes Jahr wer­den auch beson­ders aktu­elle The­men – in zwei Modu­len – abge­fragt. Wel­che wer­den das 2023 bei der Eva­lu­ie­rung in Öster­reich sein? Es wer­den Fra­gen zu den The­men­be­rei­chen Teil­zeit­ar­beit und Ver­ein­bar­keit von Aus­bil­dung und Pri­vat­le­ben in gestellt.

Kann man die Daten zwi­schen Öster­reich und der Schweiz dann grund­sätz­lich ver­glei­chen? Die Daten las­sen sich zum gro­ßen Teil ver­glei­chen, denn es wird der glei­che Fra­ge­bo­gen ver­wen­det. Die ange­bo­te­nen Fach­rich­tun­gen in Öster­reich und der Schweiz sind aber nicht iden­tisch, dies kann in eini­gen Fäl­len die Ver­gleich­bar­keit erschwe­ren. Aber im Gro­ßen und Gan­zen kann man das zwi­schen Öster­reich und der Schweiz schon ver­glei­chen und die rich­ti­gen Schlüsse dar­aus ziehen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 3 /​10.02.2023