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10.03.2022 | Inhaltsverzeichnis

Was ist das Problem am aktuellen Versorgungssystem?
Unserem System fehlt die nötige Flexibilität und Durch-
lässigkeit, um den Bedürfnissen der modernen Arbeitswelt
gerecht zu werden. Es gibt eine viel zu strikte Trennung in
die Bereiche angestellt und freiberuflich. Eine Mischung
aus beidem bleibt für viele eine Wunschvorstellung. Dazu
müsste man die Möglichkeiten zur Arbeit in Teilzeit aus-
bauen – weg von dem Gedanken, dass nur Vollzeit sinnvoll
für das Krankenhaus ist, hin zu mehr Flexibilität. Die Karri-
erechancen für Teilzeitbeschäftigte sollten ebenfalls verbes-

sert werden. Auf der anderen Seite fühlen sich Mitarbeiter
des Solidarsystems inzwischen oft ausgebeutet: von Ihnen
wird Solidarität erwartet, während sie selbst keine solche
erfahren, denn die Arbeitsverdichtung in den öffentlichen
Spitälern ist enorm. Die Mitarbeiter sollen also immer pro-
duktiver sein, aber keinen Anteil an dieser Produktivitäts-
steigerung haben. Die Pandemie hat hier für viele wie ein
Brandbeschleuniger gewirkt, da man durch ökonomische
Nutzenmaximierung in den vergangenen
Jahrzehnten viele Vorhalte-Kapazitäten
abgebaut hat, welche nun gefehlt und zur
völligen Überlastung der einzelnen Bereiche
geführt haben.
Welche Konsequenzen drohen? Ich per-
sönlich kenne kaum einen Arzt unter 40,
der sich vorstellen kann, bis zum Ende sei-
ner beruflichen Laufbahn Vollzeit in einem
öffentlichen Spital zu arbeiten. Sehr viele
reden davon, nach der Facharztausbildung
das öffentliche System zu verlassen, sei es
in einem privaten Spital oder auch in der
Niederlassung als Wahlarzt. Dafür gibt es
viele Gründe: Work-Life-Balance, Wertschät-
zung der persönlichen Leistung, besseres Einkommen oder
einfach grundsätzlich mehr Selbstbestimmtheit. Ein Spitals-
arzt leistet derzeit bis zu sechs – in manchen Fällen sogar bis
zu acht – 25-Stunden-Dienste. Gerade in der Akutversorgung
bedeutet so ein Dienst nicht selten weniger als vier Stunden
Schlaf. Wer möchte so auf Dauer arbeiten? Ohne ein kri-
tisches Überdenken dieser Arbeitsmodelle und neue Ange-
bote wird sich der Mangel an Spitalsärzten in den nächsten
Jahren massiv verstärken. Auch fehlen die in anderen Län-
dern selbstverständlichen Hilfen im psychischen Bereich.