USA: Burnout bei Ärzten – Die Schattenpandemie

15.07.2022 | Coronavirus, Politik

Vor Beginn der COVID-19-Pandemie waren die USA aufgrund von grundlegenden Systemänderungen auf dem Weg, das Burnout bei Ärzten und Pflegekräften zu reduzieren. Die Pandemie übt jedoch enormen psychischen Druck auf die Mitarbeiter im Gesundheitswesen aus. Laut Experten ist eine Schattenpandemie im Gange.

Nora Schmitt-Sausen

In den USA hat die US-amerikanische Regierung des Demokraten Joe Biden erkannt, dass der hohe psychische Druck, dem das Gesundheitspersonal ausgesetzt ist, zum Problem für die gesamte Gesellschaft werden kann. Im Zuge der Schritte, die der US-amerikanische Präsident aktuell einleitet, um der „Krise der mentalen Gesundheit“ der Bevölkerung entgegenzutreten, gehören Maßnahmen zur Stärkung des Wohlbefindens von Mitarbeitern im Gesundheitswesen.

Die Regierung Biden hat Grund genug, zu handeln: Mehr als 52 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitswesen berichteten laut der Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im Pandemiejahr 2021 über mindestens ein Symptom, das im Rahmen einer Störung der mentalen Gesundheit auftritt wie über Angstzuständen, Depressionen und eine erhöhte Zahl von Fällen an posttraumatischer Belastungsstörung. Besonders betroffen waren Mitarbeiter, die sich nicht frei nehmen konnten und mehr als 41 Stunden in der Woche arbeiteten. Mehr als 92 Prozent der Befragten beschrieben COVID-19-bezogene Tätigkeiten. Die höchsten Burnout-Raten unter Fachärzten haben in den USA laut einer Erhebung der Ärzte-Webseite Medscape vom Sommer 2021 Notfallmediziner (60 Prozent), Intensivmediziner (56 Prozent) und Gynäkologen (53 Prozent).

Die Kaiser Family Foundation ermittelte im April 2021 mit der Zeitung Washington Post die Lage unter Ärzten und Pflegekräften, die während der Pandemie an der vordersten Front im Einsatz waren etwa bei der Betreuung von Infizierten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. 62 Prozent der Befragten gaben an, dass Angst und Sorgen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ihre mentale Gesundheit gefährden. 55 Prozent sagten, sie fühlten sich ausgebrannt, wenn sie zur Arbeit gehen.

Die USA sind von der Pandemie stärker betroffen als nahezu alle anderen Industrienationen. Das Land hat mehr als eine Million Corona-Tote zu beklagen. Das Virus grassierte in mehreren Regionen des Landes ähnlich intensiv wie in der ersten Pandemie-Welle in der italienischen Provinz Bergamo. Notfall- und Intensivmediziner sahen in den langen Monaten der Pandemie zahllose Patienten sterben. Dazu kam die Angst, sich selbst – und die eigene Familie – zu infizieren. Berichte von ausgelaugten Ärzten – und auch anderen Mitarbeitern im Gesundheitsbereich – häufen sich in den US-amerikanischen Medien. Es gibt Stimmen, die inzwischen davon sprechen, dass nahezu „die gesamte Ärzteschaft“ der USA ausgebrannt ist.

140.000 Ärzte fehlen

Die Prognosen für den Berufsstand sind besorgniserregend: Bis 2033 sollen in den USA schätzungsweise 140.000 Ärzte fehlen. Die US-amerikanische Regierung sieht die medizinische Infrastruktur des Landes gefährdet. Deshalb hat sich die Regierung Biden kürzlich mit Empfehlungen an Akteure im Gesundheitswesen wie Gesundheitsorganisationen, Versicherer und die Gesundheitsindustrie, aber auch an Forschungseinrichtungen und die Gemeinden vor Ort gewandt. Alleiniges Ziel: das Wohlbefinden der medizinischen Teams zu stärken. Zu den Empfehlungen zählen Stichworte wie das Verändern der Arbeitskultur, ein verbesserter Zugang zu Therapien, attraktive Sozialleistungen, Reduktion von administrativer Arbeit, Stärkung von sozialer Interaktion und mehr Einbindung im Arbeitsumfeld. Die Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens des Gesundheitspersonals, das an vorderster Front in der Corona-Pandemie arbeitet, sei „eine Priorität“ für die Regierung Biden und „ein Kernziel“ der nationalen Strategie für die psychische Gesundheit der Bevölkerung.

In den USA hat die Pandemie das Bewusstsein für die Anfälligkeit der Gesundheitsberufe für Burnout in der Öffentlichkeit und der Politik massiv gestärkt. Dabei hatte das Thema Burnout von Ärzten und Pflegekräften im US-amerikanischen Gesundheitswesen bereits vor Corona Krisenstatus erreicht – und wurde in Fachkreisen längst thematisiert. Denn schon seit vielen Jahren sind die Burnout-Zahlen in Gesundheitsberufen höher als in der Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2019 ermittelten die National Academies of Medicine, dass 54 Prozent der US-amerikanischen Ärzte und Krankenschwestern von Burnout betroffen sind, bei Medizinstudenten und Ärztin in der Facharztausbildung sind es sogar 60 Prozent, wenn die Arbeitsbelastung besonders hoch ist. Auch die Suizidrate bei Ärztinnen und Ärzten ist in den USA hoch. Irgendwann spitzte sich die Situation dermaßen zu, dass US-amerikanische Gesundheitseinrichtungen und Fachgesellschaften Maßnahmen setzten, um Ärzte besser davor zu schützen, ein Burnout zu erleiden. Coaching-Programme wurden installiert, die Verantwortung durch die Stärkung der Teamarbeit gesplittet, den Ärzten mehr Zeit am Patientenbett gegeben, Arbeitsabläufe korrigiert und die Nutzerfreundlichkeit von IT-Systemen verbessert. Darüber hinaus stellten einige renommierte Einrichtungen „Chief Wellness Officer“ ein. Deren einzige Aufgabe besteht darin, das Wohlbefinden des Gesundheitspersonals in den Mittelpunkt der Unternehmenskultur und Unternehmensstrategie zu stellen. Diese Veränderungen zeigten erste Erfolge: Als die Pandemie über das Land hereinbrach, waren erste durchgreifende Systemänderungen im Gange, die Burnout-Zahlen gar rückläufig (siehe Kasten).

Die Krankenhäuser und auch andere Institutionen versuchten mit zusätzlichen Maßnahmen, das Gesundheitspersonal vor den besonderen Belastungen ihres Berufes zu schützen – teils aufbauend auf den Erfahrungen und Strukturen, die in den vergangenen Jahren geschaffen wurden. Einen besonderen Weg hat dabei etwa das Mount Sinai Krankenhaus in New York eingeschlagen. Bereits seit April 2020 gibt es dort das Mount Sinai Center for Stress, Resilience and Personal Growth. Es ist darauf ausgerichtet, den negativen Einfluss der Corona-Pandemie auf die mentale Gesundheit der Mitarbeiter zu adressieren. Zu den Unterstützungsangeboten zählen etwa eine App, die den persönlichen Angst- und Stresslevel ermittelt, zahlreiche Resilienz-Workshops und Einzeltrainings. New York war eines der Epizentren der Corona-Pandemie in den USA. „Wir haben die Herausforderungen gesehen, die sich in unseren acht Krankenhäusern und der medizinischen Fakultät während und nach der COVID-19-Pandemie abspielten. Wir verstehen das Trauma und die Trauer über den Verlust von Patienten sowie die Ängste und Sorgen um unsere Gesundheit und die Gesundheit unserer Familienmitglieder“, heißt es auf der Internetseite des Zentrums.

Erfahrungen aus 9/11-Anschlägen

Bei der Arbeit helfen die Erfahrungen, die im Zuge der Begleitung von traumatisierten Ersthelfern nach den Anschlägen auf das World Trade Center gemacht wurden. Die Einrichtung setzt auf die „Entwicklung evidenzbasierter Interventionen zur Unterstützung unserer Mitarbeiter, indem wir ihnen Werkzeuge zur Bewältigung anhaltender Stressfaktoren in ihrem Leben an die Hand geben“. Beispiele für weitere Initiativen an anderen Häusern sind laut der American Hospital Association (AMA): Webinare zur Stärkung der mentalen Gesundheit während der COVID-19-Pandemie, niederschwellige Soforthilfe für Ärzte durch geschulte Kräfte im akuten Krisenfall, die Schaffung von Relax- und Wellnesszonen für die Mitarbeiter, um Abstand vom Arbeitsstress zu bekommen. Neben Initiativen zur Stärkung der mentalen Gesundheit wurden auch soziale Initiativen gestartet. So unterstützen manche Krankenhäuser ihre Teams bei Organisation und Einkauf von Mahlzeiten und Nahrungsmitteln, damit die Mitarbeiter ihre eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren. Einige Häuser stellen nach Angaben der AMA sogar Wohnmöglichkeiten zur Verfügung, damit Ärzte und Pflegekräfte keine langen Strecken bewältigen und nicht Angst haben müssen, ihre Familienmitglieder in Gefahr zu bringen.

Die American Medical Association, die sich seit vielen Jahren im Kampf gegen ärztlichen Burnout engagiert, warnt vor den weitreichenden Folgen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit nicht nur der US-Bevölkerung, sondern auch der Ärzte. Es sei inzwischen eine „Schattenpandemie“ im Gange. „Unsere Mitarbeiter im Gesundheitswesen ertragen wirklich viel. Sie sind Teil der Schattenpandemie“, sagte AMA-Mitglied Eileen Barrett kürzlich in einem Webinar, das unter dem Thema „Schattenpandemie: Psychische Auswirkungen von COVID-19 auf Patienten und das Pflegeteam“ stand. Barrett wies auf ein weiteres großes Problem in der US-amerikanischen Medizin hin: „Kulturell fällt es uns in der Medizin oft schwer, aufeinander aufzupassen und uns auch um uns selbst zu kümmern.“ Es sei an der Zeit, offen über die psychischen Belastungen des Arztberufes zu reden und Stigma und Hürden aus dem Weg zu räumen, die Ärzte nicht selten daran hinderten, sich Hilfe zu suchen.

In den USA hat die US-amerikanische Regierung des Demokraten Joe Biden erkannt, dass der hohe psychische Druck, dem das Gesundheitspersonal ausgesetzt ist, zum Problem für die gesamte Gesellschaft werden kann. Im Zuge der Schritte, die der US-amerikanische Präsident aktuell einleitet, um der „Krise der mentalen Gesundheit“ der Bevölkerung entgegenzutreten, gehören Maßnahmen zur Stärkung des Wohlbefindens von Mitarbeitern im Gesundheitswesen.

Die Regierung Biden hat Grund genug, zu handeln: Mehr als 52 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitswesen berichteten laut der Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im Pandemiejahr 2021 über mindestens ein Symptom, das im Rahmen einer Störung der mentalen Gesundheit auftritt wie über Angstzuständen, Depressionen und eine erhöhte Zahl von Fällen an posttraumatischer Belastungsstörung. Besonders betroffen waren Mitarbeiter, die sich nicht frei nehmen konnten und mehr als 41 Stunden in der Woche arbeiteten. Mehr als 92 Prozent der Befragten beschrieben COVID-19-bezogene Tätigkeiten. Die höchsten Burnout-Raten unter Fachärzten haben in den USA laut einer Erhebung der Ärzte-Webseite Medscape vom Sommer 2021 Notfallmediziner (60 Prozent), Intensivmediziner (56 Prozent) und Gynäkologen (53 Prozent).

Die Kaiser Family Foundation ermittelte im April 2021 mit der Zeitung Washington Post die Lage unter Ärzten und Pflegekräften, die während der Pandemie an der vordersten Front im Einsatz waren etwa bei der Betreuung von Infizierten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. 62 Prozent der Befragten gaben an, dass Angst und Sorgen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ihre mentale Gesundheit gefährden. 55 Prozent sagten, sie fühlten sich ausgebrannt, wenn sie zur Arbeit gehen.

Die USA sind von der Pandemie stärker betroffen als nahezu alle anderen Industrienationen. Das Land hat mehr als eine Million Corona-Tote zu beklagen. Das Virus grassierte in mehreren Regionen des Landes ähnlich intensiv wie in der ersten Pandemie-Welle in der italienischen Provinz Bergamo. Notfall- und Intensivmediziner sahen in den langen Monaten der Pandemie zahllose Patienten sterben. Dazu kam die Angst, sich selbst – und die eigene Familie – zu infizieren. Berichte von ausgelaugten Ärzten – und auch anderen Mitarbeitern im Gesundheitsbereich – häufen sich in den US-amerikanischen Medien. Es gibt Stimmen, die inzwischen davon sprechen, dass nahezu „die gesamte Ärzteschaft“ der USA ausgebrannt ist.

140.000 Ärzte fehlen

Die Prognosen für den Berufsstand sind besorgniserregend: Bis 2033 sollen in den USA schätzungsweise 140.000 Ärzte fehlen. Die US-amerikanische Regierung sieht die medizinische Infrastruktur des Landes gefährdet. Deshalb hat sich die Regierung Biden kürzlich mit Empfehlungen an Akteure im Gesundheitswesen wie Gesundheitsorganisationen, Versicherer und die Gesundheitsindustrie, aber auch an Forschungseinrichtungen und die Gemeinden vor Ort gewandt. Alleiniges Ziel: das Wohlbefinden der medizinischen Teams zu stärken. Zu den Empfehlungen zählen Stichworte wie das Verändern der Arbeitskultur, ein verbesserter Zugang zu Therapien, attraktive Sozialleistungen, Reduktion von administrativer Arbeit, Stärkung von sozialer Interaktion und mehr Einbindung im Arbeitsumfeld. Die Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens des Gesundheitspersonals, das an vorderster Front in der Corona-Pandemie arbeitet, sei „eine Priorität“ für die Regierung Biden und „ein Kernziel“ der nationalen Strategie für die psychische Gesundheit der Bevölkerung.

In den USA hat die Pandemie das Bewusstsein für die Anfälligkeit der Gesundheitsberufe für Burnout in der Öffentlichkeit und der Politik massiv gestärkt. Dabei hatte das Thema Burnout von Ärzten und Pflegekräften im US-amerikanischen Gesundheitswesen bereits vor Corona Krisenstatus erreicht – und wurde in Fachkreisen längst thematisiert. Denn schon seit vielen Jahren sind die Burnout-Zahlen in Gesundheitsberufen höher als in der Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2019 ermittelten die National Academies of Medicine, dass 54 Prozent der US-amerikanischen Ärzte und Krankenschwestern von Burnout betroffen sind, bei Medizinstudenten und Ärztin in der Facharztausbildung sind es sogar 60 Prozent, wenn die Arbeitsbelastung besonders hoch ist. Auch die Suizidrate bei Ärztinnen und Ärzten ist in den USA hoch. Irgendwann spitzte sich die Situation dermaßen zu, dass US-amerikanische Gesundheitseinrichtungen und Fachgesellschaften Maßnahmen setzten, um Ärzte besser davor zu schützen, ein Burnout zu erleiden. Coaching-Programme wurden installiert, die Verantwortung durch die Stärkung der Teamarbeit gesplittet, den Ärzten mehr Zeit am Patientenbett gegeben, Arbeitsabläufe korrigiert und die Nutzerfreundlichkeit von IT-Systemen verbessert. Darüber hinaus stellten einige renommierte Einrichtungen „Chief Wellness Officer“ ein. Deren einzige Aufgabe besteht darin, das Wohlbefinden des Gesundheitspersonals in den Mittelpunkt der Unternehmenskultur und Unternehmensstrategie zu stellen. Diese Veränderungen zeigten erste Erfolge: Als die Pandemie über das Land hereinbrach, waren erste durchgreifende Systemänderungen im Gange, die Burnout-Zahlen gar rückläufig (siehe Kasten).

titutionen versuchten mit zusätzlichen Maßnahmen, das Gesundheitspersonal vor den besonderen Belastungen ihres Berufes zu schützen – teils aufbauend auf den Erfahrungen und Strukturen, die in den vergangenen Jahren geschaffen wurden. Einen besonderen Weg hat dabei etwa das Mount Sinai Krankenhaus in New York eingeschlagen. Bereits seit April 2020 gibt es dort das Mount Sinai Center for Stress, Resilience and Personal Growth. Es ist darauf ausgerichtet, den negativen Einfluss der Corona-Pandemie auf die mentale Gesundheit der Mitarbeiter zu adressieren. Zu den Unterstützungsangeboten zählen etwa eine App, die den persönlichen Angst- und Stresslevel ermittelt, zahlreiche Resilienz-Workshops und Einzeltrainings. New York war eines der Epizentren der Corona-Pandemie in den USA. „Wir haben die Herausforderungen gesehen, die sich in unseren acht Krankenhäusern und der medizinischen Fakultät während und nach der COVID-19-Pandemie abspielten. Wir verstehen das Trauma und die Trauer über den Verlust von Patienten sowie die Ängste und Sorgen um unsere Gesundheit und die Gesundheit unserer Familienmitglieder“, heißt es auf der Internetseite des Zentrums.

Erfahrungen aus 9/11-Anschlägen

Bei der Arbeit helfen die Erfahrungen, die im Zuge der Begleitung von traumatisierten Ersthelfern nach den Anschlägen auf das World Trade Center gemacht wurden. Die Einrichtung setzt auf die „Entwicklung evidenzbasierter Interventionen zur Unterstützung unserer Mitarbeiter, indem wir ihnen Werkzeuge zur Bewältigung anhaltender Stressfaktoren in ihrem Leben an die Hand geben“. Beispiele für weitere Initiativen an anderen Häusern sind laut der American Hospital Association (AMA): Webinare zur Stärkung der mentalen Gesundheit während der COVID-19-Pandemie, niederschwellige Soforthilfe für Ärzte durch geschulte Kräfte im akuten Krisenfall, die Schaffung von Relax- und Wellnesszonen für die Mitarbeiter, um Abstand vom Arbeitsstress zu bekommen. Neben Initiativen zur Stärkung der mentalen Gesundheit wurden auch soziale Initiativen gestartet. So unterstützen manche Krankenhäuser ihre Teams bei Organisation und Einkauf von Mahlzeiten und Nahrungsmitteln, damit die Mitarbeiter ihre eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren. Einige Häuser stellen nach Angaben der AMA sogar Wohnmöglichkeiten zur Verfügung, damit Ärzte und Pflegekräfte keine langen Strecken bewältigen und nicht Angst haben müssen, ihre Familienmitglieder in Gefahr zu bringen.

Die American Medical Association, die sich seit vielen Jahren im Kampf gegen ärztlichen Burnout engagiert, warnt vor den weitreichenden Folgen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit nicht nur der US-Bevölkerung, sondern auch der Ärzte. Es sei inzwischen eine „Schattenpandemie“ im Gange. „Unsere Mitarbeiter im Gesundheitswesen ertragen wirklich viel. Sie sind Teil der Schattenpandemie“, sagte AMA-Mitglied Eileen Barrett kürzlich in einem Webinar, das unter dem Thema „Schattenpandemie: Psychische Auswirkungen von COVID-19 auf Patienten und das Pflegeteam“ stand. Barrett wies auf ein weiteres großes Problem in der US-amerikanischen Medizin hin: „Kulturell fällt es uns in der Medizin oft schwer, aufeinander aufzupassen und uns auch um uns selbst zu kümmern.“ Es sei an der Zeit, offen über die psychischen Belastungen des Arztberufes zu reden und Stigma und Hürden aus dem Weg zu räumen, die Ärzte nicht selten daran hinderten, sich Hilfe zu suchen.


Burnout-Raten in den USA

In den ersten Monaten der Pandemie haben sich die landesweiten Burnout-Raten bei Ärztinnen und Ärzten verbessert. Im Vergleich zu den Jahren 2011, 2014 und 2017 zeigten im Herbst 2020 weniger Ärzte Symptome von emotionaler Erschöpfung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die in Zusammenarbeit von American Medical Association, Mayo Clinic und Stanford University School of Medicine durchgeführt und für die mehr als 7.500 Ärzte befragt wurden.

Das Ergebnis: Im Jahr 2020 berichteten 38,2 Prozent der Befragten von mindestens einem Symptom von Burnout. Im Jahr 2017 waren es noch 43,9 Prozent, im Jahr 2014 waren es sogar 54,4 Prozent und 45,5 Prozent im Jahr 2011. Allerdings: Die Studie zeigte eine Verbesserung für die gesamte Ärzteschaft. Ausgenommen davon waren diejenigen Ärztegruppen, die besonders stark mit COVID-19-Patienten konfrontiert waren: Ärzte in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, Spitalsärzte, Infektiologen und Intensivmediziner. Zunehmend Stress-Symptome meldeten außerdem Ärzte, die sich durch unsachgemäße Arbeitskleidung nicht richtig geschützt fühlten sowie Ärzte, deren Ordinationen starke wirtschaftliche Einbußen durch die Pandemie erlitten.

Als Erklärung dafür, dass die Burnout-Gesamtzahlen im ersten Pandemie-Jahr zurückgegangen sind, werden verschiedene Punkte genannt. Dazu zählt etwa, dass vielen Ärzten ihre Arbeit wieder bedeutsam und sinnvoll erschien, Telemedizin verstärkt eingesetzt werden konnte, viele Dokumentationspflichten und Regularien weggefallen waren, Teamarbeit besser funktionierte und – in einigen Bereichen – die Arbeitsbelastung sogar sank. Die Experten haben noch einige weitere Erklärungsansätze für den Rückgang der Burnout-Zahlen: Die zahlreichen Schritte, die in den vergangenen Jahren gesetzt wurden, um dem Problem des ärztlichen Burnouts im US-Gesundheitssystem entgegenzutreten, hätten Wirkung gezeigt. Was dabei jedenfalls zu berücksichtigen ist: Zu dem Zeitpunkt, als die Studie landesweit durchgeführt wurde, hatte sich die Pandemie in den USA noch nicht flächendeckend ausgebreitet. Dies könnte Effekte auf die Ergebnisse der Befragung gehabt haben.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2022