Qualitätszirkel: Effektives Instrument

25.01.2022 | Politik

Aus dem ursprünglichen Bedürfnis, sich als Allgemeinmediziner zu vernetzen, sind sie entstanden und mittlerweile etabliert: ärztliche Qualitätszirkel. Sie stellen eines der effektivsten Instrumente dar, um die Versorgung von Patienten im Hinblick auf Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität weiter zu optimieren.

Manuela-C. Warscher

Vertreter mancher Berufsgruppen sind Einzelkämpfer, Allgemeinmediziner sind Networker – und der Ausdruck dieser Fähigkeit sind die ärztlichen Qualitätszirkel. „Ja, sie sind eine Initiative der Allgemeinmedizin, weil früher sowohl Hausärzte als auch Fachärzte in Einzelpraxen gearbeitet haben, wodurch das Bedürfnis entstand, sich zu vernetzen“, bestätigt der oberösterreichische Allgemeinmediziner Thomas Peinbauer. Das war vor mehr als 25 Jahren. Allerdings: Die regionalen Unter-schiede sind nicht erst in der Corona-Pandemie evident geworden. „In den letzten 1,5 Jahren ist es tatsächlich noch schwieriger geworden, die Routine der Qualitätszirkel aufrechtzuhalten, vor allem weil persönliche Treffen wegfielen“, so Peinbauer. Dazu kommt, dass die Strukturprobleme der Allgemeinmedizin auch den Qualitätszirkeln zu schaffen machen. „Einige Hausarztstellen sind nicht besetzt, andere mit Arbeit überfrachtet. Daher kann sich die Implementierung der Qualitätszirkel mitunter sehr schwierig gestalten.“

Die Garantien für den Erfolg

Einmal implementiert, entwickeln sie sich jedoch als ein äußerst erfolgreiches und produktives Instrument. Für die Wiener Allgemeinmedizinerin Gudrun Khünl-Brady ist das wenig überraschend, denn ihrer Meinung nach sind die „Wechselseitigkeit und Aktualität ihre Erfolgsgaranten“. Und weiter: „Die Kollegen kommen mit jenen Fragestellungen und Herausforderungen in der Patientenbetreuung, die sie aktuell nachdenklich machen.“ Peinbauer bestätigt: „Zum Qualitätszirkel gehört das Soziale.“ Es bestehe auch kein Zweifel, dass er eines der effektivsten Instrumente darstellt, um die Patientenversorgung aus Qualitätssicht weiter zu optimieren. „Der gemeinsame Nutznießer dieses niederschwelligen Angebots ist und bleibt der Patient, er steht im Mittelpunkt“, so Peinbauer. Es gelte, die Versorgungsqualität zu heben – und zwar in Bezug auf Struktur-, Prozess- oder Ergebnisqualität.

Initiative der Ärzte

In der Regel kommt die Initiative für diese Qualitätszirkel aus der „Kollegenschaft“, so Peinbauer. Die bei der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) angemeldeten Arbeitsgruppen mit fünf bis zwölf Ärzten orientieren sich an freiwilliger, kontinuierlicher, erfahrungsbezogener und themenzentrierter Arbeit und finden zumindest einmal im Quartal statt. Sowohl das Einladungsmanagement als auch die Zuordnung der Fortbildungspunkte im Rahmen des Diplomfortbildungsprogramms (DFP) übernimmt die ÖÄK.

Der Ablauf kann je nach Thema variieren, beinhaltet aber zumeist die Präsentation einer Leitlinie oder Studie als Grundlage für den nachfolgenden Austausch. „Diese Diskussion ist für alle ein Gewinn, da die Gesprächskultur ausgesprochen gut ist, was einerseits die Qualität der hausärztlichen Leistung verbessert und andererseits in weiterer Folge auch die Zusammenarbeit im Generellen stärkt“, so Khünl-Brady. Daher käme auch zwei Punkten zentrale Bedeutung zu: der Anwesenheit von erfahrenen Ärzten und der Gruppenzusammensetzung. „Es hat keinen Sinn, wenn zwölf Ärzte zusammensitzen und lediglich zwei sprechen, während der Rest die ganze Zeit schweigt“, so Khünl-Brady.


„Zum Qualitätszirkel gehört das Soziale.“

Thomas Peinbauer
Arzt für Allgemeinmedizin in Linz


Je nach Themenschwerpunkt des Qualitätszirkels werden auch benachbarte Fachärzte für „fachliche Inputs“ eingeladen. „In solchen Treffen geht es auch immer darum, die strukturierte Zusammenarbeit zwischen der Allgemeinmedizin und den Fachärzten zu verbessern: So resultiert daraus neben dem fachlichen Austausch auch das Kennenlernen der fremden Ordinationsabläufe und die Etablierung der meist elektronischen Befundübermittlung. Dies trägt zusätzlich zur qualitativ hochwertigen Patientenbetreuung bei“, erzählt Khünl-Brady. Essentiell sei es aber, die regionalen Besonderheiten zu erkennen und gegebenenfalls Leitlinien entsprechend anzupassen, betont Peinbauer. Daher muss auch eine Art regionale Bedarfserhebung oder zumindest das Wissen um die regionalen Bedürfnisse im Vorfeld der Planung stehen. „Schließlich ist es das Ziel, Herausforderungen entlang dieser regionalen Bedürfnisse zu lösen. Also wenn beispielsweise kein Augenarzt verfügbar ist, muss für die Betreuung der diabetischen Retinopathie beim Diabetespatienten eine regionale Lösung erarbeitet werden“, so Peinbauer.

Das Themenspektrum der Qualitätszirkel orientiert sich am Bedarf in allgemeinmedizinischen Praxen – und an der Frage, wie die Patientenversorgung verbessert werden kann. Neben dem Umgang mit den im Rahmen der Pandemie eingeführten technologischen Neuerungen, Hygienefragen und der Versorgung der COVID-19-Erkrankten haben in der Corona-Pandemie bislang vor allem Themenfelder rund um die Impfung die Treen dominiert. „Das war insbesondere hinsichtlich der Strukturfragen hilfreich, um die Ordinationen sowohl auf die zusätzliche Impf-Patientenfrequenz auszurichten als auch die gewohnte tägliche Praxis aufrechtzuerhalten“, so Khünl-Brady. Da der Bedarf am Austausch vor allem in der Pandemie extrem hoch war und immer noch ist, habe man aus Vernunftgründen flexibel die Zeitpunkte in Phasen niedriger Krankheitsaktivität verlegt und Qualitätszirkel auch im Freien abgehalten.

Schlüsselrolle Moderator

Der Erfolg des Qualitätszirkels hängt eng mit dem Moderator zusammen. „Er ist es, der die Diskussion zum ema heranführt und die Stränge zusammenhält“, so Peinbauer. Basis für eine Moderatorenrolle ist die korrespondierende Ausbildung der ÖÄK. Allerdings machen sich auch hier regionale Unterschiede und Mankos bemerkbar: „Es gibt in manchen Bezirken nur sehr wenige Kollegen mit abgeschlossener Ausbildung“, so Peinbauer, der selbst seit Abschluss der Moderatorenausbildung regelmäßig Qualitätszirkel leitet und an der medizinischen Fakultät der JKU Studierende in der praktischen Durchführung von Qualitätszirkeln unterrichtet. Für Khünl-Brady hat die Ausbildung „tiefe Einblicke in die Moderatorenrolle“ und „das Konzept des Peer Reviews“ gebracht. Auch hier spiele bei den ersten „Gehversuchen“ als Moderator die Wertschätzung der Kollegen eine wichtige Rolle: „Der enorme Zusammenhalt und das Wohlwollen der Kollegen waren beeindruckend“, erinnert sich Khünl-Brady an ihre erste Qualitätszirkel-Moderation zurück. Für beide Allgemeinmediziner ist jedoch – trotz aller noch zu lösender regionaler Unterschiede – eines unbestritten: Egal ob als Moderator oder als Teilnehmer eines Qualitätszirkels nimmt man sehr viel mehr davon mit, als man investiert.

Qualitätszirkel auf einen Blick
1. Qualitätszirkel sind eines der effektivsten Instrumente, um die Patientenversorgung zu verbessern.
2. An einem Qualitätszirkel nehmen zwischen fünf und zwölf Allgemeinmediziner und Fachärzte teil.
3. Qualitätszirkel finden vier bis maximal sechsmal pro Jahr statt.
4. Qualitätszirkel sind bei der ÖÄK anzumelden; für Qualitätszirkel werden Diplomfortbildungspunkte vergeben.
5. Die ÖÄK bietet eine entsprechende Moderatorenausbildung an.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 01-02 / 25.01.2022