Porträt Timon Adolph: Hungrig nach ungesättigten Fettsäuren

11.04.2022 | Politik

Mit dem Einfluss von ungesättigten Fettsäuren auf die Entstehung von M. Crohn befasst sich Timon Adolph im Rahmen seiner Forschungsaktivitäten. Dafür erhielt er nun vom Europäischen Forschungsrat unter mehr als 4.000 Einreichungen einen 1,5 Millionen schweren Starting Grant.

Ursula Scholz

Glück und viel Arbeit“ – das stecke hinter einem immerhin 1,5 Millionen schweren ERC Starting Grant, erklärt Timon ­Adolph. Unter mehr als 4.000 Einreichungen beim Europä­ischen Forschungsrat (ERC) wurde sein Projekt als eines von 397 geförderten auserkoren, womit seine Grundlagenforschung nun für fünf Jahre finanziell abgesichert ist. Adolph untersucht den Einfluss mehrfach ungesättigter Fettsäuren (PUFA) auf Morbus Crohn. „Am Mausmodell hat sich gezeigt, dass bei ­Tieren mit ­einer entsprechenden genetischen Prädisposition nach regelmäßiger Gabe von mehrfach ungesättigten Fett­säuren eine Entzündung im Darm hervorgerufen werden kann“, berichtet Adolph.

Mit dem eingeworbenen Forschungsgeld plant er eine transla­tionale Studie an humanen Stammzellen, die Darmepithelzellen ausbilden, um zu überprüfen, inwieweit sich die Erkenntnisse von Mäusen auf Menschen übertragen lassen – und natürlich auch, um die Wirkungsmechanismen der PUFA auf den Darm zu entschlüsseln. Außerdem schwebt ihm eine klinische Pilotstudie mit Patienten der Innsbrucker Spezialambulanz für Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) vor. Gemeinsam mit Diätologen möchte er eine PUFA-arme Diät für Betroffene entwickeln und testen.

Ziel: kausale Therapie

Eine bewusste Reduktion von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren mag für Kardiologen vielleicht ungewöhnlich klingen. Im Fall einer entzündlichen Darmerkrankung kann das Einsparen genau dieser sonst als gesund geltenden Fettsäuren jedoch eine Linderung der Symptome bringen. Bei bisherigen epidemiologischen Untersuchungen hat sich grundsätzlich eine fett- und zuckerreiche Ernährung als Risikofaktor für CED erwiesen. „Wir aber wollten herausfinden, welche spezielle Art von Fett sich besonders negativ auf die Darmgesundheit auswirkt, vor allem bei jenen Probanden, bei denen das antioxidative Enzym GPX4 (Glutathione Peroxidase 4) vermindert aktiv ist.“ Adolph und sein Team konnten bereits nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen Morbus Crohn und verminderter GPX4-Aktivität besteht. Unklar ist noch die Richtung der Kausalität: Wirkt sich eine PUFA-reiche Ernährung negativ auf die Bildung des Enzyms aus oder reagieren Menschen mit einem genetischen Defekt, der die Aktivität von GPX4 vermindert, sensibler auf die mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Nahrung?

„Derzeit gibt es für Patienten mit Morbus Crohn lediglich immun­suppressive Therapien“, erzählt Adolph. Und das, obwohl Gastroenterologen seit mindestens zwei Jahrzehnten nach einer kausalen Behandlungsmethode suchen. „Wenn es uns nun gelingt, herauszufinden, unter welchen Umständen die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Entzündungssignale hervorrufen können, wäre das ein vielversprechender Ansatz.“

Krankheitsmechanismen verstehen

Eine weitere Schwierigkeit bei der Entwicklung einer effektiven Therapie besteht darin, jene Patienten zu identifizieren, die von einer PUFA-reduzierten Diät profitieren können. „Morbus Crohn ist ja nur ein Überbegriff für Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, für die es aber verschiedene Ursachen gibt“, erklärt Adolph. „Vermutlich wird die Diät daher nicht bei jedem Morbus-­Crohn-Patienten gleich gut wirken.“

Mechanismen von Krankheiten zu entschlüsseln war schon seit der Schulzeit eine berufliche Vision von Adolph. „Zunächst wollte ich Humanbiologie studieren, habe mich aber dann doch für Medizin entschieden. Jetzt bin ich froh darüber und arbeite auch gerne direkt mit den Patienten.“ Adolph ist in Bonn aufgewachsen und hätte in Deutschland jahrelang auf einen Medizin-Studienplatz warten müssen. Also kam er zum Studium nach Inns­bruck, wo er – mit Ausnahme eines Forschungsaufenthaltes in Cambridge – geblieben ist. Die drei Jahre in England verbrachte er sozusagen in der Expositur der Innsbrucker Gastroenterologie, denn er folgte dem Betreuer seiner Diplomarbeit, Prof. Arthur Kaser, dorthin, als dieser nach Cambridge berufen wurde. Adolph hätte in seiner Forschungsgruppe bleiben können, kehrte aber zur Facharztausbildung nach Innsbruck zurück. „Mein Herz schlägt für Österreich und die Lebensqualität hier ist höher.“

In die Forschung ist er gleich nach seiner Rückkehr wieder eingestiegen, hat parallel seinen Facharzt für Innere Medizin absolviert und hofft, in Herbst dieses Jahres das Zusatzfach Gastro­enterologie abschließen zu können. Ein Fach, für das er sich zunächst nicht bewusst entschieden hat. „Ich wollte unbedingt forschen und habe nach einer Arbeitsgruppe gesucht, in der maximale Expertise vorhanden ist und ich bestmöglich betreut werde. Diese Bedingungen habe ich auf der Gastroenterologie vorgefunden. Und wenn man dann einmal fünf, sechs Jahre auf einem Gebiet geforscht hat, bleibt man auch dabei.“

Abteilung wiederholt ausgezeichnet

Dass in kurzen Abständen mehrere Jungforscher der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin I ausgezeichnet wurden, ist für Adolph kein Zufall: „Die Abteilung ist so gut wie ihr Chef“, streut er seinem Mentor Univ. Prof. Herbert Tilg Rosen. Dass dieser seinen Mitarbeitern im Labor zwar Themengebiete vorgibt, ihnen danach aber freie Entfaltung ermöglicht, entspricht ganz genau der Arbeitsweise von Adolph.

Struktur kann sich Adolph in einem freiheitsbetonten Umfeld selbst geben. „Ich arbeite sehr strukturiert. Trotzdem lasse ich mich auch auf Zufallsfunde ein, wenn sie auftauchen.“ Neben der Struktur gibt ihm der Humor Kraft – und so lacht er oft, wenn er von seiner Arbeit erzählt. „Wie jeder andere Grundlagen­forscher“ kenne aber auch er Phasen der Desillusionierung. „Man braucht schon einen langen Atem dafür.“ Entmutigen lässt er sich dennoch nicht. „Mich motivieren mein Interesse und der Spaß an der Arbeit, aber auch die Verantwortung, die ich für meine Teammitglieder trage.“ Der Starting Grant gibt ihm nun zumindest für fünf Jahre finanzielle Planungssicherheit. „Eigentlich plane ich immer nur für ein Jahr im Vorhinein“, gesteht Adolph. Nicht für fünf. „Ich habe auch kein konkretes berufliches Ziel, sondern ich möchte mit meinen wissenschaftlichen Beiträgen einfach zu besseren medizinischen Therapien beitragen.“

Forschung beeinflusst eigene Ernährung

Privat ist ihm ein gesundes, körperlich fittes Leben ein Anliegen und die Zeit mit der Familie wichtig. Und ja, seine Forschung beeinflusst auch seine eigene Ernährung, die nur noch wenige PUFA-reiche Komponenten enthält. Mehr Obst, Gemüse, ­Nudeln – und möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel stehen auf seinem Speiseplan. „Ich kann ja schlecht Wasser predigen und Wein trinken“, betont Adolph, der früher aufgrund von Zeitmangel auch öfter Fast Food gegessen hat. Aber mehr Zeit hat er nun auch nicht – seine Woche ist straff durchorganisiert mit einem Ambulanztag, einem Tag Endoskopie, einem Nachtdienst und zwei Tagen im Labor, die der konzeptionellen Arbeit, der Projektplanung und Strategie-Meetings gewidmet sind. Aber durch seine Forschungsarbeit hat die gesunde Ernährung einen anderen Stellenwert erhalten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 07 / 10.04.2022