Porträt Christoph Grander: Alpha 1-Antitrypsin bei Lebererkrankungen

25.02.2022 | Politik

Für seine Forschungen über Alpha 1-Antitrypsin im Zusammenhang mit Alkohol-bedingten Lebererkrankungen erhielt Christoph Grander zahlreiche Auszeichnungen – zuletzt den International Medis Award for Medical Research. Er hofft, die im Mausmodell gewonnenen Erkenntnisse in einer klinischen Studie umsetzen zu können.

Ursula Scholz

Zwei Wewalka-Gedächtnispreise, der Wissenschaftspreis der Tiroler Ärztekammer und jetzt der International Medis Award for Medical Research: Noch vor Abschluss seiner Facharztausbildung für Innere Medizin an der Innsbrucker Universitätsklinik sammelt Christoph Grander mit seiner Forschung zur Behandlung von Menschen mit Alkohol-bedingten Lebererkrankungen eine Fülle an Auszeichnungen. Bescheiden bezeichnet er sich selbst weiterhin als „kleinen Kliniker“, der nichts desto trotz große Träume hat. Sein Ziel ist es nämlich, die im Mausmodell gewonnenen preisgekrönten Erkenntnisse zur potentiell heilenden Wirkung von Alpha-1 Antitrypsin in einer klinischen Studie zu verifizieren und damit den Patienten helfen zu können.

In Österreich weisen rund 14 Prozent der über 15-Jährigen einen problematischen Alkoholkonsum auf, Männer doppelt so häufig wie Frauen. Die Anzahl derjenigen, die von den wissenschaftlichen Erkenntnissen von Grander profitieren könnten, dürfte hoch sein. „Probanden gäbe es sicherlich genügend. Aber bis jetzt ist es uns noch nicht gelungen, das Interesse der Pharmaindustrie an einer klinischen Studie zu wecken“, bedauert Grander.

Möglicher Therapieansatz

Zwei wichtige Ergebnisse lieferte die preisgekrönte wissenschaftliche Arbeit von Grander zum Alpha 1-Antitrypsin, dessen antiinflammatorische Wirkung bereits Charles Dinarello nachweisen konnte. Erstes Ergebnis: Bei Patienten, die an einer Alkohol-assoziierten Leberzirrhose leiden, ist ein niedriger Alpha 1-Antitrypsin-Spiegel (weniger als 120 mg/dl) mit einem erhöhten Risiko für eine Transplantation oder für einen vorzeitigen Tod verbunden. Die zweite, zukunftsweisende Erkenntnis: Bei Alkohol-abhängigen leberkranken Tieren lässt sich durch Alpha 1-Antitrypsin die Erkrankung stoppen und auch abmildern – zumindest im Mausmodell. Sollte diese Wirkung auch auf Menschen übertragbar sein, stünde somit ein erstes Therapeutikum für Alkohol-bedingte Lebererkrankungen zur Verfügung. Die Bereitstellung von Alpha 1-Antitrypsin, das aus menschlichen Plasmaspenden gewonnen wird und somit ein äußerst wertvoller Rohstoff ist, stellt dabei nicht einmal das größte Problem dar, denn das körpereigene Protein ist für Menschen, die aufgrund eines Gendefekts an Alpha 1-Antitrypsin-Mangel leiden, bereits auf dem Markt verfügbar. Es fehlt am finanzkräftigen Partner für das Forschungsvorhaben.

Inspiration durch den Mentor

Die Inspiration zur Alpha 1-Antitrypsin-Forschung kommt nicht von ungefähr. Der akademischer Mentor von Grander, Univ.-Prof. Herbert Tilg, in dessen Labor Grander schon für seine Diplomarbeit angeheuert und seitdem kontinuierlich mitgearbeitet hat, war Anfang der 1990er-Jahre Forschungsstipendiat bei Dinarello gewesen.

Mit Alpha 1-Antitrypsin verfolgt Grander bereits den zweiten Ansatz, Alkohol-assoziierte Lebererkrankungen zu heilen. Der erste Weg dorthin erfolgte über die Darm-Mikrobiomforschung. Grander konnte nachweisen, dass der Darmkeim Akkermansia muciniphila, der vom belgischen Metabolismus-Forscher Patrice Cani in Bezug auf die Behandlung von Übergewicht und anderen Stoffwechselerkrankungen erforscht wird, auch eine Rolle bei Alkohol-bedingten Lebererkrankungen spielt. Regelmäßiger Alkoholkonsum führt sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen zu einer Reduktion der Akkermansia muciniphila-Population im Darm. Umgekehrt konnte Grander zumindest bei Mäusen zeigen, dass eine Verabreichung des Keims zu einer Wiederansiedelung im Darm führt, was mit einer positiven Entwicklung der Lebererkrankung einhergeht.

Befruchtende Kombination

Mit dem ärztlichen Beruf folgt Christoph Grander einer Familientradition; trotzdem stand sein Berufswunsch nicht von Anfang an fest. „Ein bisschen abschreckend“ sei der Berufsalltag der Eltern, einer Allgemeinmedizinerin und eines Kardiologen am Landeskrankenhaus Hall, schon gewesen, gesteht er. Im Zivildienst als Rettungssanitäter habe er sich dann trotzdem für die Medizin entschieden. Neben seiner klinischen Tätigkeit möchte Grander jedenfalls auch weiterhin im Bereich der Forschung bleiben. „Das ist eine sehr befruchtende Kombination. Wer klinisch tätig ist, kennt die offenen Fragestellungen aus der Praxis. Wer forscht, hat immer Augen und Ohren offen für neue Therapieansätze.“

Die Wissenschaft, so Grander, sei allerdings auch eine Art Hobby, weil er große Teile der Freizeit investieren müsse. „Erfolgreiche Forschungsarbeit braucht immer einen Partner, der sie ermöglicht.“ Zu Hause sei zudem gerade „prime time“, denn die beiden kleinen Kinder seien nur mit 100 Prozent väterlicher Aufmerksamkeit zufrieden. „Da kann man nichts Anderes daneben machen und das ist auch gut so. Da wird der Kopf ganz frei“, erzählt Grander begeistert. Ein Gefühl, das er auch vom Sport kennt: vom Laufen und Radeln im Sommer und vom Skifahren und Ski-Tourengehen im Winter.

Er beschreibt sich selbst er als eher ruhig und vermittelnd, nie auf ein Extrem ausgerichtet. Auch als jemand, der versuche, seine Vorhaben konsequent zu verfolgen, aber er arbeite auf kein spezielles Lebensziel hin. Weder verfolge er einen sportlichen Rekord noch eine bestimmte berufliche Position oder eine Benchmark für Publikationen. „Vieles in meinem bisherigen Leben hat sich so ergeben“, meint der sich aktiv in die Baptistengemeinde einbringende Grander. „Ich möchte einfach weiterhin das tun, was mir Freude bereitet.“

Teamarbeit als Voraussetzung

Damit ist Christoph Grander, wie seine Sammlung von Preisen zeigt, durchaus erfolgreich. Beim Medis-Award, der von einem slowenischen Unternehmen für die Vermarktung innovativer Arzneimittel an Forscher aus neun mittel- und südosteuropäischen Ländern vergeben wird, wurden aus 230 Einreichungen die Gewinner in neun medizinischen Fachrichtungen gekürt. Auch im Vorjahr ging der Preis in dieser Kategorie nach Österreich.

Grander, der den International Medis Award Pandemie-bedingt nicht vor Ort entgegennehmen konnte, sondern in Innsbruck im Rahmen eines kleinen Promotionfilms, hat sich sehr über die Auszeichnung gefreut. Gleichzeitig ist ihm wichtig, hervorzuheben, dass es sich dabei um die Würdigung einer besonders gelungenen Teamarbeit handelt. In diese Publikation – die Ergebnisse wurden in ‚Gut‘ (Internationales Journal für Gastroenterologie und Hepatologie) publiziert – hätten auch einige Kollegen viele Arbeitsstunden investiert. „Hinter diesem Erfolg stehen wohl zehn bis 15 Menschen“, betont Grander. Beginnend mit den Professoren Herbert Tilg und Heinz Zoller von der Universitätsklinik Innsbruck mit ihren Laboren und den Möglichkeiten, Ressourcen zu beschaffen bis zu den begleitenden Klinikern sowie Benedikt Schäfer und Julian Schwärzler, die wesentlich an Datenauswertung und Experimenten mitgearbeitet haben. So wie Grander selbst, als er noch während des Studiums seine Diplomarbeit schrieb. Womit seine vielversprechende Forscherkarriere seinerzeit ihren Anfang nahm.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 04 / 25.02.2022