SARS-CoV‑2: Kon­junk­ti­vi­tis als Begleiterkrankung

10.06.2022 | Coronavirus, Medizin

Wäh­rend das Corona-Virus mit oku­lä­ren Begleit­erkran­kun­gen asso­zi­iert ist, tritt das soge­nannte Mask-Asso­cia­ted Dry Eye (MADE)-Syndrom ver­mehrt als Folge des Tra­gens von FFP2-Mas­ken auf. 

Manuela‑C. War­scher

SARS-CoV‑2 nutzt ACE2 (Angio­ten­sin Con­ver­ting Enzyme 2) um in die Wirts­zelle ein­zu­drin­gen. Dabei wird ACE2 im Lungen‑, Magen‑, Kolon‑, Leber- und Nie­ren­ge­webe expri­miert. Ob das auch auf Zel­len der Augen­ober­flä­che zutrifft und sie daher für eine Corona-Infek­tion anfäl­li­ger wer­den, konnte bis­lang jedoch nicht ein­deu­tig geklärt wer­den. Nora Wolt­sche von der Uni­ver­si­täts-Augen­kli­nik der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz: „Man weiß mitt­ler­weile, dass ACE2 auch auf der Augen­ober­flä­che expri­miert wird.“ Es gibt aller­dings Hin­weise dar­auf, dass im Trä­nen­film und Bin­de­haut­ab­stri­chen von COVID-19-Pati­en­ten äußerst sel­ten Virus-RNA vor­kommt. Außer­dem wird nur wenig ACE2 in der Bin­de­haut gebil­det, womit eine kon­junk­ti­vale Infek­tion durch das Corona-Virus über die­ses Enzym unwahr­schein­lich ist. „Um diese Hypo­these abschlie­ßend zu bestä­ti­gen, fehlt aus­rei­chend harte Stu­di­en­evi­denz“, bestä­tigt Univ. Prof. Mar­tina Kra­linger von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Augen­heil­kunde und Opto­me­trie der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Innsbruck.

Dage­gen konnte beob­ach­tet wer­den, dass oku­lä­ren Betei­li­gun­gen wie Epi­skle­ri­tis, reti­nale Gefäß­ver­schlüsse, neu­ro­gene Pto­sis oder Makul­opa­thien Erst- oder Begleit­ma­ni­fes­ta­tio­nen einer COVID-Infek­tion sind. Diese tre­ten ent­we­der sofort oder bis zu 14 Tage nach einer SARS-CoV-2-Infek­tion auf. Mit zehn Pro­zent – bei einem bis 32 Pro­zent der COVID-19-Pati­en­ten – stellt Kon­junk­ti­vi­tis das häu­figste Sym­ptom dar. Die Gründe dafür ortet Wolt­sche in der „Virus­in­fek­tion“. Auch kann die mecha­ni­sche Ven­ti­la­tion die Augen­ober­flä­chen aus­trock­nen und sie so für Infek­tio­nen emp­find­li­cher machen. Tat­säch­lich tre­ten oph­thal­mo­lo­gi­sche Kom­pli­ka­tio­nen wie Horn­haut­epi­thel­de­fekte in der Regel bei bis zu 40 Pro­zent aller inten­siv medi­zi­nisch betreu­ten Pati­en­ten auf. Dar­über hin­aus schei­nen „Ver­än­de­run­gen des sub­ba­sa­len Ner­ven­ple­xus der Cor­nea“ nach über­stan­de­ner COVID-19-Erkran­kung mit neuro pathi­schen kor­nea­len Schmer­zen zu kor­re­lie­ren. Wäh­rend das Corona-Virus selbst mit oku­lä­ren Begleit­erkran­kun­gen asso­zi­iert ist, tritt das soge­nannte MADE (mask-asso­cia­ted dry eye)-Syndrom ver­mehrt als Folge des Tra­gens von FFP2-Mas­ken auf. Die­ses Syn­drom ist umso stär­ker aus­ge­prägt je län­ger die Tra­ge­dauer ist und je schlech­ter die Maske sitzt. „Höhe­res Alter, weib­li­ches Geschlecht sowie Bril­len und Kon­takt­lin­sen sind wei­tere Fak­to­ren, die ein mask-asso­cia­ted dry eye-Syn­drom beein­flus­sen kön­nen“, führt Wolt­sche aus. Die Ursa­chen lie­gen einer­seits in einer gestei­ger­ten Ver­duns­tung der Trä­nen­flüs­sig­keit durch die Aus­atem­luft, wodurch das Mei­bom-Drü­sen­se­kret ver­här­tet und zu Ble­pha­rit­i­den führt. „In wei­te­rer Folge kommt es zu einer redu­zier­ten Lipidphase und einer noch stär­ke­ren Ver­duns­tung und schließ­lich even­tu­ell zur Chala­zion-Bil­dung“, kon­kre­ti­siert Wolt­sche. Auch die durch „Bak­te­rien der Aus­atem­luft“ ver­än­derte mikro­bielle Lid­flora könnte die Aus­bil­dung von Chala­zien begüns­ti­gen. Ande­rer­seits kann „fal­sches“ Mas­ken­tra­gen auch ein bestehen­des Sicca-Syn­drom ver­stär­ken, was wie­derum das Risiko für eine Kon­junk­ti­vi­tis und Kera­ti­tis erhöht, beto­nen die bei­den Exper­tin­nen unisono.

Daher sei es umso wich­ti­ger, den „war­men Aus­atem­strom nach unten“ (Kra­linger) aus­zu­lei­ten. Dies gelingt etwa, indem die Maske mit Leu­ko­plast an der Nase fixiert wird. Auch regel­mä­ßige „Tra­ge­pau­sen“ redu­zie­ren das Risiko, dass das Auge aus­trock­net. Bei Pati­en­ten mit einem Sicca-Syn­drom soll­ten All­ge­mein­me­di­zi­ner „pro­phy­lak­tisch“ den „sinn­vol­len“ Ein­satz von kon­ser­vie­rungs­mit­tel­freien Trä­nen­er­satz­mit­teln in Erwä­gung zie­hen, so Kralinger.

Übri­gens: Mas­ken­tra­gen kann auch Gesichts­feld­ein­schrän­kun­gen begüns­ti­gen, berich­tet Wolt­sche aus der Pra­xis. Und Kra­linger ergänzt: „Ohne fixierte Maske beschla­gen Bril­len. Das kann vor allem bei älte­ren Pati­en­ten zu lebens­ge­fähr­li­chen Situa­tio­nen beim Stie­gen­stei­gen führen.“


Auf einen Blick

1) Es gibt Evi­denz aus Stu­dien, dass das Corona-Virus die Augen­ober­flä­che als Ein­tritts­pforte nützt.
2) Oku­läre Begleit­erkran­kun­gen wie bei­spiels­weise Kon­junk­ti­vi­tis sind bei SARS-CoV‑2 möglich.
3) FFP2-Mas­ken kön­nen durch fal­sches Tra­gen das Sicca-Syn­drom ver­stär­ken und zu Kon­junk­ti­vi­tis oder Kera­ti­tis füh­ren. Vor allem Frauen und ältere Per­so­nen sind betroffen.
4) Beim Sicca-Syn­drom und Tra­gen einer FFP2-Maske pro­phy­lak­tisch Trä­nen­er­satz­mit­tel verwenden.
5) Pro­phy­lak­tisch kann die FFP2-Maske mit Leu­ko­plast am Nasen­rand fixiert wer­den. Trä­nen­er­satz­mit­tel verwenden.


© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.6.2022